Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Ich möchte eine Therapie machen. Wie geht das?

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Ich war Mitte zwanzig, als ich wirklich nicht mehr weiter wusste. Die Beziehung mit meinem Freund, den ich über alles geliebt hatte, war gerade in die Brüche gegangen. Das Schlimme daran: Ich war selbst schuld! Die Liebe, die er für mich empfand, war mir irgendwie zu viel. Ich konnte sie nicht gut ertragen. Um vor der erdrückenden Last seiner Gefühle zu fliehen, begann ich Affären. Es gab Streit, wir trennten uns. Doch sobald er nicht mehr bei mir war, vermisste ich ihn wie verrückt und wollte ihn zurück. Lange Zeit gab er immer wieder nach und verzieh mir – nur um den Teufelskreis wieder von vorne zu beginnen. Über Jahre hinweg ging das so. Solange bis wir beide nicht mehr konnten. Als es irgendwann endgültig vorbei war, die Liebe tot und aufgebraucht, von all den Schmerzen, die wir uns zugefügt hatten und ich in ein tiefes Loch stützte, kam mir zum ersten Mal der Gedanke, eine Therapie zu machen. Vielleicht, so dachte ich, muss das ja nicht für immer so weiter gehen.

„Der Wunsch eine Therapie machen zu wollen, aus welchen Gründen auch immer, ist die beste Rechtfertigung, das auch wirklich zu tun", sagt Angelika Rothkegel. Sie ist Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche und Dozentin an der Akademie für Psychoanalyse und Psychotherapie in München. Nur wer einen gewissen Leidensdruck empfinde, sei auch wirklich bereit seelische Probleme anzugehen. Eine Therapie die nicht freiwillig gemacht werde, sei meist wenig erfolgversprechend, so die Therapeutin. „Oft ist es ein langer Weg, bis man den Wunsch auch in die Realität umsetzt", berichtet sie. „Aber dann braucht man diese Zeit."

Mein „Leidensdruck" war groß genug. So viel war klar. Wo ich allerdings einen passenden Therapeuten finden sollte, war mir schleierhaft.

 „Am besten man sucht nach einem niedergelassenen Therapeuten mit eigener Praxis und Kassenzulassung", rät die Expertin. „Denn nur bei diesen wird die Behandlung von der Kasse bezahlt." Die Kassenärztliche Vereinigung führt eine Liste mit Therapeuten, die aktuell freie Plätze zu vergeben haben. Auch die Berufsverbände der einzelnen Bundesländer geben Auskunft. Grundsätzlich gilt: Bis zum 18. Lebensjahr sind Kinder- und Jugendtherapeuten die richtigen Ansprechpartner. Ab 18 darf und ab 21 Jahren muss man einen Therapeuten für Erwachsene aufsuchen.

„Die ersten fünf Sitzungen gelten als so genannte probatorische Sitzungen", erklärt Rothkegel. Sie sind dazu da, um gemeinsam mit dem Therapeuten zu klären, um welches Problem es sich handelt, welche Behandlung geeignet ist und ob Therapeut und Patient überhaupt zusammenpassen. „Wichtig ist, dass man sich bei einem Therapeuten wohl und verstanden fühlt und den Wunsch hat, gemeinsam eine Lösung zu finden", sagt Rothkegel. Weil die ersten fünf Sitzungen noch nicht als Behandlung gelten, übernimmt die Kasse diese auch mehrfach.

Die gesetzliche Krankenkasse übernimmt drei Arten von Therapien: Die Verhaltenstherapie, eine Kurztherapie, die in erster Linie darauf ausgerichtet ist, mit einem Tick oder einer Angst im Alltag besser umgehen zu können. Die tiefenpsychologische Therapie, die in der Regel etwa 25 Sitzungen umfasst und etwa sechs Monate in Anspruch nimmt. Auch hier geht es meist darum, ein konkretes Problem in den Griff zu bekommen. Und schließlich, die analytische Therapie, die umfassendste aller Therapieformen. „Diese Therapieform bietet am meisten Raum, die inneren Konflikte, die hinter einem Problem stehen, zu verstehen und zu bearbeiten", erklärt Rothkegel. Eine solche Behandlung kann bis zu drei Jahre dauern.

Als ich mich zum ersten Mal mit dem Thema befasste, hat mich das alles ganz schön abgeschreckt. „Eine Therapie? Ich? Bin ich denn verrückt?", dachte ich immer wieder.

Rothkegel kennt solche Vorurteile und sie gibt zu bedenken: „Gesünder ist ja nicht unbedingt der, der sich nicht behandeln lässt." Im Gegenteil: „Sich der eignen Probleme anzunehmen und professionelle Hilfe zu suchen, hat etwas sehr Gesundes."

Marlene Halser, 35 Jahre, war drei Jahre lang in Therapie und sagt heute: „Das war die am sinnvollsten investierte Zeit meines Lebens."


Fünf Tipps um den passenden Therapeuten zu finden: 1. Eine Therapie sollte man nur dann beginnen, wenn man selbst den Wunsch danach verspürt. Sonst sind die Erfolgsaussichten gering. Ist dieser Wunsch aber da, ist das zugleich der beste Grund, diesem Wunsch auch wirklich nachzugeben. 2. Bis zum 18. Lebensjahr ist der Kinder- und Jugendtherapeut zuständig. Ab 18 Jahren darf, ab 21 Jahren muss man einen Therapeuten für Erwachsene aufsuchen. 3. Die Kassenärztliche Vereinigung und die verschiedenen Therapeutenverbände der einzelnen Bundesländer verfügen über Listen mit Therapeuten, die aktuell einen Platz zu vergeben haben. 4. Nur Therapeuten mit einer Kassenzulassung werden von der Krankenkasse bezahlt. Die ersten fünf Sitzungen gelten jedoch nicht als Behandlung und können deshalb auch mehrfach, bei verschiedenen Therapeuten wahrgenommen werden. Auszuprobieren, wer zu einem passt, ist also möglich. 5. Auf das eigene Gefühl vertrauen: Das sagt einem meist sehr genau, ob man bei einem Therapeuten an der richtigen Adresse ist.

  • teilen
  • schließen