Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Mädchen, warum spielt ihr nie Karten?

Illustration: Janina Schmidt

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Die Jungsfrage:

Liebe Mädchen,

Neulich saß ich abends auf einer Hütte in den Bergen. Die Gaststube war gut gefüllt mit lauter Wanderer-Grüppchen. Manche gemischt, manche rein weiblich, manche rein männlich. Auffällig dabei: Circa die Hälfte der männlichen Gruppen spielte irgendein Kartenspiel. Bei den gemischten Gruppen gab es Unterhaltungen, andere Spiele, und wenn Karten gespielt wurde, war es Uno. Bei den rein weiblichen sah ich kein einziges Kartenspiel.

Ich dachte dann ein bisschen weiter. Und kam zu dem Schluss, dass ihr irgendeine Karten-Aversion haben müsst. Zumindest die meisten von euch. Ich kenne in meinem Bekanntenkreis mehrere Poker-, Schafkopf- oder Skat-Gruppen. Keine davon ist rein weiblich. Und in höchstens zwei spielt ab und zu mal eine Frau mit.

Kann natürlich sein, dass ihr euch heimlich immer zum Zocken trefft, wenn ihr vorgebt, Topmodel zu glotzen. Oder dass mein Bekanntenkreis da einfach seltsam ist. Glaub ich aber nicht. Ich glaube, ihr mögt Kartenspielen einfach nicht. Und ich wüsste gerne, ob das stimmt. Und wenn ja, warum. Also erklärt mal bitte: Warum spielt ihr nicht Karten?

Eure Jungs

maedchenfrage

Die Mädchenantwort: 

Liebe Jungs,

ahh, die berühmten exklusiven Herren-Poker-Skat-Schafkopf-Runden, um die sich allerlei Mythen ranken, weil so selten von ihnen erzählt wird: Man stellt sich sofort eine Runde Zigarren rauchender Typen mit Hut unter einem sehr niedrig gehängten Lampenschirm rund um einen mit grünem Filz belegtem Tisch vor, die mit finsterer Miene eine Karte nach der anderen auf den Tisch hämmern, bis einer sagt „Schachmatt“ oder was man da halt so sagt, wenn man vier Richtige hat.

Wenn man dann doch ein bisschen hartnäckiger nachfragt, erfährt man allerdings irgendwann, dass die Mitglieder in der Regel nur deshalb so einsilbig sind, weil einfach nicht viel passiert ist. Außer dass zirka 12,95 Euro den Besitzer gewechselt haben, mit den immer gleichen zehn Uralt-Sprüchen, ein paar harmlosen Zoten und jeder Menge Schnaps der Marke „Muss jetzt dann auch mal weg“. Und zwar in der Ikea-Küche von Holger und Tini, die an diesem Abend mit „den Mädels“ in der Therme Erding einen auf Wellness gemacht haben.

Ich finde das wirklich überhaupt nicht schlimm, ich finde es sogar sehr gut, wenn Menschen sich treffen und etwas zusammen machen, statt immer nur daheim irgendwelche Serien wegzuglotzen. Und Spielen ist ein durchaus ehrenwertes Hobby. Für mich wäre es jetzt nichts - es käme mir einfach nicht in den Sinn, mich „spielerisch“ mit meinen Freunden zu messen und sie dabei ebenfalls „spielerisch“ mit Kraftausdrücken zu belegen und im Fall meines Sieges mich „spielerisch“ darüber zu freuen, sie besiegt zu haben. Ich finde es ehrlich gesagt schöner, mich mit meinen Freunden zu treffen, um es nett miteinander zu haben.  

Seit ich erwachsen bin und meine Freunde nicht in der Schule oder in der Uni treffe, muss ich mich verabreden. Das funktioniert mal besser und mal schlechter. Mit einigen habe ich feststehende Treffen, mit anderen eine unausgesprochene Abmachung, dass wir uns mindestens alle zwei Wochen sehen müssen, weil wir sonst zu große Sehnsucht nacheinander bekommen. Bei anderen gibt es wiederum das Übereinkommen, dass auch mal einige Wochen ins Land ziehen können, bevor wir uns wiedersehen, weil wir diese Regelmäßigkeit nicht unbedingt brauchen in unserer Beziehung. Doch bei all diesen Treffen gibt es eine Konstante: wir quatschen, reden, labern, erzählen einander. Aus unserem Leben, von unseren Erfahrungen, dem Kinofilm, der so beknackt war und wie sich gerade die Beziehung zu dem jeweiligen Herzensmenschen gestaltet.

 

Meine Theorie ist, dass einigen Jungs bei der Lektüre des letzten Absatzes schon die ein oder andere Schweißperle auf der Stirn erschienen ist, weil ich hier so emotional vor mich hin schreibe und sogar das Wort „Sehnsucht“ benutzt habe. Aber ich glaube, genau in diesem Unwohlsein liegt auch die Antwort auf eure Frage begründet: Ich glaube, viele Jungs und Männer brauchen, im Gegensatz zu uns, einen Vorwand, sich mit Freunden zu treffen, an denen sie keinerlei erotisches Interesse haben. Also wird ein Spieleabend organisiert, dessen eigentlicher Zweck es ist, dass man miteinander Zeit verbringt. Und natürlich ist es von Vorteil, dass man während dieses Treffens immer etwas zu sagen hat. Und wenn es halt nur „Schachmatt!“ ist… Aber ich finde: Noch viel mehr Vorteile hat man, wenn man diesen Vorwand gar nicht erst nötig hat.

 

Eure Mädchen

Noch mehr Jungsfragen: 

  • teilen
  • schließen