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Die Mädchenfrage

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Letztens saß ich mit einer guten Freundin und zahlreichen Gläsern Wein beisammen. Wie es sich bei solchen Anlässen ergibt, kam das Gespräch irgendwann auf unsere aktuellen Verknallten. Nachdem wir deren charakterliche und geistige Vorzüge ausführlich einander vorgelobt hatten, gingen wir zu den körperlichen Genusszuständen über, in die sie uns jeweils versetzen. Irgendwann nahm meine Freundin einen tiefen Schluck, sah mich ernst an und erzählte etwas, das mich zutiefst irritierte. Vor kurzem hatte ihr Freund in medias res eine Vollbremsung hingelegt. Auf ihre Verwirrung hin hatte er sie liebevoll angesehen und diesen Satz gesprochen: „Ich brauche das heute nicht.“ Wie bitte? Der Jungsorgasmus ist doch kein Schokopudding, nachdem man auch mal keinen Bedarf haben kann. Sondern ein Paradigma des heterosexuellen Miteinanderschlafens. Der Junge kommt eigentlich immer, es sei denn er leidet unter argem psychischem Stress oder vielleicht einer Matratzensportverletzung. Bei uns ist das anders, aber schlimm finden wir das gar nicht. Denn wir wissen, dass bei uns ein paar mehr Prozesse statt finden müssen, damit wir in absolute Verzückung geraten. Umso nervöser macht es uns, wenn beim Sex für euch nichts heraus kommt. Denn nach allem, was wir gelesen haben, ist die Erleichterung eures sexuellen Dranges doch integraler Bestandteil eures Lebens. Und nach allem, was wir wissen, ist sie auch nicht schwer zu erreichen. Wenn das mit uns plötzlich nicht stattfindet, haben wir – bei allem Selbstbewusstsein und trotz Emanzipation – das Gefühl, irgendetwas falsch gemacht zu haben. Liegen wir mit solchen erotischen Minderwertigkeitskomplexen richtig? charlotte-schneider Die Jungsantwort

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Ach, manchmal denke ich, wir haben die Frauenzeitschriften wirklich aufmerksamer gelesen als ihr. Da sollen wir also euren komischen Orgasmus akzeptieren, bei dem man nie weiß, woran man ist. Bei dem man mal hier streicheln, da reinzwicken, da draufpfeifen, dort rektal nachhelfen soll und der dann doch nicht klappt wg. Störung im Äther. Und ihr duldet im Gegenzug bei unserem (wirklich einfachen) Orgasmus nicht, wenn er einmal nicht nach Schema A funktioniert? Weil wir Wichsmaschinen sind, und ihr die Erfahrung gemacht habt, dass es bei uns für gewöhnlich reicht, diverse Stellchen zugänglich zu machen und dann noch ein paar Minuten lang nicht zu verkrampfen? Ein bisschen gemein ist das schon. Es ist aber auch okay, wir sind ja auch wirklich simpel, wenn uns Blut im Gehirn fehlt. Aber es gefällt uns nicht, wenn wir schon mit so einem mitleidigen „Du kommst ja immer, ob’s stürmt oder schneit“-Lächeln ins Bett gewunken werden. Ihr sollt das nicht für selbstverständlich halten. Das endet nämlich irgendwann in einem ganz bösen „Was willst du denn, du hattest doch immer deinen Spaß!“. Vielleicht haben wir gerade Angst vor diesem Satz, wenn wir es einmal nicht so enden lassen, wie in allen anderen Fällen. Vielleicht ist es unser unbeholfener Versuch zu signalisieren: „Hey, es ist auch für mich okay, jetzt einfach nur noch mit dir hier zu liegen. Es genügt mir genauso, wie es dir genügen muss, wenn du keinen Orgasmus hast.“ Oder vielleicht ist es auch nur eine technische Liebeserklärung: „Ich habe dich so lieb, ich möchte dich heute einfach mal nicht vollsauen.“ Auch Jungs denken eben bisweilen liebesmäßig um drei Ecken. Es gäbe also schon ein paar Gründe für einen Abbruch und der seltenste ist bestimmt, dass ihr etwas falsch macht. So kompliziert ist das bei uns, wie ja mehrmals festgestellt, nicht. Unser Orgasmus ist wirklich toll, er funktioniert beim Sex wie der Pausengong in der Schule: alles wartet irgendwie darauf, es gongt schön deutlich und jeder weiß, jetzt ist die Stunde zu Ende. Allerdings, liebe Mädchen: Am meisten hat man den Gong immer ersehnt, wenn die Stunde ganz schrecklich war. Wenn es spannend war, hat man ihn beinahe vergessen.

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