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Mädchen, wollt ihr, dass wir tanzen können?

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Die Jungsfrage:

Ich glaube, ich habe meiner Mutter selten eine größere Freude bereitet als auf der Hochzeit meines Cousins. Ich habe sie da zu einem Walzer aufgefordert. Sie war sehr glücklich, mit ihrem Sohn zu tanzen, auch wenn der eigentlich gar nicht tanzen kann (Meine Schwestern haben in der zehnten Klasse einen Tanzkurs gemacht, ich konnte mich davor drücken). Ich weiß nichts über Foxtrott und Qickstep, einen Walzer bekomme ich zwar hin, aber auch das nicht ohne Zwischenfälle im Fußraum.

Mit meiner Mutter zu tanzen, habe ich mich getraut. Es ging da eher um die Symbolik, ihr diesen Wunsch zu erfüllen. Auf den Hochzeiten im Freundeskreis, auf denen ich bislang war, habe ich die Tanzfläche erst betreten, wenn der Standard-Gesellschaftstanz-Teil vorüber war (manchmal gab es den glücklicherweise auch gar nicht) und ich mich so bewegen konnte, wie ich es auch an herkömmlichen Ausgeh-Abenden tue.

Während ich im Beobachtermodus am Rand der Tanzfläche stand, ist mir aufgefallen, dass viele der tanzenden Mädchen, die einen eher kompetenten Tanzpartner hatten, einen recht verzückten Eindruck machten. Ich will nicht von einem Leuchten in ihren Augen sprechen, aber die Mädchen wirkten, als würde das Tanzen sie in diesem Moment sehr erfüllen. Als gefiele es ihnen, von ihrem Partner über die Tanzfläche gelenkt und gedreht zu werden, sich fallen zu lassen. Und ein paar der Blicke, die die kurze Distanz Richtung Tanzpartner zurücklegten, hatten etwas Anhimmelndes.

Seitdem habe ich begonnen, mein Nichttänzertum zu überdenken. Bisher fand ich Jungs, die ein Mädchen herumwirbeln, als wäre es ein Übungsgegenstand in einem Jonglierkurs, ziemlich unsympathisch. Und ich war davon ausgegangen, dass ihr Tanzjungs auch eher uncool findet. Dass ihr Herumgewirbel auf euch wie eine Mischung aus Angeberei und Anmache wirkt und euch als modernen Frauen der Gedanke, dass euch jemand „führt“, sowieso nicht so behagt.

Habe ich mich geirrt? Wie wichtig findet ihr es, dass wir einen Walzer und einen Foxtrott hinbekommen und euch sicher wie ein Navigationssystem und gleichzeitig einfühlsam über die Tanzfläche führen können? Und gibt es so etwas eine Mindestanforderung? Müssen wir bestimmte Tänze unbedingt können, während andere egal sind oder uns sogar ins Abseits eurer Gunst stellen?             



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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Die Mädchenantwort:

Nein, wir wollen nicht, dass ihr tanzen könnt. Aber wir wollen, dass ihr es versucht. Es gibt tatsächlich keine schlimmere Situation auf einer Hochzeit, als die, die entsteht, wenn der Junge, mit dem man dort ist, partout nicht tanzen möchte. Zu zweit sitzt man dann an einem leeren Tisch. Das Mädchen schmollt und der Junge schaut seinem Bier dabei zu, wie es den letzten Rest Kohlensäure verliert. In der Zwischenzeit versammeln sich die anderen Paare auf der Tanzfläche, wirbeln umher und haben Spaß. Während ihr euch möglichst unauffällig verhaltet, quält uns die Frage nach dem Warum. Warum ich? Warum will ausgerechnet er schon wieder nicht tanzen? Warum nicht einmal mir zuliebe? 

Falls es daran liegt, dass ihr Angst vor unserem Urteil über eure Tanz-Skills habt, kann ich dich beruhigen. Wir haben im Laufe der Jahre schon begriffen, dass ihr Jungs das mit dem Tanzen nicht ganz so drauf habt. Dementsprechend sind unsere Erwartungen immer mehr gesunken. Sich richtig zu blamieren ist schwer. Ein Mann, der beim Walzer noch etwas trampelig ist, wird keine Minuspunkte sammeln. Versprochen!

Doch immer noch hält sich bei euch das Gerücht, Tanzen sei „altmodisches Zeugs“. Zumindest Standardtänze. Dabei verbinden wir es vielmehr mit einem nostalgischen Romantikgefühl. Ein bisschen kitschig vielleicht, aber trotzdem – oder gerade deshalb – schön. Vergleichbar mit Mixtapes vom Liebsten oder Fotos einer Polaroidkamera. Und beim Tanzen besteht für euch noch nicht einmal die Gefahr, als unmännlich zu gelten. Ein guter Tänzer, der selbstbewusst führt und uns das Gefühl gibt, wir müssten gar nicht viel machen außer uns ihm hinzugeben, ist auf jeden Fall attraktiv, männlich und faszinierend. Wir Mädchen sind in den heutigen Zeiten zwar  sehr damit beschäftigt, emanzipiert und eigenständig zu sein. Trotzdem sehnen wir uns manchmal, danach zumindest einen Tanz lang wieder das schwächere Geschlecht zu sein. Den Mann führen zu lassen.  

Vielleicht mache ich es mir, beziehungsweise euch, gerade etwas zu einfach. Zwar ist tanzen grundsätzlich besser als nicht tanzen, aber es kommt auch ein bisschen auf den Stil an. Wir sind nicht sehr kritisch. Aber es gibt da einige Sachen, die gar nicht gehen. Zum einen ist da der Hyperaktive. Er sieht beim Tanzen aus wie Bernd das Brot auf Koks, gleichzeitig steif und zuckend. Meistens fühlt er sich noch unsicher und zappelt deshalb tollpatschig umher. Dabei sollte er eigentlich eine gewisse innere Ruhe behalten. Es kommt nämlich auf die Haltung an das Ganze soll geschmeidig aussehen. Der zweite inakzeptable Tanztyp ist der Überehrgeizige, der unbedingt demonstrieren will, was und wie gut er tanzen kann. Wir wollen nicht das Gefühl haben, wir müssten eine perfekte Show abliefern. Ein Tanz ist ein intimer Moment zwischen zwei Menschen, er gehört nur ihnen, nicht der ganzen Hochzeitsgesellschaft. Egal ob zwischen zwei Liebenden, Vater und Tochter oder wie bei dir, Mutter und Sohn.  

PS.: Discofox könnt ihr euch ganz sparen. Da steht wirklich keine drauf...

lena-niethammer

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