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Mädchen, warum muss es immer ein Hollandrad sein?

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Die Jungsfrage  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Wenn ich ein verbindendes Element wählen müsste, das für alle Mädchen, die ich kenne annähernd gilt, dann ist es die Neigung zu Hollandrädern. Wenn sie sich zwischen einem gut ausgestatten Citybike und einem schlecht ausgestatteten Hollandrad entscheiden müssten, würden sie allesamt das schwarze Stahlungetüm nehmen. Bei Jungen sähe dieser Test doch wohl ziemlich anders aus.
Ich verstehe das ja - wenn ich mir ein schönes Fahrrad vorstellen soll, dann stelle ich mir auch eher was in Richtung Hollandrad vor, als ein Alu-Trekkingbike mit Nabendynamo. Aber ich fliege ja trotzdem nicht mit einem Doppeldecker oder fahre einen Oldtimer, sondern setze als Junge in Dingen der Beförderung eben doch auf Fortschritt und Technik. Wenn wir mitansehen, wie ihr euch mit euren 20 Kilo-Fahrrädern und Dreigangschaltung über die kleinen Stadtberge müht, wie ihr mit dem ausladenden Lenkern in der engen Unterführung ins Wackeln kommt und an jeder Ampel als Letzte wieder aufgesessen und losgestrampelt seid, dann rührt uns das ans Herz hinan.

Natürlich wissen wir alle, warum ihr das Hollandrad trotzdem auf bzw. unter euch nehmt. Ihr seht euch damit instant-romantisiert und wahlweise in die Rolle des holländischen Grachten-Fräuleins oder der schwedischen Blumenhändlerin versetzt, die mit wehendem Sommerkleid und einem Strauß Tulpen im Fahrradkorb unentwegt über sanft gebogene Flußbrücken radeln. Das ist ein schönes Bild, zeitlos und friedlich. Nur hat es mit dem Münchner Stadtverkehr nicht allzu viel zu tun. Wir wollen es euch trotzdem nicht ausreden, nur mal sacht fragen, was genau es ist, das euch so unbeirrt aufs Hollandrad setzen lässt? Und außerdem mögen wir anmerken, dass wir nichts Lässigeres kennen, als adrette Damen, die auf einem alten Rennrad im zwölften Gang an uns vorbeiziehen – wäre das nicht auch mal mehrheitsfähig?

Zur Mädchenantwort geht's auf der nächsten Seite.


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Schaut her Jungs: Seit wir klein sind, wachsen wir über unsere Fahrräder hinaus wie wir als Kleinkinder aus unseren Klamotten herausgewachsen sind. Irgendwann nervt das ganz schön, denn immerhin beschreibt das beknackte Wort „Drahtesel“ schon ganz gut, welche Rolle ein Fahrrad im Leben der meisten Menschen einnimmt: Einen ziemlich treuen Begleiter. Und einen ziemlich treuen Begleiter sollte man nicht alle paar Jahre gegen einen neuen eintauschen, denn dann ist er nämlich kein treuer Begleiter mehr. Und ohne gute Freunde an der Seite mag keiner gern durch seinen Alltag schreiten.

Genau so ist es aber mit uns und den Rädern immer gewesen: Wir waren vielleicht kurzweilig gute Freunde, doch das Wahre war es doch nie. Mit ungefähr 16 legten wir uns ein Mountainbike zu, sportlich, schnell, Hip-Hop-mäßig cool irgendwie. Heute schämen wir uns dafür, wir ziehen doch auch die alten Buffalos nicht mehr an – auch wenn sie mal cool waren. Abgesehen davon ist das ewige Vornüberlehnmüssen auf einem Mountainbike schmerzhaft für den Rücken und unvorteilhaft bei flattrigen Sommerkleidchen und kurzhenkligen Handtaschen. Das Jahre später ersatzweise auf dem Flohmarkt ergatterte Schrottmühlenrad besitzt zwar durch seine Used-Look Romantik schon mehr Charme, ist aber aufgrund seiner miserablem Bremsfähigkeit, dem fehlenden Licht und dem Rattergeräusch eines Mähdreschers auch kein idealer Begleiter.

Und wenn wir dann in globalen Streetstyleblogs immer und immer wieder über blondbezopfte Amsterdam-Mädchen an glänzenden Lindgren-Film Rädern stolpern, kapieren wir diese Drahteselsache plötzlich. Ein Fahrrad ist gar kein notwendiges Übel, es ist unser Freund, und auch noch etwas ganz anderes wahnsinnig Großartiges: eine potentielle Erweiterung unseres Kleiderschranks. Das trotz seiner Massivität wahnsinnig elegante Hollandrad brennt sich als Perfektion dieser Möglichkeit in unseren Sehnsuchtskopf: Es ist der Burberry-Mantel unter den Fahrrädern, das weiße T-Shirt, das kleine Schwarze - ein zeitloser Begleiter, der uns durch die besten und die schwersten Stunden unseres Lebens begleiten wird. Ach was: Radeln wird! Zur Not auch auf und davon!

Ach, und noch ein Wort zum immensen Gewicht: Was schwer ist, liegt auch sicher auf der Fahrbahn und fährt sich, einmal in Schwung, angenehm von selbst. Weiß doch jedes Kind. Und wie das mit den Kurven richtig geht, kriegen wir schon noch heraus. Auch der harte Ledersattel sitzt sich bestimmt ein. Das Lenkergefühl jedenfalls ist großartig, von einem Tag auf den anderen fühlen wir uns wie junge Blume, die ranker und gesünder nie war. Im Hollandrad fahren ist wie Flanieren am Sonntag. Gemächlich, aber unendlich komfortabel. Und wenn wir jetzt jeden Tag zum Sonntag machen können und dabei die Frische roter Tulpen ausstrahlen – ist das dann nicht Grund genug, jedes alte, zwölfgängige Rennrad (das übrigens ohne Frage schick, aber durch seine dünnen Reifen ja wohl das Rad mit dem größten Unpraktischfaktor der Welt ist) links liegen zu lassen?

mercedes-lauenstein 

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