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Das ModeABC. Heute: V wie Vorne kurz, hinten lang

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Wenn große Veränderungen im Leben eintreten, geht man zum Friseur. Manche haben ja Angst vorm Zahnarzt, ich habe Angst vor Menschen, die Haare schneiden. Als Zottel fallen die Leute bei Tony&Guy oder Vidal Sassoon ein, die Spitzen ruiniert, die Stufen ausgefranst, mit bis zur Nasenspitze hängenden Ponys, sie wünschen „einmal waschen, schneiden, legen“, bitteschön, schnippschnapp, dankeschön, und kommen als komplett überholte, geföhnte Neumenschen heraus.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Wer auf der Suche nach einem guten Friseur ist, hat daher ja nichts Geringeres als eine existentielle Lebensentscheidung zu bewältigen. Jedes Mal zum Beispiel, wenn ich einen Friseurladen betrete, hält man mir ein Heftchen mit „trendigen Kultfrisuren“ vor die Nase. Die Friseurinnen und Friseure, die einem diese Heftchen bringen, führen praktischerweise diese zur Demonstration am eigenen Haupt vor: Sie haben lilafarbene Strähnchen im Haar, tragen betonharte Fahrradhelmfrisuren oder Vokuhilas. Weit verbreitet an Friseursköpfen sind auch asymmetrisch abgesäbelte Flächen und von flamboyanten Profifußballern inspirierten Kreationen. Ein so neuer Mensch will man dann doch nicht sein. Obwohl Haareschneiden eigentlich im Dienst der Körperpflege steht, liegt ein weit verbreitetes Missverständnis vor, nachdem im Friseursalon Kunst am Haar stattzufinden hat. Im Grunde ist es wie Augenbrauen zupfen oder Hornhaut abfeilen: Ab und zu steht was über, und das muss weg. Aus dem Grund geht man zum Friseur, es sei denn man ist Filmstar und muss sich was für eine Premiere ondulieren. Weil aber das Selbstverständnis eines Hairstylisten oder Coiffeurs viel glamouröser ausfällt als das von jemandem, der sich „Haarpfleger“ nennt, hat die Mehrheit der Friseure leider alles Mögliche, nur keinen Haarschnitt auf dem Kopf, der sich zur Nachahmung empfiehlt. Wahrscheinlich ist die Dichte an nicht empfehlenswerten Frisuren in keiner anderen Berufssparte so hoch wie unter jenen, die von Haus aus dazu da sind, uns unsere Haare vorteilhaft zurechtzuzimmern. Ungefähr so ausgeliefert wie auf einem Dentistenstuhl fühlt man sich im Friseursalon, trotzdem ziehe ich den Zahnarzt vor. Zu seiner Seriosität verhält sich der Friseur nämlich wie ein Schönheitschirurg, der sich selbst unterschiedlich große Brüste operiert hat. Zumindest war ich noch nie bei einem Zahnarzt, der mir zur Begrüßung seine schlechten Zähne gezeigt hat.

Text: xifan-yang - Illustration: Katharina Bitzl

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