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Regenbogenforelle und Liebeskummer

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Diese Woche hat sich jetzt-User golden_platitudes die Mütze des Kosmoskochs aufgesetzt. 

Montag

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Heut‘ ist es wider Erwarten sehr warm, fast Sommer. Ich habe noch nichts gegessen, Hunger verspüre ich zwar noch immer nicht, aber dieses maue Übelkeitsgefühl, das sich Weg bahnt, wenn man mal eben zu lang nichts gegessen hat. Eine Ahnung vom kommenden Schwindel. Die Idee, den Kosmos in das ganze Elend eines Ein-Personen-ein-Chinchilla-Männerhaushalts im Rahmen einer „Dosensuppenwoche“ zu entführen, ist trotzdem schnell wieder fallen gelassen, weil das ja auch nur unfreiwillige Werbung für schlechtes Essen vom Discounter wär‘. Und nicht sonderlich gut. Für mich. Von den Gazetten lacht Amy Winehouse heute noch ein letztes Mal, und ich weiß wieder genau, wo ich mich vor einem Jahr befand. Daher bleibt auch die einzig vorhandene Bihunsuppe für den Notfall nur im Schrank. Einkaufen müsste ich eh‘, und auch wenn ich für mich selbst sonst nicht sonderlich aufwendig koch‘, ist dies mir ein Ansporn. 
Gekocht wird dann pseudoasiatisch – trotz nicht anwesender Asiaten oder Zutaten, die sonderlich danach klingen – nach einem Rezept, was ich noch nicht lang verwend‘, aber angenehm leicht von der Hand geht. Zumal ganz stilecht im Wok. Chinesische Nudelsuppe nennt sich das dann. Dazu gibt’s Mineralwasser vom Discounter. Der bleibt ungenannt. Später läuft ein Amy-Winehouse-Konzert ausgerechnet im Kultur-und-Intelligenzbeförderungsprogramm RTL2, ich trinke Rum mit Wasser verdünnt, klaube klamme Reste aus dem Wok und staune: Monkey Man. Wie oft hört der durchschnittliche RTL2-Seher wohl einen Specials-Song? In seinem Leben?

Dienstag

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

 
Ohne Kopf, aber mit dem festen Vorsatz das mir selbst auferlegte Abstinenzgebot fürderhin einzuhalten, trinke ich Maracujalimonade. Die stammt laut Etikett aus den wild weithin sprudelnden Waldquellen Thüringens, also gleich um’s Eck. Gegessen habe ich aber schon woanders: Reudnitz, auch um’s Eck, im Leipziger Osten, bei meiner Schwester und ihrem Anhang. Aber da war ich selbst nur Lieferant für die restliche Hähnchenbrust vom Vortag. Das Geschnetzelte mit Pilzen und Reis hat sie in Alleinküchenherrschaft hergestellt. Die Jungs hingegen waren zuständig für die Auswahl des Films. Dazu gab‘s mit Sirup versetztes Mineralwasser. Und während wir dann schon bei Essen sind, schauen wir dem Herrn Glööckler zu, wie er etwa Hundekuchen kauft und, später dann, selber kocht und aus einer wirklich riesigen Schublade, die augenscheinlich nur solche Produkte umfasst, eine Fertigmischung für seine überbackenen Nudeln zieht: Nein, das finden wir alles nicht gut.

Mittwoch

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Es ist heiß, und ich habe keinen Hunger. Ich bin verliebt. Und habe Kummer. Das heißt, die Küche bleibt heut‘ kalt, heut‘ gibt es Selbstzweifel und Menschenfleisch. Na ja, statt mich habe ich der Gemütslage und Stimmung entsprechend dann Tomaten zerfleischt, und hübsch ihre Köpfchen skalpiert. Eine Übung ohne wirkliche Leidenschaft. Aber um vorbereitet zu sein, falls der Besuch, der sich womöglich für morgen angesagt hat, etwas vorgesetzt kriegt, was nicht ganz so stümperhaft aussieht. Laut Rezept soll in die Füllung frische Minze mit rein, aber die habe ich nicht. Hackfleisch mit Minze, das klingt in meiner Vorstellung schon falsch. Ich habe frischen Pfefferminztee. Also, beschließe ich, trinke ich jetzt einen Pfefferminztee und lass‘ die Füllung Füllung sein.

