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Hätt’ ich dich heut’ erwartet, hätt’ ich Kuchen da

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Heute: „Hätt’ ich dich heut’ erwartet, hätt’ ich Kuchen da“ Darum geht’s: Die Macher der „Sesamstraße“ sind Musikgenies. Neben legendären Beatles-Coverversionen wie „Auf dem grün-gelben U-Boot leben wir“ („Yellow Submarine“) und „Im Garten eines Kraken“ („Octopus’s garden“) ist „Hätt’ ich dich heut erwartet“ einer der schönsten und erfolgreichsten Sesamstraßen-Hits. Das Thema: der unangekündigte Besuch. Ein Schulfreund, ein Bekannter, ein Schwippschwager, die Großtante oder auch das Krümelmonster schauen unangemeldet vorbei. Was für ein Hallo! Schade, dass wir heute ausnahmsweise mal keine dreistöckige Torte gezimmert haben! Dafür haben wir vielleicht eine Burg aus Tausenden Legosteinen gebaut oder eine Höhle aus Altpapierresten gebastelt. Doch wenn man davon etwas isst, bekommt man leicht Magenschmerzen. Was nun, Herr Bäcker?

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Warum wir dieses Lied gesungen haben: Das waren noch Zeiten, als wir viereinhalb Jahre alt waren! Wir waren verknallt in die „Sesamstraße“: Mehr liebten wir nur Mutti und vielleicht noch die galaktische Galaktika aus „Hallo Spencer“. Weil „Hätt’ ich dich heut’ erwartet“ so groovte, haben wir sobald es ertönte – wie echte Rockstars – das Oberteil unseres Kinderschlafanzugs ausgezogen und hopsten wie wild auf dem Sofa rum. Oma behauptet, wir hätten in unserer Ekstase gelegentlich noch mehr ausgezogen. Aber solange das nicht zweifelsfrei mit Videoaufnahmen bewiesen worden ist, streiten wir alles ab. Zum Glück waren unsere Eltern zu geizig für eine Kamera… Kuchen und unangemeldete Gäste liebten wir auch – jedenfalls wenn sie nicht zu trocken waren (Kuchen), Geschenke mitbrachten (Gäste) oder mit Schokolade überzogen waren (Kuchen, Gäste). Heute wissen wir: Menschen, die ohne Vorankündigung zu Besuch kommen, sind unverschämt. Denn es geht ihnen um nichts anderes als zu sehen, wie viele benutzte Unterhosen, dreckige Socken und halbleere Bierflaschen bei uns auf dem Fußboden stehen, weil wir drei Wochen lang nicht aufgeräumt haben. Dann entdecken sie selbstverständlich noch die Pornos neben unserem DVD-Player und fragen scheinheilig: „Da liegen auffällig viele benutzte Taschentücher im Papierkorb. Hast du einen üblen Schnupfen?“ Eigentlich würden wir unangemeldeten Besuchern gern die Tür vor der Nase zu knallen. Dafür sind wir aber zu gut erzogen worden. Deshalb sagen wir mit höchst ironischem Unterton: „Hätt’ ich dich heut’ erwartet, hätt’ ich Kuchen da“. Hätten wir eine Journalisten-Schule besucht, wüssten wir, dass Ironie fast immer unverstanden bleibt. Schon drängt sich der Besuch in unsere Wohnung. Wir könnten ihn natürlich mit einer halbvollen Whisky-Flasche erschlagen und die Leiche unter dem Bett verstecken. Doch das erscheint uns unhygienisch. Zumal wir ahnen, dass unter dem Bett noch poröse Kondome und Lakritzschnecken liegen. Da bleibt uns nur noch zu hoffen, dass der Eindringling bald wieder geht. Text, der genauso gut zur Melodie passt: „Hätt’ ich dich heut’ erwartet, wäre ich nicht da – ich nicht da“ Illustration: Daniela Pass

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