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Mies aufgelegt. Heute: DJ Sepalot im Nazibunker

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Mein miesester DJ-Abend? Das muss wohl 2005 in Bordeaux gewesen sein. Ein Dutzend Münchner DJs waren von der Partnerstadt Bordeaux zu einem Event geladen worden - im Namen der Völkerverständigung. Wo wir auflegen sollten, erfuhren wir allerdings erst vor Ort: Man hatte für uns zwei ehemalige U-Boot-Bunker der Nazis freigeräumt. Schon beim Eintreten durch das gewaltige Eisentor stellten sich mir die Nackenhaare auf. Wer hatte sich das ausgedacht? Kehrten nun die Deutschen mit Plattenkoffern statt Torpedos zurück? Und wie viel Leute würde es brauchen, um diesen Raum zu füllen?

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Immerhin waren die beiden Bunker doppelt so groß wie jede Schulturnhalle. Unsere Schritte hallten in dem alten Gemäuer. Raumfüllend. Und jeweils eine halbe Minute lang. Vielleicht hätte man hier einen Didgeridoo-Ton in die Ewigkeit strecken oder mit einem Triangel wabernde Klangflächen erzeugen können. Aber HipHop-Beats? Die Veranstalter hatten offensichtlich nicht die geringste Ahnung von Akustik. Drei Stunden nach Partybeginn waren die DJs und Techniker immer noch in der Überzahl. Bestenfalls vier, fünf Gäste hatten sich in den feuchten Nazikeller verirrt. Als mein Set anbrach, versuchte ich also erst gar nicht Fetenstimmung zu machen. Setzte stattdessen ein paar Downtempo-Beats in den 30-Sekunden-Hall. „Change My Mind“ von den Poets Of Rhythm oder Ben E. Kings „Supernatural“. Egal, nichts zu verstehen. Alles nur Brei. Das betraf auch die Kommunikation unter uns DJs. Selbst aus nächster Nähe schien der andere von einer Lärmwolke verschluckt, vergeblich versuchten wir den Widerhall der eigenen Stimme zu übertönen. Einige Echoschleifen und Longdrinks später hatten wir die einzig mögliche Form von Unterhaltung entdeckt: Wir schrieen uns ins Ohr. Rekapitulierten mangels Publikum die Weine, die wir zuvor im Hafenrestaurant gekostet hatten, die Weinbergschnecken und das vom Kellner dreimal blutig zurückgebrachte Steak. Da würden wir morgen noch mal hingehen... und statt Lärmfritzen im Nazibunker ein paar deutsche Feinschmecker abgeben - alles im Namen der Völkerverständigung.

Text: jonathan-fischer - Foto: oh

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