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Die nervigsten Typen in Diskussionen

Illustration: Janina Schmidt

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Wer politisch aktiv wird, träumt davon, etwas zu bewegen. Stattdessen findet man sich meistens erstmal in Diskussionsrunden wieder. Das gilt fürs antikapitalistische Plenum genau wie für den Partei-Ortsverband und die Bürgerinitiative. Hier sind die sieben schlimmsten Typen, denen du dort begegnen wirst. Dazu die nötigen Tipps, um dich gegen sie zu behaupten.

Der Dampfplauderer

Diskussion_Dampfplauderer
Illustraion: Janina Schmidt

 

Der Typ:

Er ist der gefährlichste Typ für jede fruchtbare Diskussion. Der Dampfplauderer hat kein Interesse an der Debatte an sich. Er sucht einfach eine Bühne für seine Monologe. Er ist vielleicht einsam oder hält sich für ein verkanntes Genie.

Die Strategie:

Der Dampfplauderer nutzt die Technik des Filibuster, des endlosen Redeschwalls ohne roten Faden. In basisdemokratischen Gruppen kann sich der Dampfplauderer besonders gut entfalten.

Die typische Gesprächssituation:

Der Dampfplauderer: „Ich hätte da noch eine Frage: Ist es nicht auch so, dass, wenn wir mal an 1989 zurückdenken, einige werden sich vielleicht noch erinnern…“

Du: „Ähm, was hat das jetzt…?“

Der Dampfplauderer: „… da sagte der damalige Stadtrat schon zu mir…“

Alle im Raum: „[sleep mode]“

Und das musst du tun:

Wenn du mit der Moderation beauftragt bist: Okay, jeder verdient eine Chance, nicht alle können sich in zwei knappen Sätzen ausdrücken. Aber wenn es ausartet: abwürgen! Wenn du mitdiskutierst: dazwischenrufen: „Kommen Sie bitte zum Punkt!“ Oder der Moderation signalisieren, dass sie einschreiten muss.

Der Ablenker

Diskussion_Ablenker
Illustraion: Janina Schmidt

 

Der Typ:

Er hat genau ein Steckenpferd, ein Gebiet, in dem er sich auskennt. Dass die Diskussion in eine andere Richtung geht, verunsichert ihn. Oder aber er hat sich in den Kopf gesetzt, dass Thema X auf keinen Fall zur Sprache kommen darf.

Die Strategie:

Die Kunst heißt Derailing (Englisch für „entgleisen lassen“). Auf Latein spricht man von Mutatio Controversiae, der „Verwandlung der Diskussion“. Dem Ablenker reicht ein Stichwort, um elegant das Thema zu wechseln.

Die typische Gesprächssituation:

Du: „Wenn wir das Müllproblem auf den Grünstreifen in den Griff kriegen wollen…“

Der Ablenker: „Grünstreifen! Überhaupt gibt es viel zu wenig Naherholungsbereiche in unserer Stadt. Meine Partei hat schon 1995 gefordert…“

Und das musst du tun:

Bestehe auf dem Thema. Es ist oft schwer und fühlt sich unhöflich an, aber hol dir trotzdem deinen Gesprächsfaden zurück: „Die Grünflächen sind ein wichtiges Thema, aber lassen Sie uns bitte zum Müll zurückkehren.“

Der Mansplainer

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Illustraion: Janina Schmidt

 

Der Typ:

Der Mansplainer hält sich gegenüber Frauen – vor allem jüngeren – für klüger und erfahrener. Der Gedanke, jemand anderes könnte sich besser auskennen, kommt ihm nicht. Oder er ignoriert ihn.

Die Strategie:

Mainsplaining ist eigentlich gar keine Strategie, eher ein Mangel: an Aufmerksamkeit, Empathie, Neugier. So hält er dir ungefragt einen leidenschaftlichen Vortrag über soziale Medien - obwohl er sich damit nicht wirklich auskennt und du darüber deine Masterarbeit geschrieben hast.

Die typische Gesprächssituation:

Du: „Ich habe politische Diskurse auf Twitter untersucht…“

Der Mansplainer: „Ach Twitter! Wussten Sie, dass soziale Medien sogenannte Echokammern erzeugen,…“

Du: „Ja, weiß ich, genau deswegen…“

Der Mansplainer: „…das heißt, dass man nur noch Beiträge sieht, die sowieso der eigenen Position entsprechen. Demokratietheoretisch heißt das,…“

Du: *seufz*

Und das musst du tun:

Warte, bis er einen sachlichen Fehler macht! Dann genüsslich einhaken: „Danke für den Input, Herr…, ich muss Sie da mal korrigieren“. Oder beschieße ihn mit Rückfragen: „Wie muss ich mir das genau vorstellen?“ Beobachte, wie er ins Schwitzen kommt. Achtung: Sollte eine Hybridform mit Dampfplauderer oder Ablenker vorliegen, dann gehe vor wie dort beschrieben.

Der Dammbrecher 

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Illustration: Janina Schmidt

Der Typ:

Der Dammbrecher hat entweder kein Gefühl für Verhältnismäßigkeiten, oder er setzt seinen Kniff strategisch ein, um die Diskussion zu torpedieren.

