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Mies aufgelegt: Monika Kruse

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Mein schlimmstes Erlebnis als DJane liegt sieben Jahre zurück: Die Love Parade war damals mit 1,5 Millionen Teilnehmern und landesweiten Fernsehübertragungen auf dem Höhepunkt ihrer Popularität. Ich sollte auf der Abschlusskundgebung an der Berliner Siegessäule auflegen – neben solchen Veteranen wie Westbam, Sven Väth und Marusha.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Schon am Morgen war mir flau. Vor lauter Aufregung rannte ich aufs Klo und übergab mich: Welche Platte sollte ich zuerst auflegen? Wie konnte ich 1,5 Millionen Menschen in nur 20 Minuten von meinen DJ-Künsten überzeugen? Und wenn etwas schief lief? Es war relativ windig, als ich mich an der Siegessäule hinter die Plattenspieler stellte. Doch die Techniker reckten die Daumen nach oben: Keine Gefahr! Alles im grünen Bereich! Ich setzte die Nadel auf meine erste Platte: „The Last Night“ von Monika Kruse. Das Feedback war euphorisierend - alle Umzugswagen waren über ein Funksignal miteinander verbunden, spielten also denselben Sound. Und nun setzten sich Hunderttausende von Körpern zu meinen selbstproduzierten Beats in Bewegung. Zwei Minuten lang. Dann blies eine Windböe über das DJ-Pult und - wschschscht! - war der Tonarm von der Platte geweht. Vor laufenden Kameras. Ich hörte nur noch Rauschen in meinem Kopf. War total benommen – als hätte mir jemand eine Ohrfeige verpasst. Himmel, die Nerds würden jetzt bestimmt rumfeixen und sich endlich in ihren Vorurteilen bestätigt sehen: „Ist halt ’ne Frau ...“. Mich überfielen all die gönnerhaften Sprüche, die ich am Anfang meiner Karriere so oft von männlichen DJ-Kollegen gehört hatte. Jetzt bloß nicht daran denken! Ich schaute kurz zu den Kameras auf, versuchte souverän zu lächeln - während ich ein paar Geldstücke aus der Tasche kramte und mit Tesa auf den Tonarm klebte. Hätten die Jungs auch schon mal eher drauf kommen können. Welch peinliche Ewigkeit. In Wirklichkeit dauerte sie nur wenige Sekunden. Ich setzte die Nadel erneut auf die Anfangsrille. „The Last Night“. Gejohle! Ringsum tanzende, glückliche Menschen, ganz so als wäre nichts gewesen.... Das sah ich allerdings erst bei der Fernsehaufzeichnung. Weil ich die restlichen 18 Minuten betete. Und meine Augen nicht mehr von dem münzbeschwerten Tonarm losreißen konnte.

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