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Liebespaare: Susi, Alex und die Sache mit dem Kind

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Alex, 21, Groß- und Außenhandelskaufmann aus Ulm. Zusammen mit Susi seit fünf Jahren, verheiratet seit drei Jahren. Ihre Tochter Janny ist drei Jahre alt. Irgendwie denken alle, dass es Susis Idee war, mit dem Kind, oder mit dem Küssen, oder mit unserer Beziehung überhaupt. Dabei habe ganz oft ich den ersten Schritt gemacht. Susi ist mir auf der Hochzeit meines Onkels aufgefallen. Ich mochte ihr Lachen und ihre blonden Haare und habe dann die Gelegenheit ergriffen, als wir uns vorgestellt wurden. Eingeschüchtert war ich nicht, obwohl ich erst 16 war und sie fünf Jahre älter. Ich bin so ein Typ, ich gehe auf Frauen zu. Und meistens klappt das dann auch.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Später auf der Feier haben wir uns geküsst. Danach haben wir uns SMS geschrieben und uns ganz oft getroffen. Ich fing an, bei Susi über Nacht zu bleiben. Ein paar Wochen später bin ich ganz eingezogen, samt Playstation und meinem Motorrad. Ich habe ja sowieso so gut wie bei ihr gewohnt. Meine Mutter hatte nichts dagegen, sie schaute sich sowieso nach einer billigeren Wohnung um und da kam es gelegen, dass sie kein Zimmer mehr für mich brauchte. Die Kumpels haben erst gestichelt, fanden es dann aber super, dass ich eine Freundin mit Führerschein hatte. Susi war auch diejenige, die mich zur meiner Abschlussprüfung gefahren hat. Und nach dem Kicken oder der Disco heim. Nach der neunten Klasse bin ich von der Schule abgegangen, habe hier und da gejobbt und musste danach zum Bund. Was ein bisschen schade war, weil ich gern mehr von Susis Schwangerschaft mitbekommen hätte. Das ist noch so ein Ding, das viele falsch verstehen: Janny ist kein Zufall, wir haben von Anfang an ein Baby gewollt. Viel denken ja: Wer so jung ein Kind kriegt, war zu blöd, zu verhüten. Aber wenn ich unsere Liebesgeschichte erzählen soll, gehört Janny genauso dazu wie die ganze Verliebtheit. Sie ist ein wichtiger Teil von uns. Wenn nicht der wichtigste überhaupt. Susi hat sich schon sehr lange ein Kleines gewünscht und ich habe Kinder schon immer sehr gern gehabt. Schwer zu erklären, warum. Sie sind so… echt. Mit ihnen kann ich am besten ich selbst sein. Natürlich habe ich nie vorgehabt, mit 18 Jahren Vater zu werden. Aber wenn man es wirklich will, warum aufschieben und warten, bis alles perfekt ist? Einen Moment, in dem alles passt, wird es sowieso nie geben. Irgendwas ist immer. Also warum nicht einfach versuchen? Als ich meiner Mutter von unseren Kinderplänen erzählt habe, hat sie gedacht, ich mache Späße. Als sie dann die Ultraschallbilder sah, hat sie sich aber trotzdem gefreut. Nur Susis Eltern hatten Angst, dass ich zu viel Wind im Kopf habe. Dass ich Schiss bekomme, etwas zu verpassen. Ich wollte es ihnen dann erst recht beweisen, dass ich so einer nicht bin. Ich meine, was bringt mir das, es immer mit anderen Weibern zu tun - und danach sehe ich sie nie wieder? So habe ich es doch viel besser: Frau daheim, Kind daheim. Jemand, um den ich mich kümmern kann. Und der sich um mich kümmert. Klar, es ist nicht immer einfach gewesen: Nachts Janny, tagsüber Ausbildung. Auch mein Motorrad musste ich verkaufen, das hat schon weh getan. Ich kann jetzt auch nicht einfach Sachen für mich kaufen, nur weil ich sie haben will. Eine Wii ist nicht drin. Oder ein dicker Urlaub mit Freunden. Diesen Sommer waren wir zu dritt in Italien zelten, für mehr hat‘s nicht gereicht. Auch am Wochenende müssen wir oft zu Hause bleiben, während meine Kumpels feiern. Das schmerzt manchmal schon. Dafür bin ich ihnen im Windelnwechseln um Welten voraus. Das kann ich übrigens bald wieder üben. Im Dezember kommt unsere zweite Tochter zur Welt. Auf der nächsten Seite erzählt Susi von ihrer Liebe zu Alex.


