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DJ Mooner: Horrorfilm in einer geilen Clubnacht in Rumänien

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Foto: Achim Graf Meinen schlimmsten DJ Abend erlebte ich vor einem Jahr in Rumänien: Mit meinen Kollegen DJ Kaput und Tom Wilson war ich für einen Gig in einen von Amerikanern geführten Club in Brasov gebucht worden. Erste Zweifel an deren Vertrauenswürdigkeit kamen uns bereits kurz hinter Bukarest: Die Schwester des Clubbetreibers rief an: Der Abend müsse eventuell wegen Diebstahls der DJ-Anlage abgesagt werden. Am Bahnhof von Brasov warteten wir dann vergeblich darauf, abgeholt zu werden – und nisteten uns erst einmal ziemlich verunsichert in einem Cafe ein. Dann meldet sich die Schwester wieder: Der Gig sei abgesagt, wir könnten aber in ihrer Wohnung ein paar Drinks zu uns nehmen und übernachten. In ihrer Wohnung übernachten? Hieß es nicht, ein Hotel sei für uns reserviert? Um wenigstens die Fahrtkosten zurück zu holen, fahren wir trotzdem hin. Als wir in die Wohnung in einer Plattenbausiedlung etwas ausserhalb der Stadt kommen, erwarten uns drei Männer in einer kaum möblierten Bude, eine Batterie hochprozentiger Drinks und MTV-Videos in Maximallautstärke. „Hi I am Adam“, lallt der Clubbesitzer. Und: Wir sollten uns keine Sorgen machen. Alles sei geregelt, es werde „eine geile Nacht werden, bis die Vögel zwitschern...“ Hat sich seine unter lautstarkem Krakeele dazukommende Schwester einfach nur geirrt? Ich bemerke die Einstiche in ihren Armkehlen – und nehme mir vor, ab sofort auf jede Kleinigkeit zu achten, um herauszufinden, wem wir überhaupt vertrauen können. Dann heißt es: Folgt uns ins Hotel. Das „Hotel“: Eine leerstehende Plattenbau-Wohnung, die aussieht, als wäre hier vor Jahren eine Omi gestorben. Zum Essen ins Restaurant nehmen wir sicherheitshalber all unsere Platten und Gepäckstücke mit. Man weiß ja nie... Auch im Club löst sich die Beklemmung nicht: Der „Club Zion“ liegt im obersten Stockwerk eines Mietshauses, im Aufzug treffen wir Leute, die Plattenspieler tragen. Oben angekommen, erklärt uns Adam, er müsse den Abend leider wegen fehlender Plattenspieler absagen „Aber wir haben die doch eben im Aufzug gesehen“ – „Oh Shit!“ Was auch immer das heißen mag: Offensichtlich haben wir als DJs all unsere Rechte an der Clubtür abgegeben. Denn nun versucht uns Adam zu überzeugen, nur bis halb zwei zu spielen, und dafür auf die halbe Gage zu verzichten. Wir sind fast erleichtert über diesen Vorschlag. Dann erwischen wir wenigstens den Frühzug nach Bukarest. Und haben den Typen endlich los. Warum hat er uns überhaupt gebucht? Nicht einmal ein dutzend Besucher sind eingelaufen. Die Anklage klingt miserabel. Und Freigetränke gibt es für uns auch nicht. „Leider, leider“, sagt Adam, der zwischendurch in einem Sessel eingeschlafen war, habe er das Geld nicht hier. Sondern in seiner Wohnung. Bis er es geholt habe, sollten wir einfach weiter auflegen. Dafür gäbe es dann die volle Gage. Was bleibt uns übrig, als der traurigen, Drogen-umnebelten Gesellschaft im Plattenbauclub weitere dreieinhalb Stunden unsere Lieblingsplatten – von The Kills, Betty Botox, Acid Boy Chair oder Auto - um die Ohren zu hauen? Aber auch um fünf Uhr morgens hat Adam eine Ausrede, uns nicht auszuzahlen. Unser einziger potentieller Verbündeter ist Brad, der schwule Manager des Clubs, der mich an der Bar betatscht und von seiner Karriere als Backgroundsänger bei der Rumänientour von Boney M. erzählt. Ich mache gute Miene. Biete ihm an, „mal einen Track für ihn zu produzieren“. Und bekomme ihn schließlich so weit, seinem halbweggetretenen Boss die Gage herauszuleiern. Jetzt nur noch weg hier. Mit 500 Dollar in der Hosentasche machen wir uns bereit zur Flucht – bevor es sich der Clubbesitzer noch einmal anders überlegt. Hektisch schleppen wir unsere Plattenkisten zum Lift. Und kommen uns vor wie in einem Horrorfilm: Drücken, drücken, noch mal drücken – nichts passiert, der Aufzugschalter funktioniert nicht.... Plötzlich hinter uns Adams Geschrei: „Where are these motherfuckers?“ Wir hätten für unser Geld noch nicht lange genug aufgelegt. Ich wende ein, dass einer der Gäste gerade die Plattenspieler abgebaut habe. Als Adam sich umdreht, um den vermeintlichen Dieb zu suchen, schauen wir uns kurz an, und rennen wie auf Kommando los. Mit den DJ-Koffern in der Hand die ganzen acht Stockwerke runter. Zum Glück steht dort ein Taxi. Wir erwischen gerade noch unseren Zug... Auf dem Handy eine SMS des Clubbesitzers: „Where did you guys go?“ – Erst als der Bahnhof von Brasov an den Fenstern vorbeizuckelt, wagen wir ihm zu antworten: Dorthin, wo nach einer geilen Nacht die Vögel zwitschern...

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