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Jungs, findet ihr engagierte Mädchen doof?

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Die Mädchenfrage

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Die Zeiten, in denen ich daran verzweifelte, dass mich kein Junge vom Pausenhof als seine Freundin in Betracht zog, sind zum Glück vorbei. Ich war ein Teenager, der neben Jungs noch sportliche, künstlerische und vor allem politische Interessen hatte und gerade deswegen – so vermutete ich immer – nicht einmal annähernd in die Gegend der Kategorie Mädchen kam, die von den Jungs als „süß“ oder „geil“ bewertet wurden. Ich hatte immer das Gefühl, dass Jungs die Mädchen, die wussten, was IMF und WHO heißt und auch eine Meinung dazu hatten, im besten Fall cool fanden, aber niemals – niemals! – süß. Was die Voraussetzung für einen Kuss gewesen wäre. Der Pubertät halbwegs unbeschadet entwachsen und weiterhin für Umwelt, Weltfrieden, gegen Krieg und Rechtsradikalismus demonstrierend, wurde mir klar, dass ich mit niemandem zusammen sein konnte, der nicht wenigstens so politisch war wie ich. Jemanden, der keine Meinung zum politischen Tagesgeschehen hatte, hätte ich einfach nicht ernst nehmen können. Die wenigen Jungs, denen ich in den kommenden Jahren mein Herz schenkte, hatten allerdings immer neben meinem noch mindestens 30 andere Herzen zur Auswahl – einen politischen Jungen fanden einfach alle Mädchen toll. Politische Mädchen allerdings blieben für die Jungs Kumpels, mit denen man sich einen spannenden Tag auf einer Veranstaltung gegen Rechts machen konnte, aber Knutschen war damals wie heute kein Programmpunkt von Demonstrationen. Heute lache ich mit meinen Freundinnen über die Zeiten des Bangens und der Unsicherheit. Wir haben alle die Liebe gefunden, auch wenn wir immer noch störrische Mitmenschen werden, sobald sich Diskussionen um Themen wie Ökologie oder Feminismus drehen. Das finden unsere Männer gut. Sie verstehen wie wir diejenigen Männer nicht, die auf die unkomplizierte Variante „süße Schnitte“ zurückgreifen, und mögen Diskussionen über den bevorstehenden G8-Gipfel sogar dann noch, wenn wir sie abends im Bett anzetteln. Aber trotzdem, aus Interesse und weil vielleicht andere Mädchen die Zeit des Leidens noch nicht hinter sich haben: Finden Jungs Mädchen mit politischen Ambitionen per se blöd? Falls es so sein sollte, wird sich hoffentlich kein einziges politisches Mädchen deswegen ändern, aber wir würden schon gern wissen: Warum wirkt Politik auf das zarte Flämmchen Liebe an Jungs wie Benzin und an Mädchen wie ein Feuerlöscher? Die Jungsantwort steht auf der nächsten Seite!


Die Jungsantwort

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Wir sind Helmut. Das ist – gerade wenn es um Politik geht – eine Behauptung, die nach Altkanzler und Strickjacke schmeckt. Gemeint ist aber ein suchender junger Mann, dessen Geschichte ihr in dem Buch „Liegen lernen“ nachlesen müsst, dann ist die Frage mit dem Benzin und dem Feuerlöscher nämlich beantwortet: Helmut ist im Nicaragua- und Öko-Arbeitskreis engagiert, er trägt Buttons auf der Jacke und geht auf Demos. Wenn wir das richtig verstanden haben, ist Helmut einer von denen, die ihr so händeringend sucht. Das weiß Helmut. Denn sein Engagement ist zu ihm gekommen wie die Buttons an seine Jacke: er trägt es aus kosmetischen Gründen. Es hilft ihm, an euch ranzukommen, genauer gesagt an Britta. Britta geht auf Demos, redet über Politik und ist offenbar genau wie ihr. Sie wird Helmuts erste Freundin. Und der Weg dahin ist denkbar einfach: Helmut mag Britta, Britta mag Politik und politische Jungs. Also wird Helmut politisch. Und: Britta mag Helmut. Diese Gleichung ist selbst für den simplen Helmut, also für uns, ein bisschen zu simpel. Wenn Politik wie ein ideologisches Tierbaby funktioniert (sich damit zeigen und süß gefunden werden), dann ist uns Politik ehrlich gesagt zu blöd. Denn wenn wir für oder gegen etwas sein wollen, dann richtig. Alleine gegen eine ganze Partygesellschaft andiskutieren, nachts um drei in der WG-Küche den Globalisierungsknoten zerschlagen und voller Wut gegen den Unterdrückerstaat anbrüllen – das ist für uns Politik. Dafür können wir uns (zumindestens für eine Weile) begeistern und wir wissen, dass zumindest die Brittas unter euch sich dann auch für uns begeistern können. Mit Liebe hat das aber wenig zu tun. Das lernt Helmut als Britta wegzieht und sein Interesse für den Öko-Arbeitskreis erlahmt. Denn ob man jemanden liebt, ist doch bitte schön nicht in erster Linie eine Frage des Kopfes. Und darüberhinaus: eine Beziehung in der man ständig einer Meinung ist („echt voll schlimm des G8 da“) mag auf eine Art harmonisch sein („stimmt, krass schlimm“), sie ist aber vor allem eins: langweilig. Und das finden wir tatsächlich schlimm: langweilige, nicht politische Mädchen. Denn langweilig sind wir Helmuts oft genug schon allein. Die Antwort schrieb stefan-winter

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