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Das Brummi-Lied

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Heute: Das Brummi-Lied

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Darum geht’s: Wir sind Deutschland? Von wegen. Wir sind Rolf Zuckowski. Der Sohn eines Seemanns und einer Frisörin war in den prägenden Jahren unserer Kindheit ständig bei uns – egal ob im Chor, im Musikunterricht oder auf Kassette. Einige Beispiele: „Zebrastreifen, Zebrastreifen, mancher wird dich nie begreifen“ – so haben wir uns mit Rolf und seinen Freunden singend und pfeifend über alle lustig gemacht, die sich in der Verkehrsschule zu dumm angestellt haben. Fast jedes Jahr erschallte zusätzlich zum amerikanisch-imperialistischen „Happy Birthday“ und dem lahmen „Viel Glück und viel Segen“ zum Glück auch das famose Wie schön, dass du geboren bist. Und selbst, wenn alle frei und nackidei durch die Gegend laufen, ist Onkel Rolf immer irgendwie dabei: Lieder für alle Lebenslagen. Der seriöse Mann mit dem graumelierten Haar hat es eben faustdick hinter den Ohren. Nackt oder angezogen, Herr Zuckowski war immer für uns da – auch wenn Papa uns wieder mal allein gelassen hatte. „Papa hat dich ganz doll lieb“, hat der Rolli uns dann immer ins Ohr geflüstert. „Er wäre total gern bei dir, sogar die ganze Zeit. Doch weil dein Vater so ein toller Hecht ist, darf er einen großen, dicken Brummi auf der Autobahn fahren. Das ist wichtig für das Land und die Welt und die Menschheit.“ Dann hat Rolf das Brummi-Lied für uns gesungen. Warum wir dieses Lied gesungen haben: LKW-Fahrer waren für uns die coolsten Menschen, die es gab. Tag und Nacht auf der Straße des Abenteuers unterwegs. Dabei einen riesigen Hubraum unter dem Hintern. Und die ganzen Zylinder erst. Die Fracht: gefährliches Nitroglycerin, das beim ersten Fahrfehler in die Luft gehen könnte. Oder auch bergeweise Spielzeug, das schleunigst zu vernachlässigten Waisenkindern gebracht werden muss. Eine Mission, die keine Unterbrechung duldet. Niemals waschen. Niemals Zähneputzen. Immer dem Horizont entgegen. Heute wissen wir: Papa ist gar kein LKW-Fahrer. Er ist Bürokaufmann und heftet manchmal richtig spannende Dinge ab. Außerdem ist er zuständig für den Einkauf der Briefmarken für die ganze Abteilung. Damit ist er besser dran, als wenn er auf der Straße arbeiten müsste. Denn wer einen Brummi lenkt, wird unverschämt schlecht bezahlt. Brummis transportieren keinen Sprengstoff oder andere hübsche Sachen. Oft transportieren sie Tiere, tot oder lebendig. Das einzig Abenteuerliche am Beruf des LKW-Fahrers ist die Scheinselbstständigkeit. Wer lächeln möchte, sollte Zähne putzen. Nackidei ist ein fürchterlich verklemmtes Wort. Nackt ist wunderbar, nicht nur als Wort. Wir wollen Rolf Zuckowski weder nackt noch nackidei sehen. So doll lieb hat Papa uns in Wahrheit gar nicht, oder vielleicht doch? Text, der genauso gut zur Melodie passt: Werbesong für die brandneue, hippe und jugendnahe Sex-Aufklärungskampagne des Gesundheitsministeriums: „Ich zeig dir meinen großen, dicken Brummi. Darüber ziehst du mir dann einen Gummi. Und dann staunst du und sagst: „Geiler Mann, schön, dass es endlich losgehen kann.“

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