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Ein Slam-Text fürs Herz

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In Deutschland gelten Poetry Slams gerne als Quatsch- und Comedyveranstaltungen, in denen Studenten mit viel Freizeit zum Lachen gebracht werden sollen. Das stimmt natürlich nicht (immer), aber der Ruf hält sich hartnäckig. In den USA hingegen haben Poetry Slams eine ganz andere Tradition. Dort sind sie der Ort für politische Statements und Gesellschaftskritik, für große Worte und für Pathos.

Vor gut vier Wochen wurde auf YouTube das Video eines Slam-Team-Auftritts in Virginia hochgeladen, das viele begeistert. Darin sieht man Darius Simpson und Scout Bostley auf der Bühne des College Unions Poetry Slam Invitational, einer jährlichen Slam-Veranstaltung, bei der Teams aus verschiedenen Colleges und Universitäten gegeneinander antreten:

http://www.youtube.com/watch?v=lpPASWlnZIA#t=168

Die beiden tragen einen Text mit dem Titel "Lost Voices" über das Schwarz-Sein und über das Frau-Sein vor, über Benachteiligung und Probleme im Alltag, darüber, wie Männer über Frauen urteilen und Weiße über Schwarze, wie Menschen glauben, sie zu verstehen, sie dabei aber missverstehen – und das alles als schwarzer Mann und als weiße Frau. Aber vor allem geben sie dem Text mit einem Trick eine weitere Ebene: Nicht Darius spricht vom Leben als Schwarzer und nicht Scout spricht vom Leben als Frau, sondern Darius, der das Privileg hat, ein Mann zu sein, erzählt Scouts Geschichte, und Scout, die das Privileg hat, weiß zu sein, erzählt Darius’ Geschichte. Während der jeweils andere stumm die Lippen bewegt. Ein Sinnbild dafür, wie benachteiligte Gruppen bevormundet werden, wie man ihnen die Worte wegnimmt und an ihrer Stelle spricht.

Das ist klug gemacht. Und es funktioniert. Mehr als zweieinhalb Millionen Mal wurde das Video inzwischen angeschaut. Poetry Slam kann halt manchmal doch was.

Nadja Schlüter

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