Donnerstag

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Weil auch andere ab und an so ihre kleinen Neurosen haben, muss ich punktgenau am Kino sein. Der Besuch und auch das Revanchekochen bei mir fällt damit aus. Dafür haben wir dann noch eine ganze halbe Stunde Zeit. Ich bin amüsiert und schon satt, weil ich dann einfach allein gegessen hab‘: Allerdings nicht die gefüllten Tomaten, wie am Vortag geplant, sondern etwas ähnlich Unspektakuläres, wenn man es macht, aber einen Riesenaufwand suggeriert und auch nach was aussieht. Richtige Blenderküche. Zudem man auf so einem Schaschlik-Spieß allerlei Liegengebliebenes aus dem Kühlschrank aufreihen kann, Stichwort: Resteverwertung. Da die Hühnerbrust schon bei meiner Schwester niedergemetzelt wurde, gibt es gerollten Schinken als Fleischersatz. Dazu einen flugs improvisierten Salat: mit Kräuteressig aus der Senfmetropole Bautzen und auch noch vorgefundenen Schafskäseresten. Dann muss ich auch schon los, und weil manche Leute einfach mal eine noch größere Macke haben, nimmt man uns im Kino keine Handfeuerwaffen, sondern nur die mitgebrachten Getränke ab. Sprich, getrunken habe ich nichts, auch die Club Mate nicht, die’s trotz und angeblich gewünschter Taschenkontrolle mit in den Saal geschafft hat. Kino ist nicht der Ort, wo ich essen oder trinken will. Da will ich staunen.

Freitag

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Heute die Abteilung wirklich minimaler Aufwand: Aus dem Tiefkühlfach die Regenbogenforellen gefischt, ein bisschen Dill, ein bisschen Zitronenabrieb, Zwiebelringe und eine Knoblauchzehe in das Bäuchlein gesteckt, gesalzen und gepfeffert. Zusammen mit dem bisschen Gemüse, was noch da war. Dazu gibt es, wie in den beiden Tagen zuvor, dann Brot und – da ich nicht eingekauft habe – Wasser, Marke Rohrperle. Normalerweise ess‘ ich das dann direkt aus der Pfanne, aber wir wissen ja, was sich gehört. Wer die Haut mitessen mag, bestäubt das Ganze vorher noch mit Mehl. Dann wird die schön kross. Und wer sich nicht ganz dumm anstellt, kann das Innenleben darin auch ohne die bahnbrechende Erkenntnis, dass Fisch Gräten enthält, verzehren. NB. Ach ja, neben dem Fakt, dass mein Vater irgendwann den Mythos erfunden hat, er habe während seiner Kindheit so viele Nudeln in der Suppe gehabt, dass er sie heute nicht mehr essen mag. Was, gemessen an seiner Lebenszeit, allerdings längst dazu geführt haben müsste, dass er – wie ich, gemessen an meiner Lebenszeit, – Kartoffeln längst wieder über haben und bereit sein müsste, für ein Wunderland namens Sättigungsbeilage mit Reis, (Böhmischen) Knödeln, Teigwaren aller Art oder einfach Brot. Neben diesem Fakt, erwähne ich noch, dass die Bilder ab sofort dann nicht mehr am Abend entstehen: Es ist Ende des Monats, meine Eltern sind am Wochenende Mittagesser, und ich bin arm und darum für die restlichen zwei Tage Mittagmitesser und Beikoch.

Samstag

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Vorführeffekt: Wie verabredet, stehen mein Vater und ich in meiner Wohnung vor dem Wasserkasten meiner Toilette, der, wie verabredet, plötzlich wieder schließt, und da rein gar nichts mehr grund- und nutzlos gen Orkus rauscht. Daher fahren wir unverrichteter Dinge raus auf’s nordsächsische Tiefland. Und weil ich mir zuletzt Soljanka für den nächsten Besuch gewünscht habe, gibt es einmarinierten Hering. Alternativ, als ob das eine Wahl wäre, wenn man ein Mal zugesehen und gerochen hat, wie diese zubereitet werden, stehen noch Nierchen auf dem Tisch. Ich winke dankend ab. Zwei Mal. Zermatsche die im Elternhaus obligatorischen Kartoffeln mit etwas Marinade, dazu gibt es Spiegelei und Bilder der Eröffnungsfeier der Olympischen Sommerspiele, die ich gestern verpasst hab‘. Man stelle sich etwa Angela Merkel Fallschirm springend mit Daniel Craig aus einem Flugzeug vor. Geht gar nicht mit deutschem Politikerpersonal. Die kann ich mir nicht als Teil, sondern nur mehr als Objekt eines Witzes vorstellen. Die Idee der Briten, dann den ollen Paul mal wieder sein altes Nana-na-na-na aufwärmen zu lassen, ist dagegen schon wieder semioriginell. Oder, um mal im Jargon der Woche zu bleiben, für mich könnte da jetzt auch ein altes Stück Fleisch vor dem Piano sitzen. Origineller war da schon die Idee, die im Vorfeld als Pressemittteilung grassierte, man wollte Keith Moon für die Spiele gewinnen. Das wäre mal ein Comeback gewesen, ein echter Knüller.

Sonntag

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Es ist noch so viel Sport, wir kommen förmlich gar nicht mehr hoch von der Couch. Immerhin, die Kosmoskochwoche nähert sich nun der Ziellinie, der gefühlt wochenendliche Essmarathon indes endet meist aber erst in oder mit einem Tatort. Und während im Olympia-Übertragungswirrwarr sich grad‘ die Damen beim Schwimmen in ihren Bahnen auf den 400 Meter im Freistil abmühen, erheben wir uns doch kurz einmal: Zum Zwischenstopp bis es auf dem Hungaroring das letzte Formel 1-Rennen vor der Sommerpause geben wird. Da das Frühstück komplett auf meine Kappe ging, halt‘ ich mich mal dezent im Hintergrund, was das heutige Gericht angeht. Selbst, als der vorgeblichen Exotik und Abwechslung wegen, doch tatsächlich zur Tütenmischung gegriffen wird. Böses Foul. Aber auch, weil doch tatsächlich Nudeln zusätzlich zu den, wie erwartet, wieder dominierenden Salzkartoffeln serviert werden. Wie auch der obligatorische Die-Gurken-müssen-weg-Salat oder so langweiliges Gemüse wie Blumenkohl. Egal, macht nichts, weil die Schweinemedaillons und die Pfeffersauce kommen gut und machen das schon wett. Fair Play, wir geben uns zufrieden.



Welchen Stellenwert hat Essen in deinem Leben?
Um ehrlich zu sein: Ich habe mich schon ein wenig ertappt gefühlt, als instant_coffee_baby mich hier vorgeschlagen hat. Sie kennt Bilder aus dem Blog, wo ich ab und an was notiere, das in der Küche geklappt hat, vor allem, um es genau dort wiederzufinden. Weil, wie wir alle wissen: Das Netz vergisst nie, und ist ein besserer Ort als das Chaos handschriftlicher Aufzeichnungen. Aber ich schweife ab, das ist nicht der Punkt. Weil: wenn ich in der Küche zaubere, wie sie meinte, – im Grunde aber dilettiere ich da, wie im Leben ja auch, nur fröhlich vor mich hin –, dann in den seltensten Fällen nur für mich allein. Fast gar nicht. Das ist es mir dann einfach nicht wert. Zumal ich beim Essen, auch wenn man mir das nicht ansieht, jetzt auch nicht so den Genuss empfinde. Ich kenn‘ zwar auch Heißhungerattacken, aber das hat dann eben eher etwas Hunger (von mir aus auch Durst) angesichts einer gewissen (inneren) Leere zu tun, nicht mit Appetit oder gar Genuss. Woran ich dann eher Freude hab‘ ist eher der soziale Aspekt am Kochen: etwas für andere zu tun. Das ist in etwa so, wie wenn man jemanden seine liebste Otis Redding-Single vorspielt (oder etwas von James Carr): Dieses wissende Ist gut, nicht?!-Grinsen dann. Versteht man das? Und dann gibt es ja auch noch den Moment des Miteinander-Zusammen-Essens an sich, als Vehikel des Beisammenseins.

Was ist dir beim Essen oder Essen-Einkaufen besonders wichtig?
Im Moment: Dass am Ende was im Portemonnaie über bleibt. Ganz offen. Allein zu leben ist eben auch ein Luxus, es ist teuer. Auch wenn das immer mehr tun, wie es neulich hieß, und der Handel darauf reagiere. Bla bla. Er tut es mit überteuerten Kleinstprodukten von Wellness- und feel good-Zeugs, das ich nicht brauch‘: Melonen-Stückchen, eingeparkt unter Plaste? Wer hat das alles schon angepackt? Und warum ist alles immer und über in Plaste eingeschlagen? Und kaufe ich normal ein, habe ich zumeist zu große Portionen, und es gibt die ganze Woche Variationen von…: schon ein Suppengemüsepack, die ich oft kaufe, um nicht einen ganzen Packen Möhren für meinen nagenden Mitbewohner zu haben, steht da in keinem Verhältnis. Ja, ich jammere auf hohem Niveau. Und ich erwähne mit Absicht und ganz pflichtbewusst die Labels Bio, Veggie und Fair Trade hier nicht, weil sie für mich nur das sind und ich an diese nicht glaube. Das ist moderner Ablasshandel, feel good, feel better. Damit ist gar nichts geändert, noch gewonnen. Man eröffnet für die Lebensmittelproduzenten nur ein weiteres Marktsegment. Das diese sich eben bezahlen lassen.

