Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Jungs, was bedeutet euch eine „Lochschwagerschaft“?

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Die Mädchenfrage zum Anhören wird präsentiert von Süddeutsche Zeitung Audio - dort gibt es auch weitere Fragen zum Anhören! Die Mädchenfrage: Welche Verwandten man an der Backe hat, unterliegt bekanntlich nicht unserer Entscheidungsfreiheit. Mit wem man Sex hat, zum Glück durchaus. Mit wem derjenige, mit dem man Sex hat, zuvor bereits im Bett war, wiederum nicht. Diese Menschen, zu denen man ohne eigenes Zutun eine Art sexuelle Verwandtschaftsbeziehung pflegt, kann man sich als unkontrollierbare, unbekannte Größe vorstellen: Denn egal, wen man kennen lernt, fast immer hängt an dieser Person ein Rattenschwanz von Ex-Partnern, Ex-Affären, Ex-Ausrutschern, halt der Sack voll Ex-Menschen, den man auf ewig als Altlast mit sich herumschleppt. Diese Ex-Menschen sind überall - entweder im weiten Nirgendwo der verlorenen und vergessenen Liebschaften, oder aber, und das ist oft der Fall, im unmittelbaren Lebensumfeld, wo eine Spur aus Körpersäften sich wie ein Spinnennetz durch den ganzen Bekanntenkreis zieht: Johannes hat gerade was mit Sarah, Sarah hatte davor was mit Martin, welcher davor mit Evelyn zusammen war, welche wiederum früher irgendwann mal mit Felix abgestürzt ist, dessen Ex-Freundin Anna auch schon mal mit Martin Sex hatte und jetzt mit Julian, dem besten Freund von Johannes zusammen ist. Angenommen jeder Mensch kennt, so sagt man ja, jeden anderen Menschen auf der Welt über sieben Ecken. Wenn man jeden anderen Menschen auf der Welt über sieben Ecken kennen soll, wie ist es dann erst in inzestuösen Mikrokosmen namens Freundes-, Kommilitonen- und Kollegenkreise, wo wahrscheinlich jeder mit jedem über drei Ecken schon mal geschlafen hat? Inmitten solcher Beziehungsketten kommt das vermutlich unter alkoholisiertem Schenkelklopfen entstandene Wort „Lochschwager“ ins Spiel, das sich vom Niveau her etwa auf derselben Ebene wie „Resteficken“ ansiedelt. Es vermag komplizierte Sexverflechtungen auf einen simplen Sachverhalt zu bringen: Zwei männliche Zeitgenossen, die ihr Geschlechtsteil schon mal in dieselbe Vagina gehängt haben. Der Begriff, das suggeriert er, soll ein sozial vermintes Gebiet semantisch entschärfen. Er legt nahe, dass unter Männern ein Verhältnis frei von Territorialkämpfen, Eifersucht und Schwanzvergleich möglich ist. Bei dem Wort Lochschwager schwingt ein kumpeliger Unterton mit; Lochschwager, das klingt nach Männern, die ein ähnliches Locherlebnis auf ewig zusammenschweißt, nach Männern, die ein Herz und ein Penis sind und sich einer ominösen brüderlichen Sache verschrieben haben. Wer „Lochschwager“ sagt, legt die Betonung auf Gemeinsamkeit und schiebt im selben Zug die Differenzen gnädig beiseite. Ist das so? Wann benutzt ihr diesen Titel? Klopfen Lochschwager sich gegenseitig die Schultern ab? Gibt es Situationen, in denen ihr euch mit anderen Jungs verbunden fühlt, allein aufgrund der Tatsache, mit demselben Mädchen verkehrt zu haben? Oder sollten wir diese Art von Verschwägerung doch als Schnapsidee sehen?

Die Jungsantwort gibt's auf der nächsten Seite.

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Die Mädchenfrage zum Anhören wird präsentiert von Süddeutsche Zeitung Audio Die Jungsantwort: Liebe Mädchen, ich warte seit Monaten darauf, dass jemand eine Lochschwager-Community programmiert. Ich stelle mir da so eine Mischung aus Facebook und Amazon vor: „Personen, die mit dieser Person im Bett waren, waren auch mit folgenden Personen im Bett.“ Man bekäme sozusagen kostenlose Expertisen und würde anstatt bei der Partnerwahl im Dunkeln zu tappen, auf das Urteil guter Freunde vertrauen. Das ist natürlich Blödsinn. Eine Lochschwagerschaft ist eine höchst fragile Beziehung zwischen männlichen Wesen, die nur in einem schmalen emotionalen Korridor existieren kann. Schließlich untergräbt so eine Verwandtschaftsbeziehung das Bedürfnis nach sexueller Monogamie. Sie führt uns nämlich vor Augen, dass ihr ein sexuell aktives Leben bereits geführt habt, bevor ihr uns kanntet. Und das wiederum weckt in uns Urängste: War der andere besser als ich? War seiner länger, dicker, schöner? Konnte er länger? Natürlich könnten wir uns theoretisch diese Fragen ständig stellen, denn ein sexuelles Vorleben hatte ja fast jede von euch. Nur gelingt es uns normalerweise, diese Fragen geschickt auszublenden. Da der Lochschwager mit uns aber in einer Freundschafts- mindestens aber in einer Bekanntschaftsbeziehung steht, führt er uns ebenjene Selbstzweifel nochmals vor Augen. Das ist der eine, vor allem unangenehme, Aspekt der Lochschwagerschaft. Es gibt noch einen anderen. Wie ihr bereits erwähnt habt, spielt der Begriff in derselben Schmuddelliga wie „Resteficken“. In beiden Wörtern steckt eine gewisse Wahllosigkeit, bei der ein eher niederes sexuelles Bedürfnis edle Gefühle, wirkliches Interesse und guten Geschmack überschattet, und tatsächlich fällt auch ihr zeitlich-räumlicher Gebrauch oft zusammen. Es sind diese Abende, die spät mit Resten enden und an deren Morgen man mit einem fahlen Geschmack im Mund und einer fremden Person im Bett aufwacht. Die vergangene Nacht liegt im Trüben, was ein leichtes Unsicherheitsgefühl hervorruft. Ein Telefonat, ein Treffen mit einem guten Freund hilft, das Erlebte zu verorten und dann fallen folgende Sätze: „Ging gestern noch was mit der Dings mit den vielen Locken? „Ja, wir sind noch zu ihr.“ „Echt? Mit der habe ich vor zwei Wochen auch! Wie wars?“ „Nicht so toll.“ „Bei mir auch nicht. Außerdem hat sie geschnarcht.“ In diesem Moment glauben wir wieder fest an den Erfolg einer Lochschwager-Community. philipp-mattheis

  • teilen
  • schließen