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Jungs, warum sagt ihr immer „Zickenterror“?

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Die Mädchenfrage

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

„Zickenterror“ ist ein dummes Wort. Trotzdem hören wir Mädchen es ziemlich oft von euch Jungs. Ihr sagt das gern mal, wenn zwei Mädchen sich streiten und ihr nicht recht wisst, warum. Das wollt ihr dann aber nicht zugeben und tut so, als ob die Sache eh klar wäre: „Zickenterror“ – was sonst. Ihr scheint nicht zu merken, dass das sehr problematisch ist. Wenn ihr so etwas sagt, stempelt ihr uns Mädchen nämlich pauschal zu „Zicken“ ab. Ihr tut dann so, als wären wir alle unreife Tanten, die immer im Mittelpunkt stehen müssen und sich untereinander nichts gönnen können. Als wären wir so gestrickt, dass wir uns zwangsläufig immer irgendwann in die Haare kriegen, ziemlich egal warum. Oder zumindest aus Gründen, mit denen ihr euch nicht weiter beschäftigen müsst – so komisch und irrational wie die immer sind. Aber, sagt mal Jungs: Das glaubt ihr ja wohl selber nicht. Ihr wisst schon, dass Mädchen sich aus allen möglichen Gründen streiten, von denen keiner „Zickenterror“ heißt? Klar geht es dabei oft um Befindlichkeiten oder um Sachen, die nicht immer ganz einfach zu durchschauen sind. Aber vielleicht ist es auch gar nicht immer nötig, dass ihr bis ins letzte Detail versteht, warum sich zwei Mädels jetzt genau in der Wolle haben. Sobald ihr Mädchenkonflikte aber reflexartig als „Zickenterror“ bezeichnet, wertet ihr uns ab. Und zwar nicht nur diejenigen, die sich konkret streiten, sondern uns alle. Das ist dann nicht nur eine Frechheit, es lässt euch auch ziemlich alt aussehen. So, als wolltet ihr eure Denkfaulheit uns unterschieben. Ziemlich genau so, wie Mario Barth das auch macht. Warum, bitte, hören wir trotzdem so oft „Zickenterror“ von euch?


Die Jungsantwort

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Also da stelle ich mich erstmal ganz dumm. Du beschwerst dich, dass wir euch mit dem Begriff "Zickenterror" pauschal zu Zicken machen, was ihr nicht sein wollt. Aber ist nicht eigentlich die „Zicke“ an sich das Problem? Ich dachte immer, auch die wäre ein ärgerliches Relikt vom Stammtisch. Aber offenbar gibt es die "Zicke" in deiner kritischen Soziologie durchaus, nur dass eben andere Frauen Zicken sind und nicht du. Wie definiert ihr denn nun also die Zicke, so unter Frauen? Sind es nicht dieselben niederen Gründe wie bei den Mario-Barth-Fans? Ist Zicke also bei euch auch nur das Ergebnis aus übersteigerter Weiblichkeit, Zanklust, Egomanie, Hochnäsigkeit und PMS? Eine Weib gewordene Platitüde? Was die Beliebtheit des „Zickenterror“ anbelangt, so liegt der Grund doch auf der Hand. Dieses Wort ist für Männer, deren Klavierspiel auf der zwischenmenschlichen Tastatur nicht über den Flohwalzer hinausgeht, ein willkommenes pars pro toto weiblicher Befindlichkeitsstörung. „Alter, zwei Frauen in einem Abteil und schon geht’s los mit Zickenterorr, höhöhö!“ Diese Männer sind auch die ersten, die schreien: "Typisch, meine Alte! Ey, Frauen, unbekannte Wesen! Schuhtick und Handtaschenfimmel! " Und wenn sie eine Küche betreten dann sagen sie: "Das ist das Reich der Hausfrau." Ich grenze mich bewusst ab, auch wenn wir sonst in dieser Kolumne immer für alle Geschlechtsgenossen zu sprechen versuchen, aber „Zickenterror“ habe ich, und ich vermute die meisten Leser, nie anders als in doppelt ironischem Kontext gebraucht und die Stammbenutzer dieses Ausdrucks sind mir, wie beschrieben, doch relativ fern. Wollte man etwas ernsthafter untersuchen, welches Verhalten da so bequem als Zickenterror abgestempelt wird, müsste man sich mal die „Terror“-Verhalten der beiden Geschlechter ansehen. Männern gesteht man Revier- und Hahnenkämpfe zu, Rivalitäten und Wettkampf bis hin zur Prügelei. Diese Konflikte sind aber selten rein personenbezogen, sondern eher zielorientiert, man kommt sich beim gleichzeitigen Anflug auf einen Job, eine Frau, einen Sitzplatz in die Quere und kämpft darum. Sobald diese Angelegenheit aber ausgetragen ist, steht man einträchtig zusammen am Lagerfeuer oder Urinal oder hegt zumindest nicht über die Maßen hard feelings gegen den anderen. Frauen hingegen, und das habe ich durchaus auch selber so beobachtet, beanspruchen darüber hinaus für sich gerne mal eine rein persönliche Abneigung gegen eine andere Frau, deren Gründe zunächst nicht so rational herleitbar sind, wie bei den Männern. Sie können dann also: nicht leiden, blähen die Nüstern, keifen ansatzlos zurück usw., wenn die andere vielleicht qua Aussehen, Status, Getue oder sonst wie störend wirkt. Und dabei vereinen sie diese aggressive Haltung ganz fugenlos mit einer ansonst sonnigen Freundlichkeit. Sie sind also nicht in allgemeinem Zorn-Zustand wie ein Mann, sondern verspritzen partiell und von null auf hundert ihr Gift. Diese Doppeldeutigkeit und die genannten „weichen“ Gründe dafür, entziehen sich ziemlich leicht dem Verständnis des harmlos vorbeitrottelnden Mannes, und so wird er gelegentlich eben verwundert Zeuge eines eiskalten Schlagabtausches unter sich anlächelnden Damen. Sowas kennt er von sich selber nicht und weil alles, was man von sich selber nicht kennt, ziemlich schnell in Richtung Unfassbarkeit driftet, wurde dafür der Überbegriff „Zickenterror“ zur Verfügung gestellt. Er entbindet den Mann von einem tieferen Einstieg in die hochinteressante Welt der weiblichen Psyche. Damit ist der typische "Zickenterror"-Benutzer auch zufrieden, denn was er in dieser Psyche über sich selber finden würde, wäre meistens auch nicht besonders schmeichelhaft. fabian-fuchs

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