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Jungs, sollen wir euch einen Antrag machen?

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Obwohl wir alle sehr, sehr, SEHR aufgeklärt sind, uns bestens mit Metrosexualität auskennen, affige Rollenklischees über Bord geworfen zu haben glauben, und ganz neue Beziehungskonzepte leben, gibt es doch einen kleinen Bereich, der seit Jahrhunderten, ach was, noch länger so und nicht anders abzulaufen hat. Nämlich: Der Heiratsantrag. Klar, man könnte jetzt einwerfen, dass sowieso schon jenseits von gut und böse ist, wer meint, heiraten zu müssen. Andererseits heiraten ja doch sehr viele Menschen im Laufe ihres Lebens und unter denen auch Leute, die eher nicht für ihre konservativen Ansichten bekannt sind. Ganz normale, wie du und ich, zum Beispiel.. Und trotzdem läuft es immer gleich ab: Paar verliebt sich, bleibt erstaunlicherweise länger als einen Sommer verliebt, gewinnt Karten für eine Samstag-Abend-Show im ZDF, Typ verschwindet „mal für kleine Königstieger“ – nur, um wenige Minuten später auf der Bühne aufzutauchen, um von dort seiner Freundin für all die Liebe und Unterstützung während der Arbeitslosigkeit zu danken und sie unter Tränen und der Anteilnahme von Jörg Pilawa zu fragen, ob sie denn jetzt vielleicht Bock hätte, zu heiraten. Frau dann so: „Bhuhuhu, ich dich auch voll! Ja, tausendmal, JAJAJAJAJA!“ Tusch und Vorhang. Okay, zugegeben. Manchmal läuft es auch ein klein wenig intimer ab, zum Beispiel auf dem Eiffelturm, oder einfach so im Bett, vor, während oder nach dem Sex. Aber immer ist es doch so: Der Mann muss fragen. Und da fragt man sich nun so als Frau schon: Ist das eigentlich gerecht euch gegenüber? Schließlich ist diese Frage ja eine der wichtigeren. Und von der Beantwortung derselben hängt ein bisschen mehr ab, als nur die weitere Abendgestaltung. Und ich stelle mir vor, dass es euch sehr viel Mut kostet, diese Frage überhaupt zu stellen. Jungs: Wäre es euch denn lieb, wenn wir euch fragen würden? Auf der nächsten Seite kannst du die Jungsantwort lesen.


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Die Jungsantwort: Ach, Scheiße. Das Heiraten ist so ein Thema, bei dem man sich als Junge gleich beim ersten Nachdenken total verkantet und irgendwann fühlt, wie ein Sechskantschlüssel im Werkzeugkoffer: Kalt, grau und eingezwängt in Hartplastik. Grundsätzlich finden wir die Idee ja sehr gut, mit dem tollen Mädchenherz von nebenan für immer zu fusionieren. Aber schon, dass diese Bindung nicht einfach so funktionieren kann, sondern angeblich einer Einmischung von Staat, Kirche und Juwelier bedarf, will uns nicht direkt in die logische Kombüse. Der Gedanke, dass unsere Großtanten feierlich klatschend vor der Kirche stehen oder wir in cremefarbenen Anzügen schwülstige Liebeseide leisten müssen, ist ebenfalls mühsam. Auch vor einer coolen Hochzeit, alleine oder nur mit den besten Freunden, in Las Vegas oder an einem Dienstagmorgen im Standesamt, steht irgendwie immer doch ein kleines: Du musst. Und das passt uns nicht. Denn bisher war in der Beziehung alles eher ein Dürfen. Wir dürfen euch küssen, wir dürfen euch zuschauen, wie ihr nur mit Handtuch von der Dusche in euer Zimmer lauft, um dort in kleinen Anziehsachen zu wühlen, wir dürfen mit euch zusammenziehen, etc. Wir dürfen euch einen Heiratsantrag machen – das denken wir aber nie. Stattdessen heimlich: so ein Krampf. Deswegen geht es meiner Erfahrung nach bei den meisten netten, verheirateten Paaren so, dass die Frau irgendwann ganz langsam das Thema aufbringt, zwei Jahre lang hier und da mal kluge und sinnstiftende Bemerkungen fallen lässt und irgendwann der Mann sich soweit daran gewöhnt hat, dass er es auch schön findet und eines Tages sogar auf die Knie sinkt und das Kästchen mit Ringen schwenkt – genauso, wie beide es zuvor in siebenhundert Filmen gesehen haben. Er mit einem „Muss eben“-Gefühl, sie mit dem „Muss eben“-Tränen. Und weil es beiden so komisch vorkommt, ist es wohl tatsächlich rührend. In den Filmen wirken die Männer beim Antrag immer sehr selbstbestimmt und angefüllt mit Superliebe. Im echten Leben dürften dieser Verlobunsgprozedur immer viel Zögern und Bauchflattern vorausgehen. Denn immerhin ist es ja rein von der Außenwirkung her so, als würden wir euch mit dem Wunsch nach Heiratsglocken überraschen. Also ihr gerade am Toastbrot toasten und wir so: Schatz, von jetzt an für immer! Ihr so: Haare rauf und kreisch und Ja! Gut. Aber wie ich oben zu skizzieren versuchte, wäre es andersrum viel logischer und unter uns gesagt, ihr kämt auch schneller unter die Haube. Uns ist das Heiraten nicht so sehr Wegmarke des Erwachsenseins. Ihr aber findet die Aussicht auf Geschenke, irrsinnige Blumenbouqets, genüssliches Kleidaussuchen ohne Preislimit, Gästelisten basteln und Sitzordnungen verwerfen schön und ein Leben mit uns auch? Dann fragt uns doch einfach. Nein sagen, das trauen wir uns nicht und ihr würdet damit das lange, stille Kämpfen umgehen, das wir vor der Ring-Offensive mit unserem evolutionsbedingten Schweinehund austragen, der uns nämlich an verhinderte Platzhirsche und genommene Freiheiten und andere Casanova-Schwurbelgedanken denken lässt. Willst du mich heiraten? von euch, wäre außerdem auch wieder wie küssen dürfen und nicht müssen. Aber klar, jetzt schreien die ehrwürdigen Gentlemen auf und fordern, dass der Mann um eine Frau ringen muss und sich ihr zu Füßen zu legen hat. Ich finde das nicht. Ich finde es dumm, dass alle Welt erwartet, ich wüsste schon, wann die richtige Zeit für eine Hochzeitsaufforderung gekommen ist. Ich bin damit überfordert und das bedeutet kein bisschen, dass ich unromantisch oder sonstwie gefühllos wäre. Nur ist dieses Thema eben so verkantet und künstlich verkompliziert und es wäre eine hübsche Auflockerung, wenn ihr mal in die erste Fanfaren stoßt. Vielleicht kümmern wir uns danach auch um das Papier für die Einladungen. fabian-fuchs

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