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Fernfahrer-Kolumne (IX): Grenzverkehr mit der schönen Frau Chen (für viel Geld)

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Auf der Straße nach Süden, äh, Ägypten Fotos: Patrick Desbrosses Auf der Welt gibt es viele Länder. Und weil es davon viele gibt, muss es – ist ja klar – dazwischen Grenzen geben. An denen haben wir uns ein wenig aufgehalten. Um aus Jordanien raus und nach Ägypten rein zu kommen. Um dazwischen einen Blitzbesuch in Israel zu machen. Dauert nicht mal eine Stunde, spart Geld für die Fähre. Und schraubt unsere Länderbilanz um ein weiteres nach oben. Die Stacheldraht-Zäune um den Streifen Niemandsland zwischen Jordanien und Israel sind nicht zu übersehen. Die Grenzstation schon. Hat man sie nach fünf Runden „Großer Preis von Aqaba“ gefunden, ist alles ganz einfach. Wir sind keine Anfänger mehr. Dem filzenden Beamten noch kurz erklären, dass Tampons nur für „Madame“ sind und dass Kondome schützen. Dann weg. Eine im Schritttempo gerollte Minute später: Die Grenzstation von Israel. Die coolen MG-Schützen in Zivil gucken lieber angestrengt durch ihre Sonnenbrillen, als dass sie zurückgrüßen. Dann halt nicht. Kurz hinter ihnen: Müssen wir den guten, grauen Bus ausräumen. Komplett, bis auf den letzten Kugelschreiber. Die israelischen Grenzbeamten helfen so lange mit Plastiksäcken aus, bis alles, was wir drei Leute in sieben Wochen in den Bus hinein gestopft haben, auf sechs Flughafen-Rollwagerl gepackt ist, die dann wie der Bus durchleuchtet werden. Die Ladung eines weiteren Rollwagerls wird in die herumstehenden Mülleimer verteilt. Angebrochene Kekspackungen aus Ungarn und so.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Dem Baumstieger sein Reise-T-Shirt für die arabischen Länder. Geschenkt bekommen. Aber, ganz ehrlich: nicht so oft angehabt. Fotos: Patrick Desbrosses Dann Marathon-Befragung bei der Frau Chen, die ihre Fragen nur ganz, ganz leise gegen die schusssichere Verglasung ihres Schalters haucht. Frau Chen ist sehr jung und auch sehr schön, was nach drei Wochen in Ländern mit verschleierten Frauen natürlich auffällt. Hier ein – bezogen auf die Gesamtdauer des Verhörs – sehr kurzer und übersetzter Auszug: Die schöne Frau Chen: Was haben Sie in Syrien gemacht? Ich: Urlaub. Die schöne Frau Chen: Warum gerade dort? Ich: Äh. Die schöne Frau Chen: Also? Ich: Wir fahren von Deutschland nach Kairo. Die schöne Frau Chen: Was wollen Sie in Israel? Ich: Nichts. Durchfahren. Nach Ägypten. Blick zur Seite. Patrick versucht gerade am Nachbarschalter zu erklären, warum er mehr als eine E-mail-Adresse hat. Der Depp. Die schöne Frau Chen: Wie lange waren Sie in Syrien? Ich: So zehn Tage. Die schöne Frau Chen: Sie wissen das nicht genau? Ich: Nein. Müsste ich in meinem Pass nachschauen. Die schöne Frau Chen: Bitte. Also? Ich: Zehn Tage. Die schöne Frau Chen: Sie können Arabisch lesen? Ich: Ja. Die schöne Frau Chen: Warum? Ich: Ja, so halt. Die schöne Frau Chen: So halt? Ich: Ja. Die schöne Frau Chen: Ihre Handynummer? Ich: Plus-four-nine-one-seven-sechs… Die schöne Frau Chen: What? Oh Gott. Wie peinlich. Ins Deutsche zurückgefallen. Freudscher Versprecher? Sechs, das klingt ja wie „Sex“! So etwas zur schönen Frau Chen sagen! Ich: Ähh. Hm. Sorry, I wanted to say six. Die schöne Frau Chen schaut ganz böse. Die schöne Frau Chen: Was wollen Sie in Israel? Ich: Nichts. Nur durchfahren. Die schöne Frau Chen: Wie lange möchten Sie in Israel bleiben? Ich: Gar nicht lange. Nur durchfahren nach Ägypten. 30 Minuten. Die schöne Frau Chen: Wie hieß ihr Großvater? Ich: Welcher? Die schöne Frau Chen: Egal. Ich: Harald. Harald Uhlig. Die schöne Frau Chen: Was wollen Sie in Israel? Ich: Immer noch nichts. Nur Durchfahren. Nach Ägypten. Die schöne Frau Chen: Und der andere? Ich: Patrick will auch nur durchfahren. Die schöne Frau Chen: Großvater! Ich: Baumstieger. Wie ich. Die schöne Frau Chen: Vorname? Ich: Oh. Wie hieß der gleich noch mal? Nicki-Opa halt. Aber mit Vornamen? Scheiß Verhör, hier. Nicki Opa, Nicki Opa. Was mit „M“, wie ich. Und der Name klang französisch, kam ja aus dem Elsas. Maurice? Nee, so heiße ja ich auf Französisch. Marcel? Auch nicht, da war doch was mit meinem Vornamen. Max und Moritz oder so. Ja, genau! Max! Oder? Klingt gar nicht französisch. Auch egal. Ich: Max! Die schöne Frau Chen: Was wollen Sie in Israel? Ich: Nee! Marcel! Die schöne Frau Chen: Max-Marcel also. Ich: Hm. Ja. Die schöne Frau Chen: Gut. Bitte warten Sie dort zehn Minuten. Wie lange zehn Minuten sein können – und wie viel Wasser man währenddessen um die Wette trinken kann: Auf der nächsten Seite.