 

Die Strategie:

Das Dammbruchargument ist ein rhetorischer Kunstgriff. Der Dammbrecher stellt eine Wenn-Dann-Beziehung her, die unsinnig ist. Ein berühmtes Beispiel: Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hat 2015 in einem Interview gesagt, die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare könnte zu Vielehen und Inzest führen. Die Schwester des Dammbrucharguments ist die Phrase „Wo kämen wir denn da hin?“

 

Die typische Gesprächssituation:

Der Dammbrecher: „Wo kämen wir denn da hin, wenn alles auf einmal umsonst wäre?“

Du: „Ich schlage nicht vor, das alles umsonst ist, nur die öffentlichen Verkehrsmittel.“

Der Dammbrecher: „Jaja, und als nächstes dann Kino und Porno und Marihuana, ich seh‘ doch, wo das hinführt!“

 

Und das musst du tun:

Glaubt er das wirklich? In dem Fall: durchatmen, den Dammbrecher zu Ende reden lassen (das gibt dir Zeit, dich zu sammeln) und dann freundlich erklären, warum diese Dinge nichts miteinander zu tun haben. Wenn du aber glaubst, er setzt bewusst einen Kunstgriff ein – dann sprich es an: „So ein Dammbruchargument hätte ich von Ihnen aber nicht erwartet.“ Das entwaffnet.

 

Der Autoritäre

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Illustraion: Janina Schmidt

 

Der Typ:

Erfahrener Diskutant. Er weiß, dass Argumente mehr Wumms haben, wenn sie von (vermeintlichen) Autoritäten kommen. Er lässt sich von ihrem Bauchgefühl leiten und bastelt drumherum vermeintliche Fakten – inklusive seines letzten Rettungsankers: der „Natur der Dinge“.

 

Die Strategie:

Erfundene oder gefühlte Statistiken, Zitate in Verbindung mit Namedropping oder Naturgesetze behaupten.

 

Die typische Gesprächssituation:

Die Autoritäre: „80 Prozent der Menschen würden doch bei einem bedingungslosen Grundeinkommen nicht mehr arbeiten gehen.“

Du: „Woher nehmen Sie die Zahl?“

Der Autoritäre: „Das war eine Studie, hm, ein US-Professor, der hat das in der New York Times gesagt, glaube ich.“

Du: „Interessant. Das wundert mich. Alle Studien, die ich dazu kenne, haben eine wesentlich niedrigere Zahl ermittelt“

Der Autoritäre: „Ach, es liegt doch einfach nicht in der menschlichen Natur, ohne Zwang zu arbeiten.“

 

Und das musst du tun:

Eigentlich hast du oben schon alles richtig gemacht. Frag nach den Quellen, lass sie dir zeigen, damit ihr auf derselben Grundlage diskutiert. Wenn es die Studie wirklich gibt, kann das konstruktiv sein. Aber Achtung: Der Autoritäre wird leicht zum Dampfplauderer und spammt dich mit echten und erfundenen Quellen voll. 

 

Der Lautsprecher

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Illustraion: Janina Schmidt

Der Typ:

Er engagiert sich seit Ewigkeiten und hat viel Frust schlucken müssen. Immer wieder ist er abgebügelt worden, von Ablenkern, Dampfplauderern und Autoritären. Drum hat er sich eine dicke Haut zu- und alle Höflichkeitsregeln abgelegt. Bewundernswert, dass er sich nicht unterkriegen lässt – leider nervt er in Diskussionen.

 

Die Strategie:

Vehemenz und Wiederholung. Der Lautsprecher redet alle nieder, wird dabei lauter. Und er wiederholt dasselbe so lange, bis jemand darauf eingeht. Er setzt auf Zermürbung.

 

Die typische Gesprächssituation:

Der Lautsprecher: „Wir brauchen einen sicheren Fußgängerüberweg, und zwar jetzt!“

Du: „Okay, wir nehmen das in die Liste mit Forderungen auf, wenn alle einverst…“

Der Lautsprecher: *lauter* „Nein, das muss Priorität werden. Wir brauchen einen sicheren Fußgängerüberweg, und zwar jetzt!“

Du: „Ja, aber es gibt hier noch mehr Anliegen…“

Der Lautsprecher: *sonor* „Wir brauchen einen…“ usw.

 

Und das musst du tun:

Versuche nicht, ihn zu übertönen, das schaukelt sich schnell hoch. Wenn du ihm aber das Wort verbietest, bestätigt das sein Gefühl, alle gegen sich zu haben. Einzige Möglichkeit: Mach ein Zugeständnis und ignoriere ihn danach, wende dich anderen Diskutanten zu - mit denen du ruhig und in Zimmerlautstärke weitersprichst.

Der Provokateur

Diskussion_Provokateur
Illustraion: Janina Schmidt

Der Typ:

Er hat klare Feindbilder. Er ist außerdem streitsüchtig, genießt die Schlammschlacht. Worauf er keinen Bock hat: ein Gespräch mit dir.

 

Die Strategie:

Er will dich aus der Reserve locken, zielt unter die Gürtellinie. Er sucht sich eine Äußerlichkeit oder etwas anderes, mit dem er dich reizen kann. Sobald du ausrastest oder selbst beleidigend wirst, hat er gewonnen.

 

Die typische Gesprächssituation:

Du: „Ich bin da nicht ganz Ihrer Meinung…“

Der Provokateur: „Das hätte ich von jemandem wie Ihnen auch nicht anders erwartet.“

Du: „Wie jetzt?“

Der Provokateur: „Sie leben sicher noch von Papas Geld und wollen uns erzählen, …“

Du: „Hören Sie doch erst mal, was ich sagen wollte.“

Die Provokateurin: „Typisch: Jetzt auch noch pampig werden!“

 

Und das musst du tun:

Ja, es ist ätzend und du hast jetzt schon einen dicken Hals. Aber: Ruhig bleiben, solange es geht! Bestehe auf deinem Argument, ignoriere Äußerungen zu deiner Person. Trotzdem: Du musst dir nicht alles gefallen lassen. Wenn es grob verletzend wird, rassistisch, sexistisch, homophob, dann verbitte dir das. Schau, wer dich unterstützen kann! Wenn nötig, verlasse ruhig den Raum. 

 

Mehr dazu, wie man in Diskussionen punktet: 

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