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Mies aufgelegt: DJ Samir

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Meinen übelsten DJ-Abend erlebte ich vor ein paar Wochen beim Ball der Wiener Wirtschaft: Dass der soziale Status eines Deejays bei solchen Gesellschaftsereignissen sehr weit unten rangiert – darüber machte ich mir als alteingesessener Wiener keine Illusionen. Schließlich kommen die feinen Damen und Herren der Stadt hier in Frack und Abendgarderobe zusammen, um sich in erster Linie gegenseitig respektive selbst zu bewundern. Der Rest ist Dienstleistung.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Dennoch hatte ich mir um mein Engagement in der VIP-Zone einige Gedanken gemacht, und die Soulpretiosen in meinem DJ-Koffer gegen Swing-Standards aus den 30er und 40er Jahren ausgetauscht. Pünktlich um sechs Uhr abends stand ich hinter den Plattenspielern. Dann hieß es: Die Herrschaften wollen noch keine Musik. Viereinhalb Stunden lang. Ich vertrieb mir die Wartezeit mit Gimlets und war beim Anlaufen der ersten Platte bereits hochprozentig aufgelockert. In einem Zustand eben, in dem das Unbewusste zu Sprechen beginnt. Kaum hatte ich ein paar einschlägige Gassenhauer - „Der Neger hat sein Kind gebissen“ vom Odeon Orchester, Richard Taubers „Ich küsse Ihre Hand Madame“ oder Willi Hoses „Ausgerechnet Bananen“ – auf die Ballgäste losgelassen, eilte schon eine etwas betagte Dame ans DJ-Pult und herrschte mich in militärischem Ton an: „Drehen Sie leiser!“. Geduldig versuchte ich ihr zu erklären, dass ich nicht nur einen Tisch vor der Box beschallen sollte, sondern die ganze Tanzfläche. Vergebens: „Sofort leiser drehen!“ Ich raunzte ihr etwas von wegen „renovierungsbedürftige Schabracke“ entgegen. Und wurde prompt mit einem als Verstärkung hinzugezogenen SPÖ-Gemeindeparlamentarier konfrontiert: „Wie heißen Sie?“, fuhr er mich in klassischer Streitkultur an. Das war wohl nicht der Popbeauftragte. „Arsch hoch vier“, konterte ich in Unkenntnis der örtlichen Hierarchien – und freute mich, als er mit hochrotem Kopf wieder abzog. Tatsächlich hatte ich den diversen Schimpf-Duellen zum Trotz den Tanzflur gerade in Schwung bekommen: Dutzende von Pärchen drehten sich zu Marika Röcks Schlager „In der Nacht ist ein Mensch nicht gerne allein“. Zarte Hoffnung keimte auf: Das könnte doch noch ein gelungener Abend werden! Auch zwei sehr breitschultrige Herren mit Kurzhaarschnitt schritten zielstrebig auf das DJ-Pult zu. Aber keine Frage: Die kamen nicht zum Tanzen. „Ist besser, Sie packen Ihr Zeug“, erklärte der erste. „Sie haben schon genug Blödsinn angestellt“, sekundierte sein Kompagnon. Der Plattenkoffer war sofort gepackt. Ohne mich noch einmal umzudrehen, schlich ich mich raus. Atmete tief durch: Und dachte nicht einen Moment an die verlorene Gage. Welches Geld kommt schon gegen zwei Dutzend erstklassige Gimlets an? Und dann erst die entzückende Aussicht, nie wieder als Dienstleister auf einen Ball zu müssen... Foto: privat

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