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Mädchenfrage: Jungs, haben wir euch abgehängt?

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Die Mädchenfrage zum Anhören wird präsentiert von Süddeutsche Zeitung Audio - - dort gibt es auch weitere Fragen zum Anhören! Also Jungs, wie sollen wir das sagen. Erstmal die gute Nachricht: Wir haben euch gern. Doch da ist etwas, das uns in sentimentalen Stunden bedrückt. Weil wir als gute Mädchen so unheimlich emotional, verständnisvoll und einfühlsam sind, denken wir manchmal darüber nach, ob wir uns um euch eigentlich Sorgen machen müssen, dass wir gar ein schlechtes Gewissen haben sollten. Denn seit einigen Jahren lesen wir in schöner Regelmäßigkeit von armen kleinen Jungs, die in der Schule nicht mehr mitkommen, weil wir Mädchen so fleißig, schlau und sozial kompetent sind. Wir hören, dass ihr viel öfter auf der Hauptschule Probleme habt, während wir scharenweise ans Gymnasium strömen und das Abitur astrein ablegen. Auch an der Uni sieht man uns, von Maschinenbau-Vorlesungen mal abgesehen, öfter als euch. Noch vor zwanzig Jahren schrieb die Zeitschrift „Emma“: „Wenn wir wollen, dass es unsere Töchter einmal leichter haben, müssen wir es unseren Söhnen schwerer machen.“ Heute dagegen sprechen besorgt dreinschauende Erziehungwissenschaflter davon, dass unter dem Druck weiblicher Emanzipation, der männliche Nachwuchs vergessen worden sei. Ursula von der Leyen fordert mehr männliche Vorbilder für euch, weil die Grundschullehrerinnen offenbar uns brave Mädchen immer bevorzugen und erst kürzlich belegte wieder eine Studie euer dramatisch schlechtes Abschneiden in der Schule. Dazu kommt: Niemand hat mehr Bock auf Machos. Was einst als männlich galt, ist heute als primitiv verpönt, mit euren dicken Schlitten könnt ihr uns seit dem Einsetzen des Klimawandels auch nicht mehr beeindrucken und nun lassen wir euch auch noch unsere Babys windeln. Dass seit einigen Jahren selbst unsere Fußballerinnen euch abgehängt haben, will ich euch nun nicht auch noch unter die Nase reiben. Ach ja und ihr wisst schon: die Kanzlerin! Nun sagt mal Jungs: wurmt euch das alles eigentlich gar nicht? Haben wir euch tatsächlich abgehängt, unterdrückt, an die Lehrer verpetzt? Hätten wir euch häufiger mitspielen lassen oder euch bei den Hausaufgaben helfen sollen? Blenden wir mal kurz aus, dass ihr Faulsäcke am Ende trotzdem mehr verdient und häufiger Chef-Visitenkarten verteilt als wir und bilden uns ein, der Weg sei das Ziel: Fühlt ihr euch da unterwegs eigentlich benachteiligt? Und wenn ja: sind wir da irgendwie dran Schuld? Auf der nächsten Seite die Antwort der Jungs.

Die Mädchenfrage zum Anhören wird präsentiert von Süddeutsche Zeitung Audio Die Jungsantwort: Wir könnten es uns jetzt einfach machen und mit einem kleinen, aber starken Wort „Nein“ antworten. Denn es ist nicht so, dass wir uns benachteiligt fühlen. Wir sitzen nicht in den Hauptschulen, prügeln uns nur im Notfall und kriegen (manchmal abschreibend) auch irgendwie den Schulabschluss hin. Insofern sind wir in Sachen Benachteiligung keine guten Ansprechpartner. Allerdings sitzen wir gerade auch nicht in Chefetagen, verteilen keine Visitenkarten und verdienen auch nicht mehr als Ihr. Also auch in Sachen männlicher Dominanz müsst Ihr Euch bitte andere Feindbilder suchen. Und damit wären wir mitten drin in unserem Benachteiligungs-Dominanz-Dilemma: Wir sitzen zwischen allen Stühlen. Vor uns sehen wir, wie die Generation der Besserverdiener-Jungs ein Rollenbild von gestern bis zum letzten auspresst. Hinter uns wächst eine Generation von benachteiligten Bildungsversagern heran, denen mittelschlaue Magazine den Stempel „das neue schwache Geschlecht“ aufdrücken. Dazwischen versuchen wir jetzt also, ein halbwegs anständiges Bild abzugeben. Wobei anständig ein Hilfswort für gleichberechtigt, kollegial oder gemeinschaftlich sein soll. Damit das funktioniert, müssen aber zwei Voraussetzungen erfüllt werden, von denen zumindest eine auch Euch fordert: Wir brauchen einerseits Rollenvorbilder und andererseits funktioniert Gleichberechtigung nur, wenn sie von beiden Seiten gewünscht ist. Wir brauchen also auch Mädchen, die sich nicht ständig auf das Besserverdiener-Feindbild oder das Bildungsversager-Image beziehen, sondern uns sehen: die Generation dazwischen. Diese Generation wird Euch nur dann gleichberechtigter Partner sein, wenn Ihr erkennt, dass sie vor einem großen Problem steht: Wir haben kaum Vorbilder, die vorgelebt haben, was ein modernes Männerbild heute ausmacht. Das ist unschön, aber kein Problem für uns. Mit modernen Mädchen an unserer Seite können wir uns selbst das beste Vorbild sein. stefan-winter

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