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Jungs, wie ist das mit euren Vätern?

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Die Mädchenfrage:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Achtung Jungs, es wird tiefenpsychologisch. Passend zum Wetter und dem vergangenen Feiertag haben wir für euch ein schwieriges Thema, immer wieder literarisch verarbeitet: Der Vater. Es gibt ihn in blass und einflussarm. Es gibt ihn in dominant und überfordernd. Aber vor allem gibt es ihn für die Generation Scheidungskinder, die wir ja nun mal zum größten Teil bilden: irgendwie viel zu wenig. Nach vielen Jahren und Gesprächen mit euch glaube ich Folgendes: Wir Mädchen gehen mit diesem ganzen Emotionalkomplex etwas anders um als ihr. Unsere Vaterfixierung machen wir als Vierjährige durch. In der Zeit wollen wir unsere Väter heiraten und können mit unseren Müttern gar nichts anfangen. In den allermeisten Fällen geht das aber wieder vorbei und danach entwickeln wir je nach Glück und Vater ein liebevolles oder ein nonchalantes Verhältnis. Und selbst, wenn wir irgendwann uns ziemlich entfremdet von ihnen fühlen, kommen wir damit ganz gut zu recht. Unsere Väter sind vielleicht Orientierungshilfen für das, was wir in unseren Partner haben oder vermeiden möchten. Doch sie sind selten die Personen, mit denen wir uns intensiv auseinandersetzen müssen, denen wir etwas zu beweisen oder recht zu machen haben. Dafür sind meistens unsere Mütter zuständig. Bei euch ist das anders. Zu euren Müttern pflegt ihr eher eine lockere, innige oder schlimmstenfalls Söhnchenbeziehung; mit euren Vätern geht es dagegen verwurstelt bis kombatativ zu. Irgendetwas ist immer schief: Einerseits berichtet ihr uns entnervt von dem spießig-entfremdeten Knochen, der euch gezeugt hat. Andererseits entpuppt ihr euch bei einem Treffen als sein kleiner Klon. Entweder ihr stellt sie auf den Vorbildpodest und freut euch trotzdem wie ein Schnitzel, wenn ihr mal nicht auf ihren Rat gehört habt. Oder ihr proklamiert in regelmäßigen Abständen zu genau dem, was ihr niemals werden wollt – und ruft sie dann trotzdem als erstes an, wenn ihr die Führerscheinprüfung bestanden habt. Keine Ahnung, ob das alles nur für Scheidungssöhne gilt, es gibt uns jedenfalls ein Rätsel auf: Wie genau, liebe Jungs, steht ihr zu euren Vätern? Die Jungsantwort steht auf der nächsten Seite!


Die Jungsantwort

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Das kann ich nun nicht geschlechtsallgemein beantworten. Ich kann nur von meinem und dem Verhältnis meiner engsten Freunde zu ihrem Vater sprechen, zumindest von denen, die so etwas haben, so bewusst, dass sie auch drüber reden. Denn das ist das erste, was ich denken muss: Nichtkommunikation, Wortarmut, Stille, zwischen Vater und Sohn. Ich kenne einige, bei denen der Vater nach einem Leben voller Büro und Bausparen gleich vom Herzkasper oder vom Krebs gefällt wurde. Und wo die Söhne bis dahin kein einziges richtiges Gespräch mit ihm hatten. Das ist sehr schwierig. Und ziemlich normal. Unsere Väter sind Arbeitstiere, so haben wir sie kennen gelernt, sie trugen alles und als letztes uns noch auf den Schultern, damit wir die Welt gut sehen konnten. Sie kamen abends nach Hause, in der Stunde nachdem wir uns mit Mama ausführlich gezofft hatten und trösteten beide, Frau und Kind. Oder aber sie bekamen cholerische Anfälle und verließen irgendwann beide, Frau und Kind. Väter haben wenige Zwischentöne, sie treffen ihre Entscheidungen alleine oder in der Kneipe, jedenfalls nicht am Küchentisch, das macht es schwierig sie zu begreifen. Wochenends gab es die Väter. Sie fuhren uns an Plätze, an die wir wollten, sie kauften uns die besseren Sachen als Mama unter der Woche, Fahrräder und Computer, bauten unsere Kinderzimmer zu Jugendzimmer um und vergruben das tote Kaninchen. Das war sehr schön, aber all das geschah ohne große Worte, ja man musste als Sohn oft nicht mal bitte sagen. Da war viel Opferbereitschaft bei den Vätern, mit der sie alles was nötig war taten und unsere Dankbarkeit dafür oft genug auf Mama umlenkten „Sag deiner Mama danke. Male ihr das Bild. Mama wird sich freuen, zeig ihr was du kannst.“ Mama performte das Familienglück auf der Bühne, Papa arbeitete backstage daran und schlief eben abends, wenn „Wetten dass“ doch gerade am spannendsten war und die Knabbermischung noch voll, unbemerkt auf dem Sofa ein. Und irgendwann wachte er da auf und war ein alter Mann und wir erschraken und waren gerade alt und roh genug, um zu denken (oder zu sagen): alter Mann, laß mich in Ruhe. Und der Vater nickte, verstand und sagte fortan nichts mehr, was über Versicherungsratschläge und Heimwerkertipps hinausging. Wenn es blöd läuft, ist es das gewesen, zwischen Vater und Sohn. Es läuft ziemlich oft blöd, dann was nie da war, vermisst man als Sohn und als Vater schlecht. Und was man nie gelernt hat, selbst wenn es so etwas Einfaches wie in-den-Arm-nehmen ist, lernen zwei Jungs mit ähnlichen Erbanlagen nur noch sehr schwer. Es muss aber anders laufen, es muss irgendwann nach dem ganzen Adoleszenz-Chaos einen Punkt geben, an dem Vater und Sohn sich zusammenreißen, den Mund aufmachen und reden, richtig und echt. Manchmal passiert das wohl am Grab der Mutter, manchmal und öfter passiert es irgendwo, wo der Vater jetzt wohnt aber die restliche Familie nicht und manchmal passiert es einfach und tatsächlich so auf einer Autofahrt zur Hochzeit der Cousine. Und man lernt als erwachsener Sohn dann einen Mann und Menschen kennen, den man bisher immer nur im (Clowns)-Kostüm sah. Das schafft noch lange keine neue Liebe oder Innigkeit, aber es beruhigt und tröstet irgendwann sehr. Ich weiß nicht. Es ist uns leichter zu sagen: wir lieben unser Mutter und es ist kantiger und schwerer zu sagen: wir lieben unseren Vater. Gleichzeitig werden wir so wie er, ein bisschen mehr jeden Tag. Kriegen seine Glatze, seine Krankheiten, sein Durchsetzungsvermögen. Wir wissen eigentlich, dass wir ziemlich genauso werden würden wie er, wenn wir jetzt nicht ganz vehement dagegen steuern und Entfernung schaffen, zwischen ihm und uns. Das erschwert alles. max-scharnigg

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