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Jungs, fühlt ihr euch durch Push-Ups und Shapewear verarscht?

Illustration: Katharina Bitzl

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Die Mädchenfrage:

Liebe Jungs,

wir Mädchen haben eine Superkraft, die ihr nicht habt. Wenn wir wollen, können wir bei unserem Körper ein bisschen tricksen. Wir können unsere Oberweite größer, unseren Bauch flacher, unseren Hintern runder und unsere Oberschenkel schlanker machen – und das in unter einer Minute. Ganz ohne Photoshop. Braucht nur wenige Handgriffe. Diese Superkraft verleihen uns Geheimwaffen aus der Unterwäscheabteilung: Push-up BH und Shapewear-Wäsche.

Auf diese Mode-Wunder-Schummelpackung greifen aber nicht nur wir Mädchen zurück, die keine Zeit oder Lust für und auf Zumba, Yoga und Kickboxen haben. Auch unsere Power-Pilates-Vorbilder wie Adele, Beyoncé, Serena Williams und Michelle Obama setzten diese Superkräfte ein. Weil ihre Jobs das beinhalten. Das Gut-aussehen-müssen und auch -wollen.

Ich möchte euch weiß Gott nicht unterstellen, dass ihr nur auf Frauen steht, die dem absoluten Idealbild entsprechen. Aber manchmal wollen wir doch auch so aussehen. Für ganz kurze Zeit. Um uns zu gefallen. Aber wohl auch manchmal, um euch zu gefallen.

Wir sind uns bewusst, dass wir dann eine Mogelpackung sind. Aber eben eine schöne Mogelpackung. Knifflig wird es jetzt in dem Moment, in dem ich mir vorstelle, dass ich beim ausziehen dieser brüste-liftenden und alles-wo-anders-hindrückenden Unterwäsche nicht alleine sein werde.

Ich würde mir als Kerl an eurer Stelle möglicherweise etwas veralbert vorkommen, wenn ich eine schöne, schlanke und vollbusige Frau angelächelt hätte, die dann gar nicht mehr so schlank und vollbusig ist, wenn ich sie so ganz ohne ihre Superkräfte sehe.

Und deshalb, Jungs, bitte sagt doch mal: Was denkt ihr? Pralles Dekolleté, flacher Bauch und knackiger Hintern trotz Körbchengröße A und Wohlstandsbäuchlein dank modischer Helfer – fühlt ihr euch da betrogen? Heiligt der Zweck die Mittel? Oder ist euch das am Ende alles total egal? 

Die Jungsantwort:

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Illustration: Katharina Bitzl

Liebe Mädchen,

 

lasst mich mit Shakespeare anfangen. Der ist hier – verglichen mit, nur zum Beispiel jetzt, dem Streiflicht – doch deutlich unterpräsent. Was ja schade ist, der Mann kann schließlich was. Und außerdem vermute ich, dass es Typen gibt, die sofort sagen würden: „Shapewear? Mogelpackung! Blendwerk! Betrug! Verboten!“ Und die will ich überzeugen, dass das großer Unsinn ist. Und da scheint mir Shakespeare gerade sehr gut zu passen. Genauer: „Ein Sommernachtstraum“.

 

Der Sommernachtstraum ist ein deutlich beschwingtes Stück des Engländers, deshalb gibt es unter anderem diesen Handlungsstrang: Die Elfenkönigin Titania bekommt einen Liebesnektar verabreicht, der dafür sorgt, dass sie sich in das erste Wesen verliebt, das sie beim Aufwachen nach tiefem Schlaf erblickt. Was – fast ahnt man es ja schon – der Handwerker Zettel ist, dessen Kopf man zuvor in den eines Esels verwandelt hat. Mit den Langohren und ois. Und es kommt also, wie es kommen muss: Erwachen, Nektarwirkung, Eselsohren und zack: „Die Königin liebt jetzt ein Menschenvieh“.

 

Und zwar ziemlich hemmungslos und ohne jede Einschränkung. Sie nimmt weder Ohren noch das große Maul überhaupt wahr. Oder verklärt beides zu etwas sehr Lieblichem. Und wenn ich dieses Bild jetzt richtig interpretiere, dann soll man daraus wohl lernen, dass die Liebe – wenn sie sich erst mal eingenistet hat und „Es ist, was es ist“ herumkrakeelt – auf diese ganz wunderbare Art blind macht, die keine Makel wie große, haarige Ohren kennt. Und also erst recht keine Körbchengrößen. Und ich glaube, dass das sogar für Menschen gilt, die irgendwann mal ernsthaft behauptet haben wollen, alles unter „ner üppigen C“ käme nicht infrage.

 

Viel heilige Mittel, wenig Betrug!

 

Und ich würde sagen, wenn etwas so Einfaches wie ein bisschen Gewebestütze zu so etwas Wunderbarem wie Liebe führen kann, dann sollte man das unbedingt tun. Team „Zweck heiligt die Mittel“ hier also.

 

So. Und jetzt wird, wer sich mit Barockkomödien besser auskennt als ich (ich musste das recherchieren), vermutlich einwenden, dass Zettel und Titania sich ja wieder trennen, als der Nektar seine Wirkung verliert, richtig?

 

Richtig. Genau genommen geht sie zurück zu ihrem Königinnen-Gatten, der das ganze Verwirrspiel übrigens sogar initiiert hat.

 

Aber auch das will mir nicht richtig schlimm erscheinen. Im Gegenteil. Weil: Wenn jetzt jemand tatsächlich wegen Größe A statt B, oder wegen Bäuchlein statt Brett flüchtet, dann ist das doch auch eine recht brauchbare Erkenntnis zum richtigen Zeitpunkt: Man hatte, hoffentlich, Spaß miteinander (dass Menschen wegen Shapewear das bereits angewärmte Schlafgemach vorzeitig verlassen, erscheint mir wenigstens unwahrscheinlich). Und braucht dann ja aber auch nicht unbedingt weiteren Kontakt, oder? Wollen wenigstens mir nicht sonderlich sympathisch erscheinen, solche Männer (oder natürlich Frauen), die wegen ein bisschen kaschiertem Fett das Interesse verlieren.

 

Will alles sagen: kaum Betrug, viel heilige Mittel – und damit wohl sogar eher zu begrüßen als nur egal. Ach so, kleines Geheimnis noch zum Schluss: Wir haben auch Superkräfte, müssen uns für die aber kein Kostüm anziehen. Wir können Clark Kent oder Peter Parker bleiben – und einfach den Bauch ein bisschen einziehen.

 

Eure Jungs

 

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