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Wie kommt ihr mit eurem Geschlechtsteil klar, Jungs?

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Die Mädchenfrage: Eigentlich mindestens so faszinierend wie euren Charakter, Jungs, finden wir ja das, was südlich davon angesiedelt ist. Also, ihr wisst schon, euren Penis. Zum einen mögen wir den ja sehr, weil ihr mit ihm so lustige Tricks veranstalten könnt und uns schöne Gefühle bereitet. Zum anderen beneiden wir euch aber auch um das Verhältnis, das ihr zu ihm pflegt. Ihr scheint ihn und die Rolle, die er in eurem Leben spielt, sehr selbstverständlich und problemfrei zu finden. Bei uns ist das irgendwie anders. Charlotte Roche sagt es im Interview mit jetzt.de auf der Zeitungsseite am Montag: Frauen haben keine Sprache für ihren Unterleib. Alles, was mit ihm zusammen hängt ist irgendwie kompliziert und nicht ganz endgültig zu ergründen. Männer dagegen hätten, so sagt Charlotte Roche, tausend verschiedene Kosewörter, und wissen außerdem ganz genau, zu welcher Phantasie sie sich einen runterholen. Uns kommt das auch oft so vor: Ihr scheint sportlicher mit eurem Sexualorgan umzugehen als wir mit unserem. Ihr packt ihn ganz froh und frei an und geht mit ihm um wie mit einem guten Kumpel, statt wie mit einer Problemzone. Klar, dass ihr euch mit eurem Penis tiefgehend auseinandersetzt. Er ist ja, im Gegensatz zur Vagina, eben rein anatomisch schon relativ unvermeidbar. Kein Wunder, dass ihr ein toprelaxtes Verhältnis zu eurem Pimmel habt. Ist doch so, oder?


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Die Jungsantwort: Da möchte ich erst ein kleines bisschen ärgerlich sein dürfen: Es ist eine blöde Mär, dass wir, kaum vom Klettergerüst gestiegen, unserem Penis Kosenamen geben und ihn fortan damit rufen. So ein Unsinn. Jungs denken sich für überhaupt nichts Kosenamen aus. Wie kommt Frl. Roche bloß darauf, hat sie vielleicht zu viele Didi-Hallervorden-Sketche gesehen? Oder kennt sie nur Männer, die mit ihren Bierdosenkumpels „Das kleine Arschloch“ auf Plasma-TV angucken? Wohl nicht. Also, das halten wir fest: Unser Geschlechtsteil, so primär es auch sein mag, ist vor allem erst mal ein Norm-Körperteil ohne Rufnamen. Damit sind wir mitten im Thema. Denn wenn man alles Gender-Rauschen drumherum abzieht und versucht, ganz ruhig darüber nachzudenken, was bei uns zwischen Kopf und Unterleib anders sein könnte als bei euch, dann fällt mir nur „mehr Banalität“ ein. Der Penis an sich hat es geschafft, viel banaler zu bleiben. Ein Vergleich Vagina – Penis kommt mir heute vor wie ein Vergleich Madonna – Spülbürste. Was ich meine: Kein Mensch erwartet von einem Penis besonders viel. Er ist nicht sehr störanfällig, leicht in Ordnung zu halten und hat ein klar umrissenes Aufgabenfeld, zu dem nicht gehört, aufwändig hergerichtet, politisches Statement oder irgendwie toll zu sein. Er ist da, wenn man ihn braucht, genau wie der Darmtrakt oder der rechte Arm. Und außerhalb seiner Aufgabengebiete denkt doch ehrlich gesagt kein Mensch an ihn. Zumindest in unserer Gesellschaft, in der das Umtanzen von geschnitzten Phallus-Symbolen nicht mehr so en vogue ist. Wenn im SZ-Magazin ein Stückchen von Rainer Langhans’ Penis zu sehen ist, sind die Reaktionen überaus banal - die meisten Betrachter sagen oder denken müde: "Ach Gott, braucht’s das wirklich?" So ziemlich das Gleiche würden sie auch denken, wenn Langhans 30 Jahre jünger wäre. Es ist, als müsste man sich über Steine unterhalten, nur weil überall welche rumliegen. Sähe man stattdessen das weibliche Pendant, gleich ginge ein weites Feld der Reaktionen auf: von Sexismus-Vorwurf auf der einen bis zu körperlicher Erregung auf der anderen Seite - lauter große Themen. Ein kleiner Pimmel vermag das nicht. Ja, ich weiß, dass ihr euch dieses Schwergewicht nicht selber in den Schoß gelegt habt. Persönlich schlägt sich das Banale im Wesen des Penis natürlich in einem Nicht-Druck auf seinen Träger wieder - allerdings nicht in einer, wie du sagst, tiefgehenderen Beziehung. Gesundheit vorausgesetzt, muss man damit nicht zum Arzt rennen, nicht darüber mit seinen Eltern reden (was denn?), ihn nicht mal unbedingt zum Pinkeln anfassen und ja, Masturbieren ist damit wirklich so einfach wie sich die Nase zu putzen. Bis Prostata oder Potenz versagen, sind wir tatsächlich nicht gezwungen, uns damit zu beschäftigen. Und ich glaube der Kern eurer Frage ist eigentlich der Vorwurf, dass es bei euch nicht ganz so einfach ablaufen kann. Wenn ihr so wollt, haben wir wirklich das bessere Tool abbekommen. Auch wenn es, finde ich, viel unpraktischer designt und eingebaut ist. Jetzt aber kann ich den Pimmelspieß auch umdrehen und sagen: Das wirkt nur so simpel, weil wir vielleicht noch gar nichts wissen. Weil die moderne Gesellschaft sich gleich zwischen Klitoris und G-Punkt verzettelt hat und wir noch gar nicht an der Reihe waren. Weil alle Welt annimmt, dass es bei uns außer Anschwellen und Abspritzen nichts zu holen gibt. Keiner denkt sich für uns trickreich verbogene Orgasmushilfen aus. Keiner ermutigt uns in immer wiederkehrenden Publikationen neue Formen der Befriedigungen auszuprobieren. Keiner versichert uns, dass alles okay ist, wenn mal nichts geht. Keiner meiner Kumpel könnte, konfrontiert mit Fragen nach „Hinauszögern?“, „Beschneiden?“, „Wie oft ist normal?“, „schöne Unterwäsche?“ souverän umgehen oder gar auf ein Buch im Regal verweisen. Das ist, wenn ihr so wollt, eine noch viel größere Tabu-Landschaft als bei euch. Weil sie nicht mal vernünftig und öffentlich kartographiert ist, sondern sich immer noch viel zu oft an dem entlang hangelt, was Stammtisch- und Macho-Kultur definiert haben, was unsere Väter von ihren Vätern fraglos übernommen haben. Und wo euch nur mal das richtige Wort für euer Geschlechtsteil fehlt, fehlt uns gleich ein Wort für die ganze Thematik. fabian-fuchs

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