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DJ Paul van Dyk im Interview: "Es fühlt sich nicht wie Arbeit an"

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In Stellenanzeigen wird von Bewerbern so einiges verlangt: Teamfähig sollen sie sein, flexibel und zuverlässig. Doch wie wichtig sind Schlüsselqualifikationen im Job wirklich? Wir fragen bekannte Persönlichkeiten. Folge 9: DJ und Produzent Paul van Dyk über Mobilität. jetzt.de: Eine unfassbare Statistik sagt, dass du im Jahr 2006 insgesamt 792 Stunden im Flugzeug verbracht hast und 16 Mal um die Welt geflogen bist. Hat sich das inzwischen geändert? Paul van Dyk: Nein, wenn man sich die Zahl meiner Gigs ansieht, ist die Tendenz sogar steigend. Eigentlich ist es schon seit Mitte der Neunziger ziemlich krass, aber erst in den letzten zehn Jahren hat sich das ganze auf ein extremes Level hochgeschraubt. Trotzdem bin ich da nicht der einzige. Ich kriege ja mit, dass es eine ganze Menge an Ingenieuren gibt, die auch wahnsinnig viel unterwegs sind. Die reparieren heute eine Anlage in Rio und sind am nächsten Tag schon wieder ganz woanders. Deine vielen Flugmeilen zeugen von einer enormen Mobilität. Warum ist Mobilität im heutigen Berufsleben zu einer so wichtigen Schlüsselqualifikation geworden? Es gibt ja zwei Formen von Mobilität. Erstens, wenn man an einen Produktionsstandort gebunden ist, weil ein Produkt zum Beispiel nur in einer bestimmten Fabrikhalle hergestellt wird. In diesem Fall wird von einem Hamburger Arbeitnehmer die Bereitschaft erwartet, für den entsprechenden Job nach München zu ziehen. Die zweite Form von Mobilität ist, wenn ich in einem Unternehmen arbeite, das global tätig ist. Dann muss ich bereit sein, meine Kunden auf der ganzen Welt zu besuchen, daher permanent unterwegs und immer auf Abruf verfügbar zu sein.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Paul van Dyk, 37, ist einer der bekanntesten und erfolgreichsten DJs und Musikproduzenten der Welt. Demnächst veröffentlicht er sein erstes Best-Of-Album, das den Titel "Volume" trägt. Trifft letzterer Fall auch auf deinen Job als Musiker und DJ zu? Ja, weil elektronische Musik eine der globalsten Jugendkulturen überhaupt ist. Ich habe auf der ganzen Welt ein Publikum, das natürlich nicht geschlossen zu mir nach Berlin reisen kann. Deshalb muss ich eben selbst zu meinem Publikum kommen. Bei all der beruflichen Mobilität: Wünscht du dir manchmal mehr Konstanz in deinem Leben, ein echtes Zuhause etwa? Es gibt ja ganz klare Konstanten in meinem Leben: das sind meine Frau und meine Freunde. Für mich ist Zuhause kein geographischer Ort, sondern überall dort, wo meine Frau und meine Freunde sind. Mit meiner Frau bin ich ja schon seit 1994 zusammen, das ist in meiner Branche auch nicht so üblich. Reist deine Frau immer mit dir? Sie ist sehr häufig mit dabei, weil sie auch für Kommunikation und Marketing zuständig und deswegen ein wichtiger Teil meines Berufs ist. Aber natürlich ist mir auch privat sehr wichtig, dass meine Frau so oft wie möglich dabei ist. Und dann gibt es noch so kleinere Spinnereien von Konstanz: Ich versuche, immer auf dem selben Platz im Flugzeug zu sitzen und nach Möglichkeit in einem Hotelzimmer zu schlafen, das ich schon kenne. Es ist eben schön, wenn ich auch im Halbschlaf zum Klo finde, ohne zu stürzen. Auf der nächsten Seite erzählt Paul van Dyk, warum ihn das Reisen häufig nervt und weshalb er seinen Job trotzdem liebt.


Wenn du der Mobilität im Job so viel opferst, kannst du dann im Privatleben überhaupt noch richtig spontan sein? Spontan bin ich auf jeden Fall. Das hat ja nichts mit Trägheit zu tun, wenn man nach einem harten Arbeitstag lieber mal zuhause bleibt. Wenn wir nach vier Wochen Tour zurückkommen, dann bestellen wir uns meistens etwas zu essen oder kochen zusammen - anstatt gleich wieder rauszugehen. Aber wenn dann plötzlich ein Freund anruft und sagt: Schön, dass ihr wieder da seid, kommt doch vorbei, dann können wir auch spontan genug sein, um nochmal aufzuspringen. Empfindest du diese ständige Verfügbarkeit als Stress? Der Prozess des Reisens ist natürlich extrem nervig. Der Luftverkehr hat zugenommen, die Flughäfen werden immer voller, die Verspätungen werden immer mehr. Und seit 9/11 sind die Sicherheitsvorkehrungen ja auch noch viel schlimmer geworden. Kann man sich an all das gewöhnen? Gewöhnen ist das verkehrte Wort. Es ist eher so, dass man eine gewisse Routine entwickelt. Ich drehe nicht gleich durch, wenn ich einen Anschlussflug verpasse. Bei all den Erfahrungen, die man als Vielflieger macht, ist man sehr viel relaxter, als jemand, der nur einmal im Jahr in den Urlaub fliegt. 792 Stunden Flug klingen nach 792 Stunden verschenkter Zeit. Wenn ich im Flugzeug nicht schlafe, dann ist das Reisen verschenkte Zeit, klar. Auf der anderen Seite ist da aber das Ankommen, das Kennenlernen von neuen Orten, Personen und Kulturen. Das ist etwas ganz Tolles. Was schätzt du daran? Wenn ich zum Beispiel Nachrichten gucke, dann kenne ich fast immer auch die Situation hinter der Kamera, weil ich an fast jedem Ort schon einmal gewesen bin. Ich war zum Beispiel schon oft in Bangkok, kenne die politische Situation und weiß daher sehr gut, was dort gerade passiert. Man entwickelt zu vielen Orten einen ganz individuellen und persönlichen Bezug. Welchen Stellenwert hat die Arbeit in deinem Leben? Der Übergang zwischen Leidenschaft und Beruf ist in meinem Fall fließend. Es fühlt sich einerseits nie wie ein Job an, andererseits hat fast alles was ich tue irgendwie mit Arbeit zu tun. Es ist eben kein Job, zu dem man morgens hin und abends wieder heim geht. Wäre das nicht manchmal angenehmer? Die Musik ist nun mal ein ganz wichtiger Bestandteil meines Lebens. Auf der Bühne zu stehen und mit der Musik das Publikum zu suchen, das gehört da ganz klar dazu. Aber da es sich nie wie Arbeit anfühlt, bin ich auch leistungsfähiger als ich es möglicherweise in einem Job wäre, der mir keinen Spaß macht. Abgesehen von der Mobilität: Was muss man im Job noch mitbringen, um erfolgreich zu sein? Auch wenn es ein blödes Wort ist: Disziplin. Wenn ich am nächsten Tag eine wichtige Präsentation oder in meinem Fall einen Gig habe, dann kann ich nicht am Abend vorher feiern gehen oder lange ausbleiben. Das wird nicht funktionieren. Alle bisher veröffentlichten Folgen der Jobkolumne findet ihr hier.

Text: andreas-glas - Foto: we do

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