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Jungs, was war an eurer Pubertät so toll?

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Das Wort "Pubertät" klingt ja nicht umsonst nach fleischfarbener, irgendwie wurstiger Beklemmung. Pickel, Körper, Liebesweh, Familienstress sowieso, alles wucherte doof und unkontrolliert vor sich hin, während wir begriffen, dass wir niemals aus unserer Haut herauskonnten. Glücklicherweise sind wir diesem Jammertal heute entwandert. Wir wünschen uns um keinen Preis zurück dorthin. Die Quintessenz all unserer Mädchengespräche über die Pubertät lautet deshalb: Bitte nie wieder.

Ihr hingegen sagt Dinge wie: „Das beste Jahr meines gesamten Lebens war definitiv mein 15. Lebensjahr" oder: „Ich wünschte ich wäre noch mal 13!". Versteht uns nicht falsch: Wir schwelgen auch gern in der Vergangenheit, doch die Zeit zwischen dem 13. und irgendwann um das 20. Lebensjahr sparen wir so gut es geht aus. Wenn wir sie anreißen, dann in einem „Puh! Geschafft"-Unterton, wie man ihn wahrscheinlich nach einer glimpflich ausgegangen Verfolgungsjagd verwenden würde.

War das Großwerden für euch denn nicht auch so anstrengend? Habt ihr keine schrecklichen inneren Kämpfe mit euch, euren Eltern und vor allem im Vergleich mit anderen Gleichaltrigen ausgestanden? Ich dachte bisher, dass es noch viel schlimmer gewesen sein muss, als Junge die Pubertät zu durchleben. Weil doch ein viel größerer Konkurrenzdruck in Sachen Coolness und Sex auf einem lastet und man gleichzeitig viel weniger mit seinen Kumpels über Schwächen und Ängste reden kann – und möchte. Doch wenn ihr von dieser Zeit sprecht, klingt es immer so, als seien diese Jahre damals der ultimative Siedepunkt eures Lebens gewesen, von dem aus nun alles nur kälter, starrer und ungemütlicher werden kann. Warum ist das so? Was war damals so toll, dass ihr es heute vermisst?






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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Die Jungsantwort

Das stimmt, diese Schrecken des Körpers und die Finsternis der Gefühle, das hören wir aus euren Jugenderinnerungen oft deutlich heraus. Nun ist es natürlich nicht so, dass die Pubertät uns Jungs in Ruhe lässt, sie krempelt uns schon auch um und wir sind, das könnt ihr uns glauben, auch ganz oft richtig dolle deprimiert gewesen wegen Pickeln und angebranntem zwischenmenschlichem Gulasch.

Aber irgendwie haben wir das, wie soll ich sagen, nicht so persönlich genommen. Es ist nicht so ein massiver Einschnitt gewesen. Ich meine, wir haben vorher Scheiß gemacht, zwischendrin noch mehr und hinterher etwas weniger, quasi Plateauphase bis heute. Aber diese Bitterkeit und Selbsthass der bei euch da immer rauszuhören ist – eher nicht. Ich glaube, das Erwachsenwerden wird allgemein bei uns als nicht derart schwerwiegend empfunden, Mama seufzt vielleicht mal im Türrahmen, wenn wir stehend auf unserem Mofa in eine ungewisse Nacht rasen, aber das war’s dann auch weitgehend, mit der Anteilnahme. Es gibt nicht diese ganze „Sei bloß vorsichtig!“ –Getuschel, dieses verschämt Bindenrauslegen, das unendliche Gezicke, den Klamottenkrieg, die Heulerei etc. Wir waren auch rüpelig und doof, aber das wurde im Elternhaus dann immer mit „Dann geh doch!“ quittiert. Der soll sich ausspinnen, der soll um den Block rennen, so etwa war die Devise und genau das taten wir dann auch, standen tagelang auf dem Basketballfeld bis uns gar nichts anderes mehr einfiel als zurückzukriechen und: „Mama, wo ist Trinken?“.

Es war also den Eltern irgendwie egal und uns dann auch. Was die Kumpels anging – ich kann mich nicht erinnern, dass Bartwuchs, Sackhaarwuchs oder andere Veränderung einem derart strengen Kodex unterlagen, dass man deswegen unglücklich wurde. Es erschien mir weder besonders erstrebenswert noch besonders schrecklich, als sich in der Hinsicht irgendwas tat. Am ehesten: Na, endlich. Ich will nicht ausschließen, dass man sich mal in der Schwimmbad-Umkleide nicht ganz repräsentativ für sein Alter gefühlt hat, aber Katastrophe war das keine. Wir sind in dem Alter doch auch viel zu stoffelig, um so Zeug wie Aussehen, Außenwirkung und Konformität ständig zu reflektieren. Ich könnte nicht mal sagen, was für eine Frisur meine besten Freunde damals hatten, geschweige denn, wann sie Stimmbruch oder Achselhaar vor sich hertrugen. So interessante sekundäre Geschlechtsmerkmale wie ihr, auf deren Gedeih man Wetten abschließen könnte, haben wir ja nicht.

Unglücklich machte uns dann eigentlich doch nur wieder die Damenwelt, deren Pubertät sie nicht nur aus den Fängen der Eltern, sondern auch irgendwie aus unserer Reichweite geschleudert hatte, so kam es uns jedenfalls vor. Irgendwie konnte unsere eigene kleine Erwachsenwerderei mit eurem Mode-Körper-Cliquen-Schnellprogramm in den meisten Fällen nicht mithalten. Nicht umsonst wird in der Pubertät ja ständig von Erziehungsberechtigen erwähnt, wie weit die Mädchen den Jungs voraus sind. Deswegen gibt es da, irgendwo zwischen der sechsten und neunten Klassen diesen Gap, in dem  Jungs weitgehend auf einem Haufen hocken und immer noch die Sachen unternehmen, die ihnen von früher Spaß machen, plus den Mist, den sie von großen Brüdern haben. Ich will das nicht verklären, aber es gibt da durchaus eine Solidarität unter Leidensgenossen, die natürlich nicht offen ausgesprochen wird, die aber immerhin darin besteht, dass jeder mitkicken darf.
Klar, was so an gediegenen Suizidplänen in diverse Tagebücher und Gedichte geschrieben wurde, was diese ganze Scheißwut auf irgendwas angeht - das hat jeder Junge eher mit sich allein ausgemacht, da kann ich wenig dazu sagen. Ich weiß nur, dass es trotz dieser düsteren Komponenten eine aufregende Zeit war und ich heute geneigt bin, diese Aufregung im Rückblick als eher angenehm zu empfinden. Vielleicht aber auch, weil Wut und Kaputtness zu den Sachen gehören, die Männer seit jeher als brauchbar einordnen. In diesem Sinne war die Pubertät ein schönes Manöver, in dem man sich ein paar Schrammen geholt hat - und in diesen friedlichen Zeiten vielleicht die einzige Kriegserfahrung, die wir machen werden.

fabian-fuchs

Text: martina-holzapfl - Foto: kallejipp / photocase.com

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