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Mies aufgelegt: Lexy & K-Paul in kanadischem Indianer-Reservat

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Zu unseren miesesten DJ-Erlebnissen gehört ein Abend im Winter 2002 irgendwo nördlich von Montreal. Unser Promoter hatte uns nach einem Gig in der Stadt noch einen zweiten Auftritt gebucht: Angeblich bei einer tollen Afterhour-Party am Stadtrand.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Ob das wörtlich zu nehmen sei, daran zweifelten wir spätestens als immer weniger Häuser, aber zunehmend dunkle Wälder an unseren Autofenstern vorbeirauschten. „Nein, nein“, wehrte er unsere leicht beunruhigten Fragen ab, „wir sind gleich da.“ Eine Behauptung, für die wir weit und breit keinen Anhaltspunkt finden konnten. Eine Stunde vergeht, eineinhalb Stunden, zwei Stunden, und draußen nichts als schwarze, öde Wildnis. Wir werden langsam hibbelig auf den Rücksitzen. Können unser Misstrauen nicht mehr verbergen. „Nein, nein, keine Sorge: Gleich um die Ecke liegt ein Super-Club“. Ungefähr 20 Minuten später erkennen wir eine Ansammlung schwach beleuchteter Holzhütten und Flachbauten am Straßenrand. Ein Indianerreservat. Wo könnte sich hier der Super-Club verstecken? Unser Promoter führt uns siegesgewiss in das Erdgeschoss eines Motels. Aus der Saaltür tuckert laute Truckermusik. Die Countryband auf der Bühne hält ein paar hundert Indianer- und Holzfällertypen in Schach. Großes Getrampel und Gegröle. Ob die wohl auch auf deutsche Techno-DJs abfahren? Wie zwei Schiffbrüchige holpern wir mit unseren Plattenkoffern im Bugwasser des Promoters durch die Menge, bis wir den Eingang zu einem Hinterzimmer erreichen. „Hier dürft ihr auflegen“. Wir werfen uns bedeutungsschwangere Blicke zu. Erinnern uns an die Blues-Brothers-Szene, wo die Band zum eigenen Schutz hinter Maschendraht spielen musste. Und hieven unsere Felix The Housecat- und Zombie Nation-Maxis mit denselben feuchten Fingern auf den Plattenteller, die Bungee-Springer haben müssen, wenn sie den letzten Karabiner festschrauben. Puh, Manitou ist uns wohl doch gnädig: Bald springen zwei Dutzend besoffene Indianer vor unserem Pult auf und ab - und mit jeder Nummer werden es ein paar mehr. Die Partyrutsche funktioniert: Und wir sind wild entschlossen, der Countryband ihr Publikum abzuspielen, ja notfalls das gesamte Reservat mit brachialem Techno-House zu rocken. Pioniere auf Dancefloor-Neuland! Dann leert sich die Tanzfläche auf einen Schlag: Hastig eilen die Menschen Richtung Ausgang. Selbst wer sich gerade noch versunken mit seiner Bierdose zum Bum-Bum wiegte, taumelt jetzt von einem unbekannten Fieber erfasst Richtung Ausgang. Haben wir die falsche Scheibe aufgelegt? Eine geheime Trommelbotschaft abgeliefert? Die Indianer-Ehre beleidigt? Mutterseelenallein und etwas ratlos bleiben wir zurück. Packen unsere Plattenkoffer. Als wir von draußen durch die Fenster in den Country-Saal schauen, bekommen wir endlich die Antwort: Schwankende Figuren, die sich mit Stühlen bewerfen, Holzbeine durch die Luft schleudern, ihre Stiefel auf Hintern und Hüte klatschen lassen…. Nein, vergleichbares Adrenalin haben wir nicht im Plattenkoffer. Lange stehen wir ehrfürchig vor dem Spektakel, können uns kaum von dem Anblick losreißen. Bis uns von hinten eine bekannte Stimme ins Ohr brüllt: „Super-Club, oder?“

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