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Mies aufgelegt DJane Star Child und die Cop-Party

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Meine merkwürdigste Nachtschicht hinter den Plattenspielern? Das muss wohl 2003 im Münchner Glockenbachviertel gewesen sein. Ein Bekannter hatte dort im Dachgeschoss eines wegen Sanierungsarbeiten leer stehenden Hauses eine halblegale Party organisiert, und mich als DJ eingeladen. In einer Ecke des Raumes türmten sich die Bierkästen, in der anderen befand sich das auf Ytong-Steinen improvisierte DJ-Pult – und schon um elf quoll die Party bis auf das anschließende Treppenhaus hinaus.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Die Stimmung: typisch Abbruchsfete. Überall Bierflaschen und Kleiderhaufen, ein Duftfaden von Marihuana im Raum und die Energie des drohenden Untergangs auf der Tanzfläche. Dazu hievte ich die Klassiker des 80er Jahre Disco-Funk auf die Plattenteller: Von Chic bis zur Gap Band und Michael Jackson. Cameos „Word Up“ hatte gerade erste Schweißfilme auf den Fenstern produziert, als ich bemerkte, wie die Bewegung im Raum langsam erstarrte. Es kam von der Tür und setzte sich Richtung DJ-Pult fort. Ein kalter Luftzug der Ernüchterung wehte durch das Dachgeschoss. „Lautstärke runter“ brüllte es. Da hatten mich die vier Uniformierten auch schon gefunden. Erschreckt duckte ich mich hinter meinen Ytong-Altar. „Ihre Nachbarin vom Nebenhaus hat sich beschwert!“ Der junge Beamte mit dem Schnauzbart klang nicht mal besonders barsch. „Machen Sie’s doch ein bisschen leiser, damit die alte Dame schlafen kann…“. Puh! Keine Stecker gezogen. Kein Räumungsbefehl. Wir waren noch mal davon gekommen. Während ich die Regler weiter runterfahre, drückt der Partyveranstalter den verdutzten Ordnungshütern Sektgläser in die Hand. Freundliches Abwinken. Aber vielleicht später – nach Feierabend. Tatsächlich: Zwei Stunden später tauchen die partyfreudigen Polizisten in Zivil auf. „Das sind ja uralte Scheiben“, kumpelt einer und hält eine Bierflasche wo vorher noch die Dienstmarke baumelte. Entwarnung. Langsam drehe ich wieder auf. Bis ein weiterer Mannschaftswagen der Polizei vorfährt: Die zivilen Kollegen kennen die Uniformierten, erklären, sie hätten alles unter Kontrolle und animieren Letztere zum Bleiben. Eine halblegale Party mit acht Polizisten: Das bedeutete nicht nur den schleichenden Exodus der Kräuterraucher und sich ertappt Fühlenden. Sondern entwickelte auch einen Magnetismus eigener Art. Während „Atomic Dog“ von George Clinton aus den Boxen tuckert, stürmt ein weiteres Quartett in grünen Uniformen zum Dachboden hinein. Die zuvor eingetroffenen Kollegen hatten offensichtlich verpasst, per Funk Bescheid zu geben - und so parkten nun um ein Uhr nachts drei Polizeibusse vor der Eingangstür. Draußen auf der Straße Trauben von Menschen, die angesichts der grün-weißen Fahrzeuge vor der Tür wieder abdrehen. Auch oben leerte es sich langsam: Wer mag auch gern neben blitzenden Handschellen tanzen? Sich mit Alkohol abfüllen, wenn die Führerschein-Kassierer eine Schulter weiter warten? Vor dem DJ-Pult eine ungewöhnliche Party-Aussicht: Schirmmützen im angeregten Gespräch. Eine weiträumig umkurvte grüne Insel auf der Tanzfläche. Und mir bleibt nur der Wink mit dem Ray-Charles Sampler: „Hit The Road Jack….“

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