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Kinderlieder neu gehört: What Shall We Do With a Drunken Sailor

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Heute: What Shall We Do With a Drunken Sailor Darum geht’s: Entgegen der vollkommen irreführenden Darstellung von Musiklehrern handelt es sich bei dem Song nicht um einen Shanty, sondern um eine der ersten historisch überlieferten Gebrauchsanweisungen. Da Papier in früheren Jahrhunderten Mangelware war und nur ein Teil der Bevölkerung lesen konnte, war es üblich, Gebrauchsanweisungen mündlich weiterzugeben. Thema der Anleitung: Was tun, wenn der kürzlich auf der Auktion im Hafen ersteigerte Seemann zu oft betrunken ist? Empfohlen wird eine mehrstufige Intensivbehandlung, wobei der Seemann zunächst ins Beiboot geschleudert und dort ordentlich durchgeschleudert wird. Danach bestreichen wir ihn mit Senf, rasieren seinen Bauch mit einem rostigen Rasiermesser, lassen ihn den Mast hochklettern und herunterfallen – bis wir ihn schließlich zur Tochter des Kapitäns ins Bett legen. Nichts von alledem macht den Seemann nüchtern. Doch immerhin kann er uns auf diese Weise ein bisschen unterhalten, wenn er schon zu betrunken ist, um das Deck penibel mit seiner Zahnbürste zu säubern.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Illustration: Daniela Pass Warum wir dieses Lied gesungen haben: Frank war schuld. Denn Frank kannte ein Würfelspiel mit so komplizierten Regeln, dass wir sie nie komplett verstanden haben. Das war auch egal. Denn im Kern besagten die Regeln nur, dass bei fast jeder gewürfelten Zahl irgendwer irgendetwas Alkoholisches trinken musste: so schnell und alkoholisch wie möglich. Das fanden wir lustig mit 17 oder wie alt wir gerade waren – die genauen Koordinaten unseres Lebens hatten wir an den betreffenden Abenden meist bald vergessen. Dafür haben wir nach dem Würfelspiel noch ein Kartenspiel um Kleidungsstücke gespielt. Und dann (weil sich alles so schön drehte) ein Drehspiel. Auf wen die Flasche zeigte, der musste etwas machen, was nur Flaschen machen. Kleidungsstücke am falschen Körperteil tragen, zum Beispiel. Oder auch in der sechsten Klasse gelernte Lieder aus der Mundorgel vorsingen. Spielschulden sind Ehrenschulden. Deshalb haben wir frühmorgens vor einer johlenden Horde gleichaltriger Jungs und Mädchen „What Shall We Do With a Drunken Sailor?“ gelallt und geschallt. Wenigstens ersparten uns die anderen die Peinlichkeit, dabei ganz nackt zu sein. Erlaubten sie uns doch großzügig, unsere Unterhose überm Kopf zu tragen. Heute wissen wir: Es ist altmodisch, Seeleute bei der Auktion im Hafen zu ersteigern – wozu gibt es eBay? Einen betrunkenen Seemann bestreicht man nicht mit Senf, sondern mit Remoulade. Nicht alles war früher schlechter: Denn würden Gebrauchsanweisungen auch heute noch gesungen und nicht gedruckt, könnte dies ein Beitrag zum Schutz der natürlichen Ressourcen sein. Wer bei Trinkspielen einmal auf die Verliererstraße gerät, hat keine Chance mehr. Wer singt, sollte allein aus Gründen der Akustik keine Unterhose über den Kopf ziehen – außer vielleicht, er singt „You Can Leave Your Hat On“. Nie wieder Würfel-, Karten- und Drehspiele, nie wieder! Nie wieder! Wenigstens nicht vorm nächsten Vollrausch. Der Satz „Spielschulden sind Ehrenschulden“ hat viel Unglück über die Menschheit gebracht. Text, der genauso gut zur Melodie passt: What shall we do with a naked tailor? What shall we do with a naked tailor? What shall we do with a naked tailor? Early in the morning.

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