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Vater und Tochter

Foto: dpa

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Sie sind berühmt, diese Zeilen:

They tried to make me go to rehab

But I said no, no, no

[...]

I ain't got the time

And if my daddy thinks I'm fine

Just try to make me go to rehab

But I won't go, go, go

Sie stammen aus Amy Winehouses Song  "Rehab", der 2006 als erste Single aus ihrem Album "Back to Black" veröffentlicht wurde. Und alle wissen, dass es wahre Zeilen sind: Am 23. Juli ist es genau vier Jahre her, dass Amy Winehouse an den Folgen ihres Alkohol- und Drogenmissbrauchs mit nur 27 Jahren gestorben ist. Einen richtigen Entzug hat sie nie gemacht. Und ihr Vater hat angeblich einmal gesagt, dass sie den auch nicht machen muss.  

In den britischen Kinos läuft am 3. Juli an, der im Mai in Cannes Premiere feierte, ab 10. Juli wird er weltweit in die Kinos kommen. Kapadia zeichnet darin Amy Winehouses Lebensweg nach, mit einer riesigen Menge an Videomaterial und Fotos sowie Audiointerviews mit engen Freunden, Managern, ihrem Ex-Mann Blake Fielder-Civil und ihrem Vater. Mit dem Endergebnis, sagte Asif Kapadia in einem Gespräch nach der Deutschlandpremiere der Doku auf dem Münchner Filmfest, seien alle Beteiligten zufrieden – bis auf Mitch Winehouse, Amys Vater. Der sei wütend geworden. Verständlich. Denn der Film zeigt ihn zwar nicht als Ober-Bösewicht – aber eben doch als Mann, der sich den Ruhm der eigenen Tochter zunutze macht und sie immer wieder der Öffentlichkeit aussetzt, statt sie vor ihr zu schützen.

Seinen Ärger äußerte Mitch Winehouse auch öffentlich: Der Film sei "irreführend" und enthalte einige "grundlegende Unwahrheiten", lautet sein offizielles Statement. Von den Produzenten und dem Regisseur verlangte er eine Überarbeitung, die diese jedoch verweigerten. Mitch Winehouse droht nun damit, er könne jederzeit gerichtlich gegen die negative Darstellung der Familie und seiner eigenen Person in dem Film vorgehen. Die Filmemacher bestehen darauf, die Darstellung von Amys Leben in ihrer Doku sei "absolut objektiv".

Als Amy sich auf eine Insel zurückzog, um der Öffentlichkeit zu entgehen, besuchte ihr Vater sie – zusammen mit einem Kamerateam

Der Streit, der da um die Erzählung eines Lebens geführt wird, ist absurd – denn der einzige Mensch, der die wahre Erzählung dieses Lebens kennt, nämlich Amy Winhouse selbst, ist tot. Dass der Film "absolut objektiv" ist, ist also eine ziemlich vermessene Behