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Merve will mit ihrem Podcast Muslim*innen eine Stimme geben

Merve will mit ihrem Podcast vor allem diejenigen erreichen, denen der Islam noch fremd ist.
Foto: privat

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Einen Islam zeigen, der vielfältig ist – und vor allem: frei von Klischees. Das möchte die 24-jährige Stuttgarterin Merve Kayikci mit ihrem Podcast „Maschallah“ künftig erreichen, einem der ersten Podcasts speziell, aber nicht nur für Muslim*innen. Ihr Plan: ganz unterschiedliche Muslim*innen einladen und mit ihnen reden. Ein bisschen über Gott. Vor allem aber über: die Welt. Im Herbst soll der Podcast starten.

Ihre eigene Meinung teilt Merve schon lange mit der Öffentlichkeit. Seit 2013 betreibt sie ihren Blog „Primamuslima“. Dort schreibt sie über Kunst genauso wie über Feminismus und politische Debatten. Es gibt kaum ein Thema, zu dem sie nichts zu sagen hat. Sie wird zu Podiumsdiskussionen eingeladen und hat zum Beispiel im Juni auf dem evangelischen Kirchentag in Dortmund gesprochen. Auf Twitter folgen ihr mehr als 5000 Menschen. Doch das reicht ihr nicht: „Ich habe auf meinem Blog immer sehr viel über meine eigene Meinung geschrieben, aber irgendwann hat man dann zu allem schon seinen Senf dazu gegeben“, erzählt Merve am Telefon. Die 24-Jährige spricht leise, aber sehr bestimmt. Sie wünscht sich, dass nicht nur ihre eigene Perspektive gehört wird. Sondern auch die vieler anderer muslimischer Menschen aus Deutschland.

Der Podcast soll den Alltag von Muslim*innen in Deutschland beleuchten

Dieser Wunsch erfüllt sich jetzt. Beim Wettbewerb „Originals gesucht“ von Deezer und der re:publica Berlin hat sie mit ihrem Projekt „Maschallah“ den ersten Platz erreicht und wird nun bei der Produktion des Podcasts unterstützt. Die Bewerbung sei ganz spontan gewesen, sagt Merve. Ihre Freundin Katrin Rönicke hatte sie auf den Wettbewerb aufmerksam gemacht. Sie hat Erfahrung mit Podcasts und wird vor allem produzieren, Merve ist für den Inhalt verantwortlich. Sehr schnell stampften die beiden ein Konzept aus dem Boden: „Wir haben das mit dem Handy aufgenommen und nachts noch alles zusammengeschnitten.“ Dass sie gewinnen würden, hätten die beiden nie gedacht. „Das hat mich so überrascht.“

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Katrin Rönicke und Merve Kayikci.

Foto: Deezer/Republica

Wichtig ist ihr, im Podcast nicht nur über Themen zu sprechen, die immer wieder diskutiert werden, wie zum Beispiel das Kopftuch. Vielmehr solle es um den Alltag von Muslim*innen in Deutschland gehen. Dafür möchte sie ganz verschiedene Menschen einladen: einen Politiker oder eine Politikerin, eine Veganerin, einen Professor. „Muslime sind Ärzte, Anwälte und Aktivisten – und das hat nichts mit ihrem Glauben zu tun. ‚Maschallah‘ soll kein theologischer Podcast sein, sondern einer, der sich mit dem Alltag der Menschen beschäftigt.“ Oft werde von Muslim*innen nicht erwartet, dass sie außerhalb ihres Glaubens eine eigene Meinung haben könnten, sagt Merve. „Dabei können wir Kapitalisten sein, Hippies, patriotisch, alles Mögliche.“

Dafür ist Merve jetzt umso motivierter. Dass der Podcast eine Herzensangelegenheit ist, hört man ihr an. Die 24-Jährige studierte Journalismus in Stuttgart, schrieb unter anderem für Spiegel Online und Politico. Im vergangenen Jahr machte sie eine Weiterbildung zur EU-Korrespondentin, arbeitete zum Beispiel in Irland, den Niederlanden und Dänemark. Eines überraschte sie dort besonders: „Im Ausland wurde ich immer als Deutsche wahrgenommen. In Deutschland bin ich immer diejenige mit Migrationshintergrund.“

Oft würden Muslim*innen von oben bewertet, sagt Merve

Der Islam, sagt Merve, sei vielen Menschen in Deutschland noch immer fremd und ein bisschen unheimlich. Aus diesem Grund richte sich ihr Podcast vor allem auch an Nicht-Muslim*innen: „Ich will Menschen erreichen, die mit dem Islam normalerweise nicht in Berührung kommen.“

Oft würden Muslim*innen von oben bewertet und in die Gruppen „Guter Muslim“ und „Schlechter Muslim“ eingeteilt. Vor allem nervt Merve, dass in vielen Debatten viele Nicht-Muslim*innen und wenige Muslim*innen zu Wort kommen. „Es stört mich, dass sich zum Beispiel immer wieder Nicht-Muslime zum Kopftuchverbot äußern und sich dafür oder dagegen aussprechen, nach dem Motto einer Umfrage: ‚Wir fänden Sie es, wenn Ihre Lehrerin Kopftuch tragen würde?‘“, sagt Merve und die Wut ist der 24-Jährigen deutlich anzuhören. Es sei entwürdigend, so über Menschen zu sprechen, die selbst gleichberechtigt an Diskussionen teilnehmen können.

„Maschallah“ soll ermöglichen, dass Muslim*innen selbst zu Wort kommen und nicht, wie so häufig, über sie gesprochen und geschrieben wird. „Es gibt wenige Medienformate, die von Muslimen sind und die Muslime einbeziehen. Das möchte ich ändern“, sagt Merve. Sie selbst erlebe immer wieder, dass ihr zum Beispiel von Journalist*innen stereotype und auch sehr private Fragen gestellt würden wie: „Ist es nicht schade, dass du nicht deine Haare zeigen kannst?“ Oder ganz direkt: „Kannst du mir deine Haare nicht mal zeigen?“

Der Podcast-Name „Maschallah“ könnte übrigens passender nicht sein, um Merves Vorfreude und ihre Hoffnungen zu beschreiben: Der arabische Ausruf lässt sich mit „Wie Gott wollte“ oder „Wie es Gott beliebte“ übersetzen. In der Kurzform kann er auch „großartig“ bedeuten. Das Logo ihres Blogs „Primamuslima“ – eine Zitrone – ist ebenso bewusst gewählt: „Zitronen sind frisch, spritzig, sauer, exotisch und sie gehören trotzdem hierher“, begründet Merve ihre Entscheidung.

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