Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Die Downing Street im Netz: Blair geht, Brown kommt

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Foto: AFP Der Empfang auf der Seite: Lässt eines gleich erahnen: Dass es sich nicht um einen ganz herkömmlichen Online-Auftritt einer Regierung handelt, der vor allem ihre Personen und Institutionen, ihre Agenda und Meinung zu aktuellen Themen vorstellt. Natürlich ist all das vorhanden. Jedoch blicken den Besucher auch alt-ehrwürdige Lordschaften an, die dazu einladen, durch die Historie der britischen Demokratie und ihrer führenden Persönlichkeiten zu reisen: Herbert Henry Asquith ist dabei zu hören, wie er den Haushalt von 1909 erläutert, Ramsey MacDonald dabei zu beobachten, wie er 1931 um die Unterstützung des Parlaments bittet. Anschaulicher Geschichtsunterricht online. Ansonsten fällt die Aufgeräumtheit der Startseite auf: News in der Mitte, die Rubriken mit Unterthemen am Kopf, Kleinteiliges und Multimedia-Angebote an den Seiten.

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Das erfahren wir Eine Regierung tut viel, hat noch viel mehr zu tun vor, und es liegt in der Natur der Dinge, dass sie dies alles den Bürgern kundtun möchte. Da wären einmal die die Politik über einen längeren Zeitraum beschäftigenden big issues: das militärische Engagement in Afghanistan und dem Irak, die innenpolitische Debatte um Straßennutzungsgebühren und die Klimapolitik, wo übrigens laut Blair beim G8-Gipfel ein echter Durchbruch erzielt wurde. Jedes dieser Themen wird auf einer eigenen Seite ausgebreitet und mit Reden, Statements und reichlich Multimediamaterial versehen. Auch das aktuelle politische Tagesgeschehen wird natürlich kommentiert. An seinem vorletzten Amtstag als Premierminister beispielsweise verkündete Tony Blair voll Stolz, beim EU-Gipfel seine „red lines“ gegen die in heilige Souveränitätsgebiete vordringen wollende Union verteidigt zu haben. Dass der Internetauftritt number-10.gov.uk heißt, ist kein Zufall. Ein nicht zu verachtender Teil des Contents geht nämlich über die Darstellung der Regierungsgeschäfte hinaus und pflegt den Mythos des Gebäudes selbst. Die wohl meist fotografierte schwarze Holztür der Welt öffnet sich dem Besucher nicht nur zu virtuellen Rundgängen durch die mit allerlei Wertvollem eingerichtete zukünftige Behausung Gordon Browns. Wir erfahren außerdem, dass das erste Gebäude, das an der Stelle des heutigen Regierungssitzes errichtet wurde, eine mittelalterliche Brauerei war - und der Namensgeber Sir George Downing ein profitgeiler Spion und zwielichtiger Schurke. Das soll beim Leser hängen bleiben: Dass Mister Blair und seine Gefolgschaft das Bestmögliche für England wollten, und außerdem in Europa und der Welt eine führende und ernst zu nehmende Rolle spielten. Da – auch das ist eine Kernaussage – das Amt des Premierministers ein traditionsreiches und ehrenvolles ist, das seit 1721 von ebenso traditionsbewussten Ehrenmännern (und einer Ehrenfrau) besetzt wurde, wird sich dies auch mit der Amtsübernahme Gordon Browns nicht ändern. Für wen ist die Seite gedacht? Für den Bürger. Genauer: Für den politisch interessierten bis sehr aktiven Bürger, der über die Machenschaften seiner Regierung möglichst genau informiert sein möchte – sei es aus Zustimmung und Fan-Gehabe oder um sich Angriffspunkte für oppositionelle Argumentationssalven zu suchen. Bestes Feature: Die Ende 2006 von der Non-Profit-Organisation MySociety eingerichtete Plattform für Online-Petitionen. Berichten der Financial Times zufolge wurden anfangs zwar auch wenig zielführende Anträge gepostet, die Tony Blair unter anderem dazu aufforderten, auf dem Kopf stehend mit Eiscreme zu jonglieren oder Jediritter als Religion anzuerkennen. Mittlerweile hat sich das vor allem im Ausland viel gelobte Tool aber zu einem ernsthaft brauchbaren Mittel für den Bürger entwickelt, seine Anliegen an die Regierung heranzutragen: Seit der Einführung wurden über 20.000 Petitionen eingereicht und 4,4 Millionen Mal unterschrieben. Allein gegen die Einführung von Straßennutzungsgebühren sprachen sich 1,8 Millionen Briten aus. MySociety-Gründer Tom Steinberg, der bei der Förderung von E-Demokratie eng mit der Downing Street zusammenarbeitet, wünscht sich in einem Interview von Gordon Brown allerdings noch mehr Engagement in diesem Bereich.

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Sehenswertester Beitrag: Zur Abwechslung mal was Erheiterndes: Tony Blairs Auftritt beim Either/Or-Quiz. Hier beweist der sonst so steife Brite doch tatsächlich mal Humor, beispielsweise wenn er bei der Entscheidung zwischen seinem Regierungssprecher Alastair Campbell und Naomi Campbell antwortet: "Depends on what I'm doing..." Interessantes Detail: Unmöglich, hier eines herauszupicken. Gerade der Teil, der sich mit der Geschichte der Downing-Street befasst, ist voller interessanter Details. Leuten mit Interesse an politischen Persönlichkeiten seien die „Prime Ministers in History“ angeraten. Wer bei Städtereisen gerne filzbeschlappt durch Gemächer von Königshäusern und ähnlicher Bauwerke schlurft, London für einen Besuch aber zu teuer findet, kann sich auf die virtuelle Tour durch 10 Downing Street begeben und den ganzen Detailreichtum auskosten. Es gibt Beschreibungen und Anekdoten aller Räume - ein Mausklick auf die Standuhr im Sitzungssaal etwa verrät, dass sie dort steht, weil Premier Harold Wilson einst während der Kabinettssitzungen unauffällig ohne große Verrenkungen auf die Uhr schauen wollte.

  • teilen
  • schließen