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Wie sehr schmerzt Haarausfall?

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Die Mädchenfrage:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Nach ewiger Zeit sah ich den - sozusagen Ex-Vorabendserienschwarm - Ralf Bauer letztens mal wieder im Fernsehen. Da war er ganz auf Sunnyboy gemacht, wie zu alten Windsurfzeiten. Bis jedoch tatsächlich eine Windböe kam und unter der Frisur lichte Stellen hervorzauberte. Schon das für mich ein Schock, während Ralf weiter in die Kamera lächelte .

Nun ist es ja nicht so, dass wir euch mit weniger Haar gleich weniger lieben würden. Allerdings ist uns unsere eigene Mähne absolut heilig. Die wird frisiert, gefärbt, mit Spangen versetzt. Wir kaufen Volumenshampoos und essen Kieselerde, damit sie noch voller und glänzender aussieht. Zudem bleibt sie ein unverzichtbares Flirtinstrument. Haarausfall, stelle ich mir vor, ist nicht nur für Mädchen ein Albtraum. Weich, kräftig und zum Rumwühlen sollten Haare sein - auf immer mehr und immer jüngeren Männerhäuptern dagegen: Leere. Kleine Kreise am Hinterkopf, hohe Kanten vorne oder ganz unmotivierter Kahlschlag querbeet. Etwas traurig sieht es dann aus, wenn mühevoll einzelne Strähnen nach vorne gearbeitet werden oder es wird mit den langen Haaren von rechts die Glatze links zugekämmt. Jungs, die so kämmen, hauen doch auch monatlich 100 Euro für Haarwuchsmittel auf den Kopf und maulen „Ich will nicht drüber reden“ oder weigern sich beharrlich beim Näher-Kennenlernen endlich mal das Käppi abzusetzen. Bei anderen wiederum, alles kein Problem. Zack, werden die Haare raspelkurz geschoren. Das kann auch ganz sexy sein, sagt ihr dann, wir meistens auch. Und ihr macht sogar Witze: „Nein, die fallen nicht aus, die wandern nur weiter.“ Man würde meinen, das sei Galgenhumor. Aber es gibt sie, die Fraktion im meinem Freundeskreis, die standhaft behauptet, ganz normal, so sei der Lauf der Dinge. Man gewöhne sich dran und das war schon bei Opa so. So recht kann ich das nicht glauben: Erwächst da kein unermesslicher Neid und Schmerz angesichts der vollen Locken des besten Freundes? Also echt, wie haltet ihr das bloß aus? petra-baeumer Die Jungsantwort:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Ich befinde mich in der glücklichen Lage, dass meine Haare - wie mir von einigen von euch immer wieder versichert wird - „strohig“ sind. Also kräftig, widerborstig, und weitgehend gegen Schicksalswindstöße gewappnet, die dünnhaarigen Männern ihre Kopfbedeckung büschelweise vom Schädel fegen. Allerdings fühle ich selbst schon ein ungutes Kribbeln auf meiner Kopfhaut, wenn ich kreisrunde Warnhinweise an Hinterköpfen aufblitzen sehe.
Dabei sind Haare uns ja eigentlich egal. Wir tragen sie, weil sie zur Ausstattung gehören, und weil ihr es süß findet, wenn wir sie verwuscheln und damit wie liebenswürdige und „verplante Chaoten“ aussehen. Der Haarausfall räumt mit dieser Chance rücksichtslos auf. Ihr sollt ja nicht vorher um Erlaubnis fragen müssen, wenn ihr plötzlich mädchenhafte Streichellust mit Zupacken verspürt, und die an unserem Schopf auslassen wollt. Euer Besitzanspruch, die zärtliche Bestätigung greift dann aber ins Nichts. Diese Einschränkung macht uns, gerade in jungen Jahren, sehr wohl zu schaffen. Ein Freund von mir, auf dessen Kopfhaut die Bestände gerodet werden, sagte mal in einem Anflug von Galgenhumor, schlimmer als Haarausfall sei wohl nur noch die Impotenz. Und wenn ich sehe, wie eine Freundin von ein paar dunklen, gewundenen Männerhaaren in der Dusche gleich Herpes bekommt, mag ich mir nicht ausmalen, wie groß das Leid - auf beiden Seiten - erst bei stärkerem Haarverlust sein muss. Er verkörpert ein bleibendes Gefühl von körperlicher Unzulänglichkeit. Anders aber als schmächtige Oberarme oder einen Schmerbauchansatz kann man die nicht beiläufig unter passenden Kleidungsstücken verbergen. Schleichender Haarausfall steht für ein gewöhnliches Grundmerkmal männlichen Lebens, und als solches muss man es in der Regel nüchtern betrachten. Das bemühte Zurechtlegen der verbliebenen Strähnen oder Investitionen in teure Wundermittel sind nicht mehr als ungenügende Maßnahmen auf Zeit. Man sieht ihnen das verzweifelte Festhalten an der letzten Haarwurzel förmlich an, und fühlt sich nicht wirklich besser deswegen. Toupets oder künstliche Haaransätze ähneln in ihrer Art dem Push-Up-BH: Gaukeln lediglich Zufriedenheit vor, bis der nächste Windstoß kommt oder eine Hand an den Ösen des BH zu fummeln beginnt. Sie versprechen etwas, das sie nicht halten können. Wichtig ist allein die Gewissheit, dass eure Zuneigung unter dem Bürstendruck nicht wie die einst dichten Locken und Wirbel zerfällt. Dann gelingt es besser, sich den Tatsachen zu stellen. Deswegen tragen die meisten ihren Haarkranz noch lang nicht so majestätisch und filigran wie Zinedine Zidane spazieren. Aber der abgestufte Kahlschlag bleibt eine Alternative. Sieht ja, wie ihr sagt, manchmal ganz sexy aus.

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