Erinnerst du dich, wann du zum ersten Mal für dich selbst gekocht hast und wer dir das Kochen beigebracht hat?
Für mich bestimmt nicht. Allenfalls, um was auszuprobieren. Und ganz bestimmt nicht nach einer dieser Fernsehshows, die gefühlt den gesamten öffentlich-rechtlichen Fernsehnachmittag bestreiten. Oder besser: lahm legen. Weil: da lernt man rein gar nichts. Da sieht man absurderweise Laien um die Wette kochen, und am Ende spielt sich dann der, der das eigentliche Wissen hat und vielleicht vermitteln sollte, nur mehr als grundobjektiver Juror auf. Es geht nicht mehr darum, gut zu kochen, nein, es braucht den Komparativ, man muss besser kochen. Und nicht mit-, sondern gegeneinander. Auch mit Kochmütze muss man Compätishn machen. Klar. Oder, sind wir schon beim privatfernsehlichen Elend: Durch fremde Buden stapfen, um dort treudoof und voyeuristisch zugleich in die Schubladen zu linsen. Und dann weiß ich außer vielleicht, dass Fisch am Ende glasig sein soll und Fleisch rosa, am besten noch blutig gegart, rein gar nichts über die genauen Rezepte, noch die Zubereitung. Und was ist, wenn mir mein Fleisch nun mal ganz tot gebraten einfach besser schmeckt? Na ja, was man vielleicht auch merkt: Ich komme ursprünglich aus einem Handwerkerclan, studiere aber in eine ganz andere Richtung, vielleicht ist es auch das, was mich für das Kochen einnimmt: das Haptische, Handwerkliche, das Fingerspiel. Es ist ein Können, und ich find‘ es auch immer albern oder auch traurig, wenn grad‘ Männer dem immer etwas hilflos gegenüber stehen. Und dann etwa angeblich keine Kartoffel schälen können. Es muss doch gar nicht superprofessionell sein, aber doch auch nicht die Fertigtütenmischung. Aber selbst die kriegt ja mancher nicht mal hin. Mein liebstes Kochbuch ist noch eins aus Zonen-Selbstversorger-Zeiten: Wir kochen gut. Eine kleine, übrigens ganz klassisch rot eingebundene Fibel, in der man noch lernt, wie man etwa einem Kaninchen das Fell abzieht. Das finde ich im Ansatz wichtiger als alles Bio-Gehabe, allein schon das Bewusstsein, dat Kotelett hing mal an einem Tier dran, und dieses ist, wenn man es schon tötet, dann auch möglichst ganzheitlich zu verwerten, statt sich nur die besten Stücken unter einem verbraucherfreundlichen und -gewissensberuhigenden Label herauszupicken.

Was war dein Lieblingsessen als Kind?
Ha ha, jetzt wird’s widerlich. Das war so eine Art Keksbrei. Aus Muckefuck, einem Malzkaffee bzw. in der DDR Aus-was-auch-immer-Kaffee-Ersatz, und der realsozialistischen Entsprechung von dem, was man heute wohl gemeinhin Prinzenrolle nennt – also einem Doppelkeks, gefüllt mit Schokolade. Das vermisse ich echt. Wie auch das Vanille-Eis am Stiel, woraus oder aus welchem Ersatz auch das nun wieder bestand. Das war prägend. Ich trinke noch heute Kaffee nur mit Wasser verdünnt. Und die erste Enttäuschung des noch besseren Westens neben des Eindrucks der schier erdrückenden Überfülle eines banalen Kaufhauses war, wenn ich mich recht entsinne, dieser Kinderkaffee mit C und der Ich mag…-Lied-Reklame. Den mochte ich trotz des Ich mag…-Lieds dann so gar nicht. Direkt wieder ausgespuckt. Fürchterlich.

