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Jungs, hättet ihr gerne mehr Auswahl?

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Die Mädchenfrage:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Neulich machte ich mich mit der Warenwelt im Reformhaus bei mir ums Eck vertraut, genauer: mit dem Teesortiment. Grundsätzlich richten sich in diesem Produktsegment ja viele der angebotenen Sorten auch ohne expliziten Hinweis „Für die Damen“ recht eindeutig an uns: Etwa wenn uns als teeliebendes Testimonial Steffi Graf von der Packung entgegenlächelt oder eine Beutelkollektion in rosarotem Karton, mit Engelsaufdruck und unter dem Namen „Kleine Sünde“ vermarktet wird. Im Reformhaus entdeckte ich aber zum ersten Mal ein ganz offen gegendertes Teeangebot: Von einem Big Player der Teebranche wurden offeriert: „Frauen Power Tee“, „Frauen Fitness Tee“, „Frauen Balance Tee“ und – für alle Frauen, denen es weder nach Power, Fitness oder Balance dürstete – schlicht „Frauen Tee“. Ihr wurdet zwar nicht vergessen, aber nicht mit einer vergleichbaren Vielfalt bedacht: „Männer Tee“ gab es – sonst nix.

Das Prinzip, dass wir zwischen ganz vielen Produktvarianten wählen können und ihr quasi planwirtschaftlich das nehmen müsst, was halt da ist, kann man eigentlich überall beobachten: Besuchen wir einen typischen mehrstöckigen Modeladen, dann gibt es für euch auf maximal einer Etage ein paar T-Shirts mit Aufdruck und ein paar ohne. That’s it. Auf den drei anderen Stockwerken mit dem Mädchenkram könnten wir mit dem gesamten weiblichen Bekanntenkreis plus x einfallen – und am Ende hätten wir trotzdem alle unterschiedliche Outfits in der Tüte. Genauso im Drogeriemarkt: Dort türmen sich in den Kosmetikregalen hunderte Fläschchen und Tiegelchen, die unsere eingebildeten und tatsächlichen Bedürfnisse befriedigen sollen – Shampoos für „fettigen Ansatz und trockene Spitzen“, Gesichtscremes „Anti-Müdigkeit“ und Duschgels, die ein „Gefühl von guter Laune“ versprechen. An einem Regalende findet sich dann noch, an der Häufung blauer Verpackungen schon von weitem als euer abgegrenztes Revier zu erkennen, ein deutlich bescheideneres Pflegesortiment für euch. Ohne Schnickschnack für besondere Haut-, Haar- und Temperamenttypen.

Es ist wohl tendenziell ein First World Problem, wenn wir nun jammern, dass wir uns gelegentlich von der riesigen Auswahl überfordert fühlen und uns freuen würden, so wie ihr in der Drogerie einfach das eine vorhandene Shampoo mitzunehmen - ohne große Abwägerei und ohne das blöde Gefühl, unsere Haare womöglich suboptimal zu pflegen, weil wir die Beschaffenheit von Kopfhaut und Haarspitzen falsch eingeschätzt haben. Viel eher hättet ihr ja ein Recht euch zu beschweren, dass ihr gefälligst endlich auch im vollen Ausmaß an den Freuden der Marktwirtschaft teilhaben wollt. Jungs, sagt doch mal: Fühlt ihr euch in der Konsumwelt benachteiligt? Hättet ihr gern so viel Auswahl wie wir?


Die Jungsantwort:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Der erste Reflex auf diese Frage ist: Ja, wir wollen mehr Auswahl. Denn diese Männer, die mit den immergleichen Unterhemden, Hemden und Anzügen von der Konfirmation bis zu Bahre zufrieden waren und deswegen ihr Leben lang nicht mehr als ein Achtel der Verkaufsfläche eines Kaufhauses benötigten, das waren unsere Väter. Wir aber sind nun nicht nur schon mit einem eigenen H&M-Men, sondern durchaus auch einem gesegneten Konsumselbstbewusstsein sozialisiert worden, sprich, es ist heute nicht mehr allzu befremdlich, wenn wir schön shoppen gehen wollen.

