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Ich habe den Verdacht depressiv zu sein- was soll ich tun?

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Jeder hat mal einen schlechten Tag. Jeder hat mal eine schlechte Woche, manchmal sogar einen schlechten Monat. Das kommt vor und das nennt man dann Pech und wenn es vorüber ist nennt man es eine „schlechte Phase“. Manchmal gehen solche Phasen aber nicht mehr einfach so vorüber.    

Als ich zum ersten Mal depressiv war, wusste ich nicht, dass das jetzt eine Depression ist. Ich bin nicht eines Morgens aufgewacht und wusste: Aha, ich habe seit Wochen schlecht geschlafen, mein Appetit ist verringert, ich empfinde kaum Freude an Dingen, die mir früher Spaß gemacht haben, das ist jetzt bestimmt eine Depression.    

„Die meisten Menschen haben oft nur einen geringen Bezug zu sich selbst. Sie wissen daher die körperlichen und seelischen Symptome nicht wirklich einzuschätzen und können sich daher oft selbst nicht verstehen. Leider führt das oft dazu, dass Patienten zu lange und oft unnötig leiden“, erklärt Diplom Psychologin und Psychologische Psychotherapeutin Susan Michaelsen. Es hat viele Woche gedauert, bis ich gemerkt habe: Irgendetwas stimmt nicht und das, was da nicht stimmt liegt nicht am Wetter und nicht an den Umständen und nicht daran, dass zu wenig Geld auf dem Konto ist, sondern an mir. Wer also den Verdacht hat, an einer Depression zu leiden, hat verschiedene Möglichkeiten.  

Zunächst einmal ist es wichtig, darüber zu reden. Reden ist die Sache, die genau dann am schwersten fällt und die so ziemlich als letztes auf der Liste der Dinge steht, zu denen man dann noch Lust hat. Trotzdem ist es wichtig, sich jemanden zu suchen, dem man genug Verstand, Toleranz und Freundlichkeit zutraut, dass man sich ihm anvertrauen und ihn um Hilfe bitten kann. Gute Ratgeber sind zum Beispiel Freunde, die schon einmal Ähnliches erlebt haben.    

„Die meisten Menschen haben Probleme damit sich zu öffnen, sich mitzuteilen und zu einem Problem zu stehen, deshalb ziehen sich depressive Patienten oft zurück. Es entsteht so ein Teufelskreis aus Scham und Schuld. Um dieses destruktiven Gedankenkarussell und die innere Anspannung zu mildern, behandeln sich viele Depressive mit vielfältigen Drogen“, erklärt Michaelsen. Nachdem ich irgendwann nur noch zum Zigaretten und Schnaps kaufen die Wohnung verlassen habe, wurde mir klar: Das geht so nicht weiter. Das mit dem Schnaps und das mit dem Rausgehen. Dass ich ein Problem hatte, war mir klar. Und dass dieses Problem vielleicht „Depression“ heißen könnte, auch. Ich hatte darüber gesprochen, ich hatte darüber gelesen, aber trotzdem saß ich in meiner Wohnung und starrte die Decke an.    

Der wichtigste Schritt bei dem Verdacht depressiv zu sein ist also, zu einem Arzt zu gehen. Das kann ein Hausarzt, ein Neurologe, ein Psychiater oder ein Frauenarzt sein. Ganz egal.  „Viele Menschen wenden sich in dieser für sie schwierigen Lebenssituation an ihren Arzt, manche öffnen sich Freunden oder suchen durch Artikel in Printmedien einen Psychologischen Psychotherapeuten auf“, erklärt Michaelsen.    

Als ich zum ersten Mal bei meiner Hausärztin saß und ihr von meinem Verdacht erzählte bekam ich einen Heulkrampf, einen Überweisungsschein und das erste Antidepressiva meines Lebens. Ich kann nicht sagen, dass das meine Rettung war, aber es war das einzig richtige, denn „es ist grundsätzlich wichtig sich selbst ernst zu nehmen, damit man depressive Symptome frühzeitig als solche erkennen und als Erkrankung einordnen kann. Eine Depression ist zwar eine stark einschränkende Beeinträchtigung, dennoch ist die Erkrankung heilbar und macht die meisten Menschen nach ihrer Bewältigung oft sogar kraftvoller“, so Michaelsen.    

Kathrin Weßling ist 25 Jahre alt und hat jedes Monster unter dem Bett und im Kopf einzeln gezählt – Eine Ausstellung der gefangenen Exemplare wird in Kürze zu sehen sein.       Fünf Tipps, die du bei einem Verdacht auf Depression beachten solltest  

1. Sprich mit jemandem darüber. Egal ob mit deiner besten Freundin, deinem Vater oder deinem Hausarzt. Wichtig ist, dass du mit den Monstern im Kopf nicht alleine bleibst und das Muster deiner Raufasertapete auswendig lernst, in der Hoffnung, dass Einsamkeit die Lösung bringt. Isolation ist das genaue Gegenteil von Lösung.    

2. Mach dir keine Vorwürfe. Depressionen sind kein Versagen. Depressionen sind keine Fünf in Mathe und keine persönliche Niederlage, sondern eine Krankheit, bei der dir geholfen werden kann und die man mithilfe eines Arztes, einer Therapie und mit Medikamenten behandeln kann.   

3. Geh raus. Meistens werden dein Bett, dein Fernseher und der Bringdienst zu deinen besten Freunden, aber das sind genau die Art Freunde, die du gerade am wenigsten gebrauchen kannst. Was du besser gebrauchen kannst: Frische Luft, Tageslicht, Natur und das Gefühl, dich weiter als von deinem Bett bis zum Kühlschrank und zurück bewegen zu können.   

4. Warte nicht ab. Depressionen sind kein Schnupfen, der von alleine wieder weggeht. In den meisten fällen verschwindet eine Depression nicht einfach so, sondern verschlimmert sich noch. Also: je früher du dir helfen lässt, desto früher geht es dir auch wieder besser. 

5. Und zu guter Letzt: Schnaps hilft vielleicht bei Liebeskummer, aber nicht bei einer Depression. Alkohol und Drogen machen die Sache meistens noch schlimmer und wirken eher wie Brandbeschleuniger auf dem Grill deiner sowieso schon überforderten Synapsen.

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