Was ist dein aktuelles Lieblingsessen?
Kann ich nicht nennen. Ich bin gut im Vermeiden. Akkumuliere gern negative Erfahrungen. Da vergisst man nicht, was gut ist, sondern nimmt es kaum noch mehr wahr. Das hat mich schon in die Hölle der Depression (für Kenner und die, die das goutieren: bei mir plus Allgemeine Angststörung) geführt, bis hin zu einer stationären Psychotherapie im letzten Jahr. Da gehörte es auch dazu, dass wir nicht etwa nur (wieder) lernten, regelmäßig zu essen, sondern auch zusammen. Wovon ich nun wieder sagen kann: Gerade das mag ich. Zusammen zu essen. Das Was ist dann schon wieder beiläufig und Beiwerk. Ich sehe Menschen aus irgendeinem Grund auch sehr gern dabei zu, etwa wenn man zu Fuß eine Stadt nebeneinander herlaufend erkundet, und der oder die Andere noch schnell was verputzt. Früher schwang da meinerseits bestimmt auch so eine Art Befangenheit mit, in der Öffentlichkeit zu essen, eine Faszination, dass jemand das einfach so kann; heute bin ich meist zu sehr von Menschen oder Situationen eingenommen, um dann auch noch zu essen. Ha, mir fällt grad‘ doch noch was ein: Neulich habe ich mir von Muttern gewünscht, ob sie nicht mal wieder Soljanka kochen kann, wenn ich zu Besuch bin. Weil ich die nicht kann, sie nie so hinkriege, wie sie sie macht. Das Resultat ist ja bekannt.

Was magst du gar nicht?
Vegetarier. Die sind immer so zäh. Und entwickeln irgend zwangsläufig immer so einen missionarischen Eifer. Aber Scherz beiseite, was ich wirklich nicht so mag, ist grad‘ dieser typisch deutsche Kram. Weder Kartoffeln, noch Spargel haben’s mir angetan. Oder Rosenkohl. Und Innereien sind definitiv auch nicht meins. Sowas wie Piepen (Flecke) genießt der kleine Jesus am Jüngsten Tag mit all seinen satanischen Freunden. Rindfleisch geht spätestens seit BSE überhaupt rein gar nicht mehr, aber ich hege auch schon, wenn ich sie nicht essen muss, keine großen Sympathien für diese Tiere. Auch Puter haben bei mir keine wirkliche Lobby. Etwas, das man verzehrt, sollte schon so intelligent wie ein Schwein sein. ah, und Skandal: Ich mag nichts Süßes. Weil ich es auch nicht vertrag‘. Mag aber auch an meinem Alters-Diabetes-spritzenden Paps liegen. Was mir vermutlich auch blüht. Oder an den Erzählungen von Oma, seiner Mutter, noch mit Glaskanülen und dem Auskochen derselben damals, in der DDR und unter heißem Wasser.

Mittags warm und abends kalt, oder andersrum?
Morgens nichts, nur Kaffee. Das habe ich mir nach der Therapie am schnellsten wieder angewöhnt. Ich habe da einfach noch keinen Hunger. Mittags ist mitten am Tag, da is(s)t man meist unterwegs, etwa in der Bibliothek, also esse ich, wenn überhaupt, eher am Abend (warm).

Wo isst du am liebsten – am Tisch oder auf dem Sofa?
Mangels Sofa und nur einem vollgepackten Schreibtisch: Lümmele ich zumeist auf meinem Bett (Aber-es-ist-doch-auch-ne-Couch-!!) oder ganz profan auf dem Boden. Manchmal auch gleich im Stehen. Weil: Männer können das.

Was trinkst du zum Essen?
Der abstinente, aber immer noch recht zornige junge Mann in mir möchte grad‘ ein wenig höhnisch zurück fragen: Ach, trinkt man zum Essen? Aber er verkneift sich das. Ich trinke Wasser! Ich trinke immerzu Wasser! Und nach dem Essen gern auch Kaffee. Hier ist Sachsen. (vgl. ders. Titel, Grebe, Rainald, Stichwort: Klimawandel, Kaffeeplantagen.)

