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Mies aufgelegt: DJ Andy Lewis und Lady Di

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Meine schlimmste Nacht als DJ erlebte ich am 5. September 1997 in London. Ich war in einen feinen Londoner Club gebucht, wo ich die Abschlussparty für die Dreharbeiten zum Kinofilm „Saving Private Ryan“ musikalisch aufpeppen sollte. Oder vielleicht eher unterfüttern – denn wegen mir, so viel war klar, würde niemand kommen, sondern ausschließlich wegen der am Dreh beteiligten Hollywood-Stars. Ich selbst war deswegen ziemlich aufgekratzt, träumte von der glamourösesten Nacht meiner DJ-Karriere. Tom Hanks würde zu meiner Musik tanzen und Steven Spielberg sich persönlich für die geschmackvolle Plattenauswahl bedanken....

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Würde, wäre, wenn. Doch dann fügte es das Schicksal, dass am Tag darauf Lady Dianas Beerdigung stattfinden sollte! Niemand der Stars tauchte auf. Nur ein versprengtes Häuflein Mitarbeiter aus der Crew, vom Catering und der Buchhaltung harrte in trotziger Enttäuschung aus – falls sich doch noch eine Berühmtheit durch den Hintereingang hineinschleichen sollte. Ich versuchte die Stimmung zu retten: Hievte die Mischung aus Northern Soul, Funkjazz und Filmsoundtracks auf die Plattenteller, mit der ich sonst im Londoner Club die Tanzfläche im Nu zum Kochen brachte. „Apache“ von der Incredible Bongo Band. Roy Budds „Get Carter“ oder Herbie Hancocks „Blow Up“. Keine Reaktion. Sollte ich vielleicht auf die im Raum schwebende Melancholie eingehen? Mit Marlena Shaws „California Soul“? Bestenfalls feindselige Blicke – als ob ich Mitschuld an der ganzen Misere trüge. Schließlich wagte sich ein Amerikaner aus der Film-Crew zum DJ-Pult: „Wie kannst Du nur Party-Musik spielen, wenn alle trauern, dass Di gestorben ist?“ - „Weil ich dafür gebucht wurde“. Ich war fassungslos. Selbst von meinen englischen Freunden hatte kaum jemand eine Träne für die vermeintliche „Prinzessin des Volkes“ vergossen und nun hatte ich einen Haufen kacksentimentaler Amis am Hals. Kaum hatte ich die nächste Platte aus der Kiste gezogen, kam auch schon die nächste Beschwerde: „Du hast noch gar nicht „Candle In The Wind“ aufgelegt!“ Ich hasse diese Elton-John-Nummer. Trotzdem blieb ich höflich: Erklärte, dass sie mir leider, leider irgendwie beim Kofferpacken ausgekommen sei... Nun hatte sich scheinbar die ganze Gesellschaft gegen mich verschworen. Gleich mehrere Gäste kamen nacheinander an und forderten Chris De Burghs „Lady In Red“. Weil das angeblich Lady Dis Lieblingslied gewesen sei. Meine Stimmung näherte sich langsam der Verfassung meines Publikums. Irgendwo zwischen Depression und Wut. Ich schaute alle fünf Minuten auf die Uhr. Wünschte dass die Nacht endlich enden würde. Und konnte mich dabei nicht einmal betrinken – weil ich noch mit dem Auto heimfahren musste. Mein schönster Moment des Abends: Als ich nach einer langen, resignierten Wühlerei in der DJ-Kiste einen Blick übers Plattenpult wagte – und die letzten vier Trauergestalten in ihre Mäntel schlüpfen sah... Daheim weigerte ich mich den Fernseher für die Live-Übertragung anzustellen: Ich hatte meine Beerdigungsfeier schon hinter mir. Foto: Liz Ridley

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