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Jungs, wie wollt ihr eigentlich älter werden?

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Wenn ich mir vorstelle, wie ich mal mein Leben leben möchte, nachdem ich die dreißig, vierzig, fünfzig hinter mich gebracht habe, wird mir immer ein bisschen schummerig zumute. Denn alt werden ist ja nicht einfach, auch wenn es normalerweise von selbst funktioniert. Wie man aber bei diesem natürlichen Prozess cool bleibt und nicht zu so einer vertrockneten Neurosen-Schachtel wird, das weiß man eben nicht automatisch und deshalb braucht man ein paar gute Vorbilder, an denen man sich orientieren kann. Und das ist gar nicht so einfach – jedenfalls für uns. So viele Modelle des korrekten Älterwerdens sieht man in der Öffentlichkeit nämlich nicht. Man hat die Wahl zwischen Schauspielerinnen, die immer gleich schön bleiben, und einem Hass auf die eigene Haut und Fettverbrennung machen. Es gibt die Mutter, die das Älter-sein zwar verhältnismäßig gut auf die Reihe kriegt, aber man will ja nicht gleich das totale Abziehbild seiner Vorfahren werden.Zu einer hirnverbrannten Fitness-Neurotikerin wie Madonna wollen wir ebenfalls nicht mutieren und Dasein als Charity-Lady fällt ebenfalls aus. Wir wünschen uns, cool zu bleiben, keine tüttelige Alte zu werden, aber auch nicht aus Versehen diese hängengebliebenen Jung-Alte zu werden, die es in jedem Club gibt und die uns sol leid tut, weil sie sich auch kurz vor dem Klimakterium noch in enge Fetzen zwängen muss und so offensiv sexy agiert, dass man vor lauter Peinlichkeit wegschauen muss. Wir wollen uns „dem Alter entsprechend“ dabei aber individuell und gut anziehen. Wir wollen nicht zum Muttertier mutieren und auch nicht zur komischen Katzen-Frau, die mit sich selbst spricht und sehr viel weint. Du siehst: wir wissen ziemlich genau, wie wir nicht werden wollen, aber mit positiven Rollenvorbildern können wir nicht wirklich dienen. Ich persönlich wäre gerne so lässig wie Katherine Hepburn, hätte gerne ddas Gesicht und die Ehe von Senta Berger, die Gelassenheit der Bäckersfrau nebenan und die Beine von Sophia Loren. Und ihr so? Im Gegensatz zu uns habt ihr ja in der Öffentlichkeit einige okaye Vorbilder. Den coolen Dandy George Clooney, den Nasen-Meister Ulrich Wickert, das Raucherbein Helmut Schmidt. Habt ihr mal wieder einfach Glück oder ist es bei euch in Wahrheit auch ganz schön kompliziert? Und wer wollt ihr nie, nie werden? Auf der nächsten Seite kannst du die Jungs-Antwort lesen


Die Jungsantwort

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Das ist vermutlich eine gute Frage, auch wenn ich noch nie aktiv darüber drüber nachgedacht habe. Passiv ertappt man sich ja heute schon bei dem Gedanken: „Huch, jetzt habe ich diesem Mercedes-Kombi nachgeschaut, ich werde echt ein alter Mann!“ Und trainiert sich panisch gleich die Mini-Wampe wieder ab, aus Angst, das ganze Bierbauch-Ding könnte jetzt schon losgehen. Ein bisschen später, so ab Endzwanzig, durchläuft man noch in Intervallen ein paar Juvenilisierungs-Programme, nach denen man die neuesten Bands und Clubs kennt und um eine Vespa, ein paar bunte Shirts, vielleicht auch neue Freundin und neue Geisteshaltung („Ich will noch mal Vollgas geben!“)reicher ist. Damit ist irgendwann so Mitte dreißig Schluss und das ist gut so, denn dann wird man Mann und bleibt das ziemlich lange. Die Gefahren die dabei dräuen sind nicht ganz so vielfältig wie bei euch, vor allem der körperliche Verfall ist uns entweder mehr egal oder in der Außenwahrnehmung breiter akzeptiert und eben auch etwas leichter zu dosieren. Graue Haare und ein markant faltiges Gesicht mindern einen Mann ja gar nicht unbedingt herab, wir fürchten uns nicht sehr davor. Auch hinter den Begriffen Küche und Kinder wittern wir, ganz unmodern, eher keine Gefängnisse für die Ewigkeit. Trotzdem ist mir auch ziemlich klar, was ich nicht werden möchte: So ein durchschnittlicher Mann, dem auf das C&A-Sakko geschrieben steht: Aufgegeben. Das ist nämlich so – wo Frauen immer wieder tapfer gegen das Alter eincremen, Body-shapen, schicke Kleider und Haarfarben kaufen, Quereinsteiger-Seminare und Therapeuten besuchen, geben Männer einfach ziemlich bald auf. Sie lassen Bauch und Zehenhaare wachsen, tragen Kleidung nur noch aus Gewohnheit und haben sich ihren ganzen Geisteshorizont so gemütlich eingerichtet, wie die Fahrersitze ihrer Firmenwagen. Die Spannkraft ist weg, der Job läuft irgendwie, für die Kinder ist man nur noch der alte Depp, die Frau, ach, die Frau ist eben auch da und die einzige Frage, die man noch hat ist: Kommt die Prostatakrebs-Diagnose noch bevor die Garage renoviert wird? So soll es nicht sein, gerade das mit der Spannkraft scheint mir wichtig, weil es auf Körper und Geist anwendbar ist: Geschmeidigkeit behalten! Nicht wie Vatern irgendwann täppisch herumstehen und uralte Witze dreschen, sondern wie Charles Schumann cool, nett und ein bisschen gefährlich alt werden, ohne je peinlich oder allzu durchschaubar zu sein. Wenn man erstmal so weit ist, kann man nämlich auch uralt werden, kann noch mit achtzig Präsident sein oder wenigstens ein würdiges Stammesoberhaupt für die Familie abgeben. So wie Loriot zum Beispiel: Gutes Lebenswerk ohne größere Ausfälle, rechtzeitig aufgehört, Haus am Starnberger See, immer stilvoll und würdig, dabei witzig und kein alter Spießer. Oder natürlich: John F. Kennedy (aber älter, bitte!) und Richard von Weizsäcker. Es muss aber auch gar nicht unbedingt der Nobelpreis sein. Es würde mir schon reichen, wenn nicht irgendwann so ein Standby-Betrieb einsetzt und der Bildschirm dunkel wird. Stattdessen: Wach sein, nicht verbittern, sein Leben mögen und manche Sachen akzeptieren. Vor allem das Alter. Und deswegen die Midlife-Crisis lieber im Kloster überwinden als auf Malle. fabian-fuchs

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