Wie oft gehst du auswärts essen und hast du ein Lieblingsrestaurant?
Selten. Das ist einfach eine Geldsache. Wenn ich für mich allein unterwegs bin, dann vielleicht mal ein Fast-Food-Schuppen. Aber die meist auch nur, weil es auf Bahnhöfen prinzipiell keine Wartesäle mehr gibt, weil das ohne Prestige und schlicht nicht rentabel ist, man aber beim Warten auf den ersten Zug, etwa nach einem Konzert, eben einen warmen Ort sucht. Sind wir Geringverdiener unter uns, geht’s ab und an auch mal an einen Stand (Dönertag!) oder in ein’s der unzähligen kleinen asiatischen Restaurants, die‘s hier zuhauf an jeder Ecke gibt und die relativ günstig sind. Die sind fast immer in vietnamesischer Hand, noch die alte Verbindung zum alten realsozialistischen Bruderstaat, die sich hier jetzt in der Kleinstgastronomie durchschlagen und den Dönerbuden Konkurrenz machen. Ansonsten sind’s eher die Anlässe in Familie, Papa zahlt, die leidigen Diskussionen, weil der’s lieber gut deutsch und allzu gutbürgerlich mag, man selber aber, wenn man schon mal Essen geht, eben alles außer das will. Zuletzt hat uns das hier in der Stadt, glaube ich, zu einem Ungarn geführt. Das war ein guter Kompromiss. Bei meiner Schwester um die Ecke gibt es auch einen kleinen Italiener, die irrsinnig große Pizzen machen, aber aus einem Hauch von Teig.

Was isst du, wenn es schnell gehen muss?
Es geht immer schnell. Ich koche sonst auch nicht so viel, zumindest für mich allein. Da reicht oft’ne Schnitte in der Woche. Oder Nudeln und eine einfache Sauce. Aber vielleicht ist das auch eine Krankheit meines Fachs. Ein Bekannter, der ähnliche Studienwege beschritten hat, schrieb‘ mir neulich über sein ärmlich-hedonistisches Dasein jetzt: Zigaretten, Wein, Bücher. Streiche die Tabakwaren, ersetze sie durch Konzerte und Kino, und ich finde die Dinge, die auch mir Genuss bereiten. Essen ist da erst mal sehr weit weg, nur sekundär, man tut es, weil man muss, einen sonst der Schwindel befällt. Es ist das nur Notwendige. Wie Atmen.

Was war das aufwendigste Gericht deines Lebens?
Das waren Teigtaschen. Ich weiß nicht mehr, ob ein Rezept polnischer oder russischer Herkunft. Keine Ahnung, wie die hießen. Auf jeden Fall schmeckten sie dann missraten und irgendwie fehl am Platz in der Suppe. Alles was in Richtung Teig oder gar Backen geht ist aber sowieso Alchemie. Generell und auch ohne solche Beilagen finde ich so manche Suppe hat mitunter mehr Aufwand, als ein Stück Fleisch in eine Pfanne zu packen und dort zu parken: all die Schnippelei. Aber nach Aufwand geht es ja auch nicht beim anschließenden Essen. Oder sollte es zumindest nicht gehen.

Hast du ein Standard-Gericht, wenn Freunde oder Eltern zu Besuch kommen?
Früher habe ich zu solchen Anlässen relativ oft Thunfischsteaks, ganz einfach mit Reis und Gemüse, gemacht. Aber die bekommt man jetzt schon gar nicht mehr. Schon deshalb müssen wir die Meere retten, weil die Tiere, die daraus komm‘, ja so gut schmecken. ähm, ja, ich muss also kurz überlegen, was jetzt: … Kartoffelsuppe. (Wobei die auch aus einer ordentlichen Packung Lauch, Möhren und Sellerie besteht. Die kann ich für mich allein, zum Beispiel, gar nicht kochen. Das wird dann unverhältnismäßig. Zumindest, wenn ich dann nicht tagelang davon essen möchte.) Ansonsten: Nudelsalat oder Königsberger Klopse gehen einem auch leicht von der Hand.

Welchen Jetzt-User oder -Redakteur möchtest du als Kosmoskoch sehen?
Keine Ahnung, das war vermutlich grad‘ die längste Reflexion, die ich je auf’s Essen verwandt hab‘. Ich würd‘ den Kelch daher dann gern an einen Mann weiter geben, weil da die Gefahr hübscher Fotos von allzu viel Grünzeugs, die mich an mir und meinem Lebensstil noch weiter zweifeln lassen, dann vielleicht geringer ist. Vielleicht interessiert mich nach so viel Nabelschau auch einfach eine andere (männliche) Sicht. Wie’s ein anderer so macht und seinen Alltag strukturiert, weil da bin ich wohl manchmal nicht so gut und eher unbedarft, in der Sorge für und um mich selbst. hmm, daher schlage ich, und zwar aus dem Blauen, die User no_twist oder noplacespecial vor. Weil die bestimmt auch essen. Letzterer sogar in derselben Stadt.

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