Zweieinhalb Stunden später waren die zehn Minuten vorüber. Das hat mich etwas geärgert, denn das waren genau zwanzig Minuten zu wenig, um den Wasserspender der Grenzstation ganz auszutrinken. Stattdessen: Musste ich zusammen mit dem Spatzerl und Foto-Patrick den guten, grauen Bus wieder einräumen. So richtig ordentlich. Die schöne Frau Chen hatte uns trotz der zehnmaligen Nachfrage, wie lange wir den in Israel bleiben wollen, ein Visum für drei Monate in den Pass gestempelt. Verlockend, schade eigentlich. Aber wir müssenwollen weiter, zum Sinai. Wir kommen dann ein anderes Mal, ok? Der Mossad hat ja jetzt meine E-Mail-Adresse und die schöne Frau Chen meine Telefonnummer, da können wir was ausmachen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Gestatten: Der gute, graue Bus. Nur in Arabisch, mit neuen Nummernschildern. Fotos: Patrick Desbrosses 15 Kilometer weiter, am Grenzübergang nach Ägypten, lässt es sich auch gut aushalten. Weitere fünf Stunden, um genau zu sein. Denn dort muss man: - Gepäck noch mal durchleuchten lassen. Aber nur die Koffer, der Rest darf im Bus bleiben. - Die Grenzbeamten überreden, dass sie Foto-Patrick nicht sein Messer wegnehmen. Klappt. - Ihnen erklären, dass man zu komischen Quadern gepresste Olivenseife aus Syrien nicht rauchen kann und sich auch keine Bomben daraus basteln lassen. - Pässe stempeln lassen. - Anschließend warten. Ramadan. Der für den guten, grauen Bus zuständige Zollbeamte muss erst essen. Klar, hat Hunger. - Dann zwölf verschiedene Dokumente je drei Mal kopieren. Geht nicht an der Grenze, da haben sie keinen Kopierer. - Also: Zu Fuß nach Ägypten einreisen und zum Hotel Hilton laufen. In den Personaleingang geschickt werden, vom Manager geschimpft werden, weil man keinen Dienstausweis trägt. Nächstes Mal besser kein hellblaues Hemd zu schwarzer Hose anziehen. - Von einem nettem Mann im hellblauen Hemd und schwarzer Hose zum Empfang gebracht werden, wo ein anderer Mann im hellblauen Hemd und schwarzer Hose die Dokumente kopiert. - Zurück zum Zoll. Zweieinhalb Stunden mit dem Beamten streiten. Der will nur eine Versicherung für einen Monat für den guten, grauen Bus rausrücken, obwohl die für drei Monate genauso viel kostet. Weil ich bisher nur ein Visum für einen Monat habe. Als der Beamte die von mir immer wiederholten Sätze irgendwann für mich beenden kann: Aufgeben. Es ist elf Uhr nachts. - Den Beamten zugucken, wie sie 40 Minuten nach der Chassis-Nummer im Bus suchen. Was ist das? - Nummernschilder mit schicken arabischen Zahlen aufgeschraubt bekommen. Weg. - Mal kurz die Kosten des Tages zusammenrechnen und erschrecken: Noch in Jordanien, in der ägyptischen Botschaft: Drei Mal Visum, 36 Dinar. = 45 Euro Ausreisesteuer Jordanien: Drei Mal fünf Dinar = 18, 45 Euro Border Tax Israel: Drei Mal 74 Schekel = 39 Euro Zoll für den guten, grauen Bus Ägypten: 515 Pfund = 64,37 Euro Arabische Nummernschilder für den guten, grauen Bus: 55 Pfund = 8 Euro Versicherung für den guten, grauen Bus: 512 Pfund = 64 Euro „Service-Tax“ Ägypten, fürs Kontrollieren: 161 Pfund = 21,46 Euro ------------------------------------------------------------------------------ Macht mal eben: 258,94 Euro. Egal. Wir haben`s ja.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Nein, kein Bildschirmschoner. Ist echt. Fotos: Patrick Desbrosses Am Sinai angekommen, wird der Bus abgestellt. Jetzt werden keine Grenzen mehr überquert. Sondern Fische im Roten Meer angeguckt. Das ist gut: Die Fische haben nicht mehr zu tun, als schön auszuschauen und wir haben nicht mehr zu tun, als die Fische schön anzuschauen. Sieht genauso aus wie bei diesen „Tropenfische vor Korallenriff“-Bildschirmschonern. Nur, dass man ab und zu Salzwasser verschluckt und auf dem Rücken einen Sonnenbrand bekommt. Wenn deshalb die Unterwasserwelt verlassen wird: Gar, gar, gar nichts tun. Im äußerst feinen „Rock Sea“-Camp von Ricarda und Michael aus dem Münsterland im Schatten von Bambushütten herumliegen. Pfannenkuchen essen und nach sieben Wochen die erste Postkarte schreiben. Wer tagsüber mehr als 100 Schritte macht, der wird erschossen. Und auf der nächsten Seite für die Fans vom Foto-Patrick: Wie der Baumstieger Buddie ausschaut, wenns ihm nass reingeht - und wie, wenn er mit dem Spatzerl im Bett liegt.


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Bambushütte, später (nach Pfannkuchengenuss) Fotos: Patrick Desbrosses

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Nasser Baumstieger Fotos: Patrick Desbrosses

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