Susi, 26, wohnt in Ulm und arbeitet als Kassiererin. Sie wartet im Moment auf ihre zweite Tochter. Ich habe mir in meinem ganzen Leben nichts mehr gewünscht, als ein Kind. Schöne Klamotten, schicke Wohnung - das war mir nie so wichtig gewesen. Ich war bereit, zurückzustecken, um früh Mama zu werden, wie meine eigenen Eltern auch. Ich liebte Babys so sehr, dass ich sogar um ein Haar Kindergärtnerin geworden wäre. Dann habe ich aber doch eine Ausbildung als Verkäuferin angefangen und bin mit 16 Jahren alleine von Thüringen nach Süddeutschland gezogen. Als ich Alex kennenlernte, stand ich seit vier Jahren auf eigenen Beinen und war bereit, meinen Traum zu erfüllen. Es hat nur der richtige Mann dazu gefehlt. Alex passte natürlich überhaupt nicht ins Raster. Als meine beste Freundin mir ihren kleinen Cousin, also Alex, vorstellte, habe ich mir nur gedacht: „Süß“. Wir waren auf einer Hochzeit im „Goldenen Bären“, in einem kleinen Raum und schon etwas angetrunken. Als wir alleine blieben, haben wir uns geküsst, einfach weil wir Lust darauf hatten. Dass daraus etwas Ernstes wird, hätte ich nie gedacht. Was sollte ich denn mit ihm? Ich glaube, es war die Art und Weise, wie Alex sich durch meine Wohnung bewegte und wie er mich behandelte, die mich letztendlich überzeugt hat. Er ist immer sehr zuvorkommend gewesen, hat Blumen mitgebracht und im Haushalt geholfen. Alex war immer ein Gentleman, er hat sich nicht von vorne und hinten bedienen lassen, wie die meisten Kerle. Seine Mutter war alleinerziehend, vielleicht war er deswegen viel lebenstauglicher, als alle meine Exfreunde zusammengenommen. Er wusste, was man mit einem Staubsauger macht und hatte sogar einen Supermarktchip am Schlüsselbund. Und es fühlte sich einfach gut an, wenn er da war. Früher habe ich gedacht, mein Freund muss der perfekte Mann sein. Jemand, der in allem so ist, wie man ihn wünscht. Jetzt weiß ich: das stimmt nicht, er muss einfach nur gut im Freund-Sein sein, der Rest ist unwichtig. Meine Freunde und Familie hatten mehr Bedenken, als ich selbst. Ich bin ein gutherziger Mensch und merke manchmal nicht, wenn mich jemand ausnutzt. Es war schwer, ihnen klar zu machen, dass Alex es ernst mit mir meint. Und dass ich ihn nicht in die Entscheidung für das Kind reingedrängt habe. Mir war es wichtig, dass Alex wusste, worauf er sich einlässt. Ich habe ihm von vornherein gesagt, dass ich Kinder haben will. Hätte er mit dieser Vorstellung nichts anfangen können, hätte ich auch keine Beziehung gewollt. Ich habe trotzdem zwei Jahre lang gezweifelt, ob Alex das hinkriegt. Aber dann habe ich gesehen, wie er mit seinen Stiefbrüdern rumalbert und gedacht: Er will das wirklich. Er schafft das. Und er war genau so ein guter Papa, wie ich es mir vorgestellt habe. Ich war keine einfache Schwangere. Mein Körper drückte überall und spannte und fühlte sich plötzlich ganz fremd an. Die Hilflosigkeit darüber habe ich dann an Alex ausgelassen. Er hat aber alle meine Zicken tapfer ertragen und als Janni auf der Welt war, ist er Nacht um Nacht aufgestanden, ohne dass ich ihn darum hätte bitten müsste. Er hat mir auch nie vorgeworfen, dass er etwas verpasst. Wir haben auf viel verzichten müssen, natürlich. Alex hat fast geweint, als er sein Motorrad abgeben musste. Aber er hat sich selten beschwert. Vielleicht, weil er wusste, wofür er das macht. Manchmal, wenn alles zu viel wurde, die Ausbildung, die Übermüdung, meine Launen, und wir uns in den Haaren hatten, habe ich mich gefragt: Bleibt er jetzt, oder geht er? Aber im Herzen wusste ich immer – er bleibt.

Text: wlada-kolosowa - Illustration: Katharina König

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