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Wie schütze ich mich vor einem Burnout-Syndrom?

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Meine Arbeitswoche hat sieben Tage. Nicht nur ab und zu, sondern fast immer. Will ich sonntags mal frei haben, muss ich mich selbst dazu zwingen, muss mir mit großen, fetten Buchstaben das Wort FREI in den Kalender schreiben. Nicht selten erwische ich mich wenig später dabei, wie ich das Wort bei der ersten Anfrage leichtfertig durchstreiche und stattdessen einen Termin auf der Kalenderseite vermerke.

Als freischaffende Journalistin bin ich mein eigener Boss. Und weil Aufträge etwas sind, über das ich mich freue, nehme ich sie an, so gut ich kann und versuche so viele zu erledigen, wie irgendmöglich. Klar, dass mich das auf Dauer ganz schön schafft, auch wenn ich meine Arbeit sehr gerne mag. Zeit für Hobbies und Freunde bleibt da oft nicht viel. Ich fühle mich überlastet. Das merke ich zum Beispiel daran, dass ich in letzter Zeit ziemlich häufig in den falschen Bus oder in die verkehrte U-Bahn steige. Einfach so, weil ich mit meinen Gedanken ganz woanders bin – nämlich bei einem von meinen Projekten.

An manchen Tagen fühle ich mich schon nach dem Aufstehen abgeschlagen und müde, obwohl ich die ganze Nacht geschlafen habe und wenn ich mal früh ins Bett gehen will, wälze ich mich schlaflos in den Laken. Leide ich vielleicht an den ersten Anzeichen eines Burnout-Syndroms? Denn dieses Phänomen scheint ja im Moment fast jeder zu haben. Warum nicht also auch ich?

„Burnout ist eine regelrechte Epidemie", sagt Milly Pfleiderer, Therapeutin für Psychotherapie nach dem Heilpraktikergesetz, die schon zahlreiche Fälle von Burnout behandelt hat. „Es kann über jeden kommen: Ärzte, Lehrer, Banker, aber auch Arbeitslose und Hausfrauen." Die Erschöpfungs-Depression, wie Burnout auch bezeichnet wird, ist ein vielschichtiges Phänomen. Meist äußert es sich dadurch, dass man trotz hohen Anforderungen und Stress plötzlich nicht mehr so viel leisten kann, wie gewohnt. Betroffene sind unkonzentriert und unmotiviert, fühlen sich müde trotz ausreichend Schlaf, vergessen Termine und machen häufig Flüchtigkeitsfehler. Auch Schwindel, Angstzustände oder Depressionen können auf ein beginnendes Burnout-Syndrom hinweisen.„Burnout hat immer etwas mit Stress und dem Gefühl zu tun, einer Aufgabe nicht mehr gewachsen zu sein, oder Anforderungen nicht mehr bewältigen zu können", erklärt Pfleiderer.

Jedoch müsse man positiven von negativem Stress unterscheiden. „Stress kann etwas sehr Positives, Beflügelndes sein", sagt sie. „Eine Untersuchung zeigte zum Beispiel, dass Nonnen so gut wie nie an Burnout leiden, weil ihre Arbeit einem höheren Ziel folgt." Besonders gefährdet seien dagegen perfektionistisch veranlagte Menschen, die zusätzlich zu großen Stress auch noch das Gefühl hätten, dass ihre Arbeit nicht ausreichend wertgeschätzt wird. „Das können Kränkungen am Arbeitsplatz sein", sagt Pfleiderer, „zu geringe Bezahlung, das Gefühl, dass man über den eigenen Arbeitsablauf nicht selbst bestimmen kann, oder die Tatsache, dass man bei Beförderungen immer wieder übergangen wird."

Um einem Burnout-Syndrom gezielt vorzubeugen, ist Zufriedenheit mit dem eigenen Leben das entscheidende Moment. „Egal, wie gut man seine Arbeit machen will und wie hoch die Anforderungen auch sein mögen, ein angemessener Ausgleich zur Arbeit ist unerlässlich", sagt Pfleiderer. „Man muss sich selbst Grenzen setzten und diese auch selbst respektieren." Schon scheinbar banale Dinge können helfen. Dazu gehört, sich mindestens einen, besser zwei Tag pro Woche frei zu nehmen, ausreichend Zeit mit Freunden zu verbringen, statt die eigenen Sozialkontakte auf die Kollegen zu beschränken und die Zeit für Sport und Hobbies nicht allzu leichtfertig für vermeintlich wichtigere Arbeitstermine dreinzugeben.

„Wir brauchen Zeit für uns, die keinen Zweck dient, so genannte leere Zeit", sagt Pfleiderer. „Zeit, in der wir machen können, wonach uns in dem Moment gerade ist." Auch allzu großen Perfektionismus sieht die Psychotherapeutin kritisch: „Wer seine Aufgaben mit 80 Prozent Energie macht, liefert meist immer noch eine solide Arbeit ab", sagt sie. „Einhundert oder gar hundertfünfzig Prozent kann niemand auf Dauer leisten."

Die Antwort von Marlene Halser, 33 Jahre, die sich fest vorgenommen hat, endlich mal öfter nichts zu tun – morgen vielleicht, oder am besten nächste Woche.

Fünf Tipps, um sich gegen ein Burnout-Syndrom zu schützen:

1. Mindestens einen, besser zwei Tage pro Woche keine Arbeit einplanen. Erholungsphasen sind unerlässlich. Besonders wichtig ist Zeit, die nicht verplant ist und in der man tun kann, wonach einem in dem Moment ist.

2. Hobbies, Sport und Treffen mit Freunden genauso wichtig nehmen, wie die Arbeit und diese Termine nicht leichtfertig aufgeben, um stattdessen Arbeit zu erledigen. Menschen, deren einziger Lebensinhalt die Arbeit ist, sind besonders Burnout-gefährdet.

3. Dauerhafte Kränkungen und mangelnde Wertschätzung im Beruf nicht einfach hinnehmen. Wenn ein Gespräch mit Kollegen oder Vorgesetzten nichts bringt, lohnt es über einen Arbeitsplatzwechsel nachzudenken.

4. Auf Warnhinweise von Freunden und Familie hören. Außenstehende sehen oft viel früher, wenn jemand sich selbst für die Arbeit aufgibt und sich dadurch überfordert.

5. Wer bereits an einem akuten Burnout-Syndrom leidet braucht professionelle Hilfe. Das kann entweder eine Psychotherapie sein. In schweren Fällen ist eine stationäre Behandlung in einer psychosomatischen Klinik notwendig, um wieder zu sich selbst und den eigenen Bedürfnissen zu finden. 

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