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Wie wichtig sind weibliche Headliner?

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Die Jungsfrage:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Die wichtigste Bühne beim traditionsreichen Glastonbury-Festival wird "Pyramid Stage" genannt. Dort wird in diesem Jahr am letzten Festival-Tag Beyonce Knowles auftreten. Als letzter Künstler des Wochenendes, als Höhepunkt der Veranstaltung. In der Festival-Sprache nennt man das "Headliner". Deren Namen stehen ganz oben auf den Plakaten, sie ziehen das Publikum. Meist sind die Headliner Jungs. Jedenfalls kündigte die Glastonbury-Organisatorin dieser Tage in einem Interview an, erstmals eine weibliche Solo-Künstlerin als Headliner gebucht zu haben: Beyonce!

Als ich diese Meldung las, fühlte ich mich irgendwie an Angela Merkel erinnert. Sie ist auch eine Art Headliner. Sie spielt auf der wichtigsten Bühne des Festivals namens Bundespolitik. Und wie bei Beyonce stellt sie euch Mädchen damit vor ein Problem. Das nehmen wir Jungs jedenfalls an. Denn weder Beyonce noch die Kanzlerin sind im klassischen Sinn feministische Frauen. Sie sind die ersten und bekanntesten weiblichen Headliner, aber sie treten keineswegs so auf als läge ihnen die Sache der Frauen sonderlich am Herzen. Wir Jungs nehmen an, dass das eine merkwürdige Situation sein muss: Da stehen jetzt also Frauen ganz vorne, die man als Frau allein deshalb ja gut finden muss, weil sie die ersten Frauen dort sind.

Vielleicht liegen wir mit dieser Annahme falsch. Wir fragen trotzdem: Ist es nicht merkwürdig für euch, dass auf einem angesehenen Festival wie Glastonbury eine Mainstream-Musikerin wie Beyonce erste weibliche Headlinerin ist und nicht jemand wie Björk? Oder um es in die Politik zu übertragen: Angela Merkel oder Ursula von der Leyen haben faktisch mehr für eine gleichberechtigte Politik erreicht als alle klassischen feministischen Politikerinnen zusammen. Trotzdem gehören sie einer Partei an, in der in nicht unwesentlichen Teilen noch ein sehr klassisches Rollenbild gepflegt wird.

Kennt ihr diese Zwickmühle? Und: Wie löst ihr sie? Oder um es ganz einfach zu machen: Findet ihr es gut, dass Beyonce Headliner beim Glastonbury-Festival ist oder nicht?

Auf der nächsten Seite kannst du die Mädchenantwort lesen.


Die Mädchenantwort:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Um zunächst mal die – danke dafür! – ganz einfach gestellte Frage zu beantworten: Ja, ich persönlich habe mir ein klitzekleines Loch in den Bauch gefreut, als ich die Meldung gelesen habe und fand es toll zu hören, dass eine Frau bei einem so „wichtigen“ Festival wie Glastonbury zum ersten Mal Headliner ist. Und da ist es mir ehrlich gesagt auch gar nicht wichtig, ob diese Frau jetzt eine zertifizierte Feministin ist oder von ebensolchen abgesegnet wurde. Ich freue mich einfach.   
Dann drehen sich die Gedanken ein bisschen weiter. Erst mal in Richtung der naheliegenden Sachen, wie zum Beispiel darüber, wie krass es eigentlich ist, das auch in einem so bunten Feld wie der Popmusik erst 2011 einer Frau zugetraut wird, genug Leute anzuziehen, um die Veranstaltung lukrativ zu machen. Oder darüber, dass sich ein Festival, das aus der Hippie-Bewegung entstand und immer noch stolz ist auf seinen nonkonformistischen Ansatz, jetzt per Pressemitteilung diese scheinbar Neuigkeit verbreitet und sich dabei mental ununterbrochen auf die Schulter klopft angesichts seiner vermeintlichen Fortschrittlichkeit.  

Und dann ist die Freude vielleicht nicht mehr ganz so glänzend und neu, und setzt ein bisschen Staub an. Und natürlich denke ich auch über Beyonce nach und das Frauenbild, das sie vermittelt. Wobei ich mich ehrlich gesagt bisher nicht so wahnsinnig interessiert habe für die Botschaft, die die Frau unter die Leute bringt. Ich weiß, dass sie zu „Destiny’s Child“-Zeiten Pseudo-Empowerment-Hymnen, wie „Surviver“, „Independent Women“ oder „Bills, Bills, Bills“ gesungen hat. Ich weiß, dass sie eine der schönsten Frauen der Welt ist. Ich weiß, dass sie mit dem überaus einflussreichen Hip-Hop-Mogul Jay-Z verheiratet ist, in ihren Videos gerne sehr wenig anzieht und unglaublich reich und erfolgreich ist.   Was ich nicht weiß, ist, wie sie zur gerade mal wieder akut sehr erhitzt geführten Abtreibungsdebatte in ihrer Heimat steht, ob sie sich selbst als Feministin bezeichnet oder sich gar für „die Frauensache“ engagiert. Aber das kann mir auch verhältnismäßig wurscht sein, solange sie nicht das erklärte Gegenteil davon predigt oder tut, solange sie also ihren weiblichen Fans nicht erzählt, dass man als Mädchen möglichst wenig anziehen sollte und mit seiner besten Freundin knutschen, um die Jungs abzukriegen, oder dem Mann immerzu sexuell zu Diensten sein, damit er nicht zur nächsten Thekenschnalle weiterzieht.  

Und die Tatsache, dass mir Beyonces Haltung zu den feministischen Grundthemen verhältnismäßig egal sein kann, unterscheidet die Headlinerin Beyonce Knowles eben dann doch erheblich von den Headlinerinnen von der Leyen und Merkel. Denn deren Grundhaltung und ihre daraus resultierende Politik nimmt ja unmittelbar Einfluss auf mich und mein Leben. Und deshalb ist es bei den beiden im Gegensatz zu Beyonce von erheblichem Interesse, ob sie eine dezidiert feministische Agenda haben oder nicht (weshalb ich mir bei deren Amtseinfährung übrigens nicht mal ein winzig-minzig-kleines Loch in den Bauch gefreut habe). 

penni-dreyer

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