Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Mädchen, habt ihr ständig Angst, dass man euch unter den Rock schaut?

Teile diesen Beitrag mit Anderen:



Ich weiß nicht, geht es euch auch so? Für uns jedenfalls ist der Sommer eine Zeit der Reizüberflutung, noch eher: Der Frühsommer. Wenn man sich erstmal wieder an all die dünnen Kleidchen, die nackten Schultern und Beine gewöhnt hat, geht's schon wieder, aber die ersten warmen Wochen irritiert uns die viele Nacktheit im Straßenbild schon ein bisschen.

Denn wir Jungs sind ja seit den ersten zarten Pupertätsausläufern auf eure nackten Stellen gepolt, wir können zumindest im ersten Reflex nicht anders als Hinsehen, wenn eine beim Pulloverausziehen ein Stücken nackter Flanke zeigt, wenn ein abtauchender U-Boot-Ausschnitt eine Schulter freilegt oder eben Beine, Schenkel, Füße, Bikinioberteile – was immer ihr gewollt oder ungewollt herzeigt, wir gucken erstmal hin, wir müssen, eine Viertelsekunde zumindest, es ist harmlos, aber es ist in uns.

Also: Wir sind sehr aufmerksam in diesen Dingen, aber trotzdem gibt in meiner Erinnerung kein Dutzend Situationen, in denen ich tatsächlich unter einen Rock geblickt hätte, also zufällig und aus Versehen, Tennisspielerinnen ausgenommen. Das macht gar nichts, es wundert mich nur, da die Zahl der in dieser Zeit an mir vorbeiradelnden, spazierenden, hockenden Röcke, Miniröcke, Kassettenkleider, kleiner Schwarzer etc. doch in die Millionen gehen dürfte und schon statistisch die ein oder andere Unachtsamkeit hätte vorfallen müssen. Nun warte ich keineswegs am Fußende der Spanischen Treppe oder lauere unter gläsernen Wendeltreppen aber trotzdem denke ich mir – der blitzende Slip, wie man ihn jeden Tag auf den Celebrity Blogs findet, der kommt doch im echten Leben erstaunlich selten vor, oder?

Jetzt die Frage: Ist das so eine Dauerangst von euch, dass man euch unter den Rock sehen kann und passt ihr deswegen bei jeder Bewegung krampfhaft darauf auf? Ist Rock tragen also ein anstrengende Vermeidungsarbeit und jeder Sessel, jeder Fahrradsattel, jede Bierbank eine komplizierte Sache? Denkt ihr jede Minute daran, das beim nächsten Windstoß oder bei einem zu großen Schritt alles Mögliche entblößt wird? Ist das Leben mit Rock und Sommerkleid eine einzige Flucht vor den Blicken der Männer?


fabian-fuchs



Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Ihr müsst bedenken, dass wir dieses etwas umständliche Körpergefühl mit Rock und Kleid trainieren, seit wir ungefähr sieben Jahre alt sind. Wir kennen die Moves, die mit Rock überhaupt nicht gehen, wir kennen die Moves, die gut gehen und wir haben uns im Laufe der Zeit sogar Special-Moves angeeignet, die NUR mit Rock gehen. Von einer „Dauerangst" kann also keine Rede sein. Euch als rockfremdes Geschlecht mag die ganze Angelegenheit heikel vorkommen, aber: Wir haben das im Griff.

Nichts desto trotz hast du natürlich Recht: Mit einer handfesten Jeans läuft es sich sorgloser durch den Tag als im Flatterkleidchen. Darin müssen wir unseren Gang bändigen, immer mal wieder rechts und links zupfen und uns in einer merkwürdig verknoteten Zeitlupenbewegung aufs Rad setzen. Eitel wie wir sind, macht uns das an einigen Tagen nichts aus. An anderen Tagen wiederum nervt die nötige Vorsicht ziemlich. Dummerweise fällt uns das meistens erst auf, wenn es schon zu spät ist: Auf dem Rad merken wir plötzlich, dass der Rock nicht nur beim Auftsteigen, sondern auch in der gewohnten Fahrposition unhaltbar ist. Wir fragen uns dann: Stimmt irgendwas mit dem Sattel nicht? Ging das nicht im letzten Jahr auch irgendwie? Der Typ an der Bushaltestelle glotzt gierig Richtung unser Untenrum, der Kerl an der Ampel auch – das war gestern mit Jeans noch anders.

Der Punkt ist: Wir müssen uns an dieser Stelle entscheiden. Entweder wir steigen ab und schieben. Oder wir radeln in einer extrem ungemütlichen Position, die keine Verwehungen mehr zulässt, weiter. Das Naheliegendste aber ist, finde ich, (und damit sicher auch eine Menge anderer Frauen, die nicht gerade die Ruhe und die Achtsamkeit in Person sind) darauf zu scheißen. Im Grunde ist es uns nämlich aufrichtig egal (und wenn nicht, reden wir uns das eben ein), ob irgendein Hans und Franz, den wir wohl in unserem Leben nicht mehr wieder sehen werden, zwei Sekunden lang die Farbe unserer Unterhose erahnen durfte.

Ohne diese Einstellung wäre ein angenehmes Kleidermädchendasein nahezu unmöglich. Man denke an jene Nächte, in denen wir im Sommersturm nach Hause radeln müssen und der Rock uns im nassen Gegenwind über dem Bauchnabel klebt. Oder wenn wir vor weißweingetriebener Abenteuerlust unbedingt noch über diesen viel zu hohen Freibadzaun klettern müssen. Dann bleibt uns nichts anderes übrig, als so etwas zu denken wie: Ach, das bisschen Unterhose! Das ist doch in Wahrheit so viel weniger intim als Bikinischneidersitz im Park!

Und die Tatsache, dass dir gefühlt sowieso nie ein Blitzer begegnet, bestätigt uns darin, dass ein wenig Nachlässigkeit schon in Ordnung geht. Sie scheint dem aufmerksamen Jungsauge ja nicht einmal weiter aufzufallen. Was übrigens, um noch mal auf dein Celebrity-Blog Beispiel einzugehen, sicherlich anders wäre, wenn mein Leben das eines Hollywood-Sternchens wäre. Dann fände ich es kein Wunder, wenn Dutzende Unterhosenfotos von mir kursierten. Aber zum Glück scharen sich um mich ja keine Paparazzi, die jedes Missgeschick dokumentieren.

mercedes-lauenstein

Text: fabian-fuchs - Cover: prokop / photocase.com

  • teilen
  • schließen