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Mies aufgelegt. Heute Patrick Bodmer und der rumänische Höllenritt

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Mein miesester DJ-Abend? Der lief diesen Sommer in der rumänischen Kleinstadt Napoca. Man hatte mich für ein elektronisches Festival gebucht, einen Rave mit einem Dutzend lokalen DJs, der durch meine Anwesenheit – als Hälfte des Berliner DJ-Gespanns M.A.N.D.Y – wohl einen internationalen Anstrich bekommen sollte.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Das DJ-Duo M.A.N.D.Y. mit Patrick Bodmer und Philipp Jung Schon am Flughafen kam ich in den Genuss der örtlichen Gastfreundschaft: Ein Fahrer hielt mir die Tür auf, um mich nicht nur auf dem schnellsten, sondern auch garantiert aufregendstem Weg in mein Hotel zu befördern. Jedenfalls hatte sich der forsche Typ am Steuer vorgenommen, seinem Gast die gesammelten Pferdestärken seines Audi A8 Quattro vorzuführen. Mit 240 Sachen ging es über die rumänische Autobahn. Andere Sportwagen wurden geschnitten, in Wettrennen verwickelt - und in waghalsigen Manövern abgehängt. Mein Magen machte sich bemerkbar. Ich versuchte irgendeinen Weg zu finden, den Fahrer zu erreichen ohne seine Fahrkünste zu beleidigen. „Could you please drive a little slower?” rief ich mit banger Stimme in den wummernden Balkan-Techno hinein. Doch mein Anliegen war dem Mann anscheinend unbegreiflich. Er nickte. Bremste aus Höflichkeit kurz ab. Und gab 30 Sekunden später wieder Vollgas. Okay, der DJ hinten sollte nicht kotzen. Aber warum sich deswegen ewig den Fahrspaß verkneifen? Ich war heilfroh, als er mich vor meinem Hotel entließ – und hatte ein paar Stunden Erholung, bevor der Mann samt Audi Quattro um ein Uhr nachts wieder vorfuhr. Showtime! Zum Glück konnte es ja zum Festivalgelände nicht mehr so weit sein. Und im Stadtverkehr würde der Chauffeur wohl etwas vernünftiger fahren. So hoffte ich. Bis er sich zu mir beugte, ich seine Kulleraugen bemerkte. „You like some pills?“ Der Mann schwitzte offensichtlich aus allen Poren: Dass ich nur stumm den Kopf schüttelte, beirrte ihn kein bisschen. Vielmehr kam er nun erst recht in Fahrt, spuckte bunte Blubbererbsen aus dem Mund, drehte die Anlage auf Extralaut und gab Gummi. Ich fühlte mich wie der Stuntman beim Dreh eines billigen Technovideos: Dass links und rechts neben mir fünf weitere rumänische DJs saßen machten die Sache nicht angenehmer. Während unser Chauffeur die Tachonadel auf 250 trieb und in Schlangenlinien auf der falschen Straßenseite bretterte, spielten sie mir der Reihe nach ihre neuesten Eigenproduktionen vor und redeten in gebrochenem Englisch auf mich ein: „You like it?“ Endlich hielt der Chauffeur an. Nein, die dunkle Seitenstraße sei noch nicht unser Ziel. Aber ob wir uns nicht etwas auffrischen wollten? Er kramte bunte Pillen und Kokstüten aus der Ablage. Vielleicht meinte es der Chauffeur auch nur gut mit mir: Schließlich soll sich der DJ vor dem Auflegen locker machen und nicht so krampfhaft an seine Plattenkiste klammern. Als ich besorgt auf eine passierende Polizeistreife deutete, griff unser Fahrer ins Handschuhfach. Eine Polizeimarke! Tatsächlich grüßten die Kollegen, fuhren weiter, ohne etwas bemerken zu wollen. Womöglich war ich hier der Sonderling. Der Spielverderber. Während alle anderen richtig zu feiern wussten. Zumindest in dem 1000 Mann-Zelt, wo ich auflegen soll, herrschte bereits eine Hysterie als ob jeder Besucher einzeln von meinem Chauffeur angekarrt worden wäre, tanzten Animiermädels, die offensichtlich genau vom selben Waschpulver wie er gekostet hatten – und sich immer wieder mit ihren Füßen in die Kabel der Musikanlage verwirrten. Die Nadel hüpfte. Die Musik ging immer wieder aus. Und alle Bemühungen, die Tänzer vom DJ-Pult zu vertreiben fruchteten in etwa so lange, wie meine Bitten an Mr.Bleifuss, doch in Gottes willen langsam zu fahren. Egal. Ich fühlte feste Bretter unter den Füßen. Und dankte dem Himmel, dass DJs sich bei der Arbeit wortlos an ihre Kiste klammern dürfen.

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