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Mies aufgelegt. Heute mit dem DJ "Gärtner der Lüste "

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Wenn es etwas gibt, was ich gründlich verabscheue, dann sind das DJ-Frondienste auf Privatparties. Immer das selbe Spiel: Man hat mit viel diplomatischem Feingefühl seinen DJ-Koffer gepackt, sich mögliche Dramaturgien überlegt, geschmackvolle Ausweichstrecken und Genre-Exkurse eingeplant – und am Ende bestimmen ein paar Rotzgören, die zufällig die Nichten des Gastgebers sind, dass Britney Spears läuft. Oder der selbstgebrannte Scooter-Mix.  

So hatte ich auch etwas gemischte Gefühle, als sich 2006 bei einem Gig in einem kleinen Boheme-Club in Mexico City ein wohlgekleideter Herr, Typ reicher Künstler, in die DJ-Kanzel beugte: „Du bist die Rettung“, schrie er mich an. „Ich gebe morgen bei mir daheim eine Party, und der DJ ist abgesprungen“. Mein anfängliches Zögern konterte er mit einem großzügigen Angebot: 800 Dollar. Bar auf die Hand. Das sechsfache von dem, was hier selbst in renommierten Clubs mit internationalem Aufgebot über den Lohntisch ging. Hatte ich da noch eine Wahl?  

Am nächsten Abend saß ich im Taxi. Eine gute Stunde ging es in die Richtung, wo die Häuser immer größer werden, die Gärten immer grüner und die Mauern immer höher.  Schließlich eine Schranke und ein Wachhäuschen. „Der DJ?“  Der Wärter wusste Bescheid. Beim Aussteigen vor der Villa wehten mir Fetzen eines alten Rock'n'Roll-Stücks von Bill Haley entgegen. Hombre! In welche Kreise war ich geraten? Eine Paartanzparty. Die würden einen DJ mit einem Koffer voller Elektro-Tunes zum Teufel jagen!  

Der Gastgeber aber fiel mir fast um den Hals. „Endlich bist Du da, die Party fällt schon auseinander“.Dann zog er mich – schneller als ich „bitte erst eine Trink- und WC-Pause“ sagen konnte -  zum DJ-Pult. Oder das was er dafür ausgab: Ein Wohnzimmertischchen, auf dem eine Heimstereoanlage stand. Ein CD-Spieler mit Verstärker. Kein Mischpult, keine Plattenspieler, keine Vorhörmöglichkeit, einfach nichts, was einem DJ die Arbeit erleichtern würde. Halt, habe ich DJ gesagt? Ich war jetzt Compact-Disc-Leger, der Typ, der alle paar Minuten die Klappe aufspringen lässt, einen neuen Silberling hineinfummelt, die Haube des  CD-Spielers wieder schließt und dann.. ... 5 Sekunden, 10 Sekunden, 20 Sekunden... und immer noch kein Mucks.  Mit eingezogenen Schultern stierte ich auf die Digitalanzeige. Leuchtete da endlich was? Sollte ich nochmal auf Start drücken? Die Nummer des angewählten Stücks korrigieren? Eine Zeitlupen-Geisterbahn. So musste sich der Angsthase auf dem Dreimeter-Brett fühlen, während die Schlange hinter ihm immer länger wird, das Gemaule der Wartenden immer lauter wird und der Bademeister unten schon brüllt „Wird's heute noch?“ ...

Um mich herum waren Gelächter, Geknutsche, klirrende Gläser. Die High Society von Mexico City, Anzugträger, die ihr Auto nie selbst fahren würden und ihre Rasta-zöpfigen, verwöhnten Bälger: Würden die sich mit DJ Dauerunterbrechung zufrieden geben? Ich war auf alles gefasst: Böse Blicke, Beleidigungen, der Tritt mit dem gespornten Stiefel. Dann erklang nach einer weiteren langen Zitter-Pause: „Jaleo“ von Rainer Trüby, ein Electro-Flamenco, der die kollektive Hüft-Bein-Fuß-Motorik in Bewegung setzte.
Danach standen ein paar kalte Cocktails am DJ-Pult. Und plötzlich fiel mir auf, dass das Drama sich nur unter meiner schweißnassen Stirn abspielte. Ich mich einfach nur fremdschämte - für eine verdammte Heimstereoanlage! Niemand hatte sich beschwert, niemand wollte andere Musik, niemand erwartete, dass ich mixen würde. Und in den Pausen gab es freundliche Nicker in meine Richtung. „Hombre!"

Mehr vom Gärtner der Lüste, der in echt Ralf Ilgner heißt, gibt es hier.

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