Dabei fällt uns natürlich trotzdem noch auf, dass für euch vier Unterhosen-Wühltische bereitstehen, während man bei uns maximal in einem wühlen kann. Es ist ein bisschen wie mit einer neuen Sportart, die Infrastruktur dafür ist noch nicht so selbstverständlich, das kommt wohl eben erst noch - bei der Männerkosmetik geht es ja schon rasant Richtung Zweitregal. Wie du aber richtig sagst, ist es relativ leicht, in der Herrenabteilung schlichte Sache zu finden, wie man sie eben doch häufiger sucht und gebrauchen kann, da verstehe ich durchaus deinen Frust. Wir müssen uns nicht durch Paillettenzierrat, 47 verschiedene Kragenformen und seltsamen Rüschenärmel kämpfen, der Grad der Ornamentik in der Herrenmode hält sich jedes Jahr auf einem überschaubaren Level. Das liegt einfach an der Mode, die für uns trotz aller metrosexuellen Errungenschaften viel weniger Kapriolen schlägt, sich viel seltener besinnungslos in neue Trends verrennt als bei euch. Da liegt der wahre Aufholbedarf, aber ich bezweifle, dass an dieser Schraube viel gedreht werden wird, denn dazu ist der durchschnittliche Mann selbst beim Genussshopping wohl zu pragmatisch. Mal eine gewagte Farbe, mal eine neckisch versetzte Knopfleiste, aber der Großteil ist eben doch V-Ausschnitt-Pullover, Hemd, Jeans fertig. (Es ist übrigens schon deutlich schwerer geworden, diese Standardausrüstung wirklich pur und unverfälscht zu bekommen, irgendwie gleicht sich da der Firlefanz der Modehersteller doch langsam an: Jeans ohne seltsame Rissmuster oder lokal begrenzte Bleichflecken sind keine Selbstverständlichkeit mehr.)

 Noch etwas anderes möchte ich berichten – in Tokio wandelte ich unlängst durch ein sehr großes Kaufhaus nur für Männer. Alle Marken, alle Designer dieser Welt stellten ihre Kollektionen aus und die sehr modeaffinen Japaner turnten begeistert durch die Etagen. Nach zwei Stunden in diesem Paradies der Herren war ich aber ernüchtert wie nach zu viel Zuckerwatte. Obwohl durchaus modeinteressiert und bereit, mich vor Begeisterung ummähen zu lassen, war das meiste einfach total überflüssiger Schnickschnack der ein komplett indifferentes, hochglanzlackiertes Männerbild nahelegte, das eigentlich affig, schal und eben vor allem ausgedacht wirkte. Ausgeklügelte Pret-a-porter Mode für euch hat ja immer etwas Geniales, Modernes, es ist eine Huldigung. Beim Pendant für Herren wirkt vieles einfach nur wie aus dem Zufallsgenerator. Es war nicht die Masse und Auswahl, die mich dort in Tokio erdrückte, sondern eigentlich das Bewusstsein, dass die Ausstattung des Mannes schon so zeitlos und gut definiert ist, das sie einfach keine fünf Etagen braucht. Denn neben der Paradisvogel-Ausstattung gabe es eben auch ungefähr hundert Parkas nahezu gleicher Optik, nur mit unterschiedlichen Labels auf dem Waschzettel. Ergo: Keine wirkliche Abwechslung. Vielleicht sehe ich das aber auch noch zu gestrig.

Was die Teesorten und anderen auf euch getrimmte Produkte angeht – auf derlei Marketingvielfalt können wir ganz gut verzichten und das Marketing macht sich wohl auch nicht zu viel Mühe mit uns. All diesen Dingen haftet ja eher der Geschmack von „Jetzt auch für Frauen!“ an, so ähnlich wie dem Wahlrecht vor hundert Jahren. Wir wollen uns aber von Produkten weder duzen, noch umarmen, noch einlullen lassen. Es funktioniert bei uns nicht mit dieser Masche. Ein normales Produkt das plötzlich eine „Männer“-Vorsatz im Namen trägt, ist uns verdächtig: Männerhandtasche, Männerpille, Männertag in der Sauna – alles komische Dinge. Es bleibt erstmal dabei, das pure Produkt spricht uns an, aufgerüscht wird es für euch. Autos und Waffen ausgenommen.

fabian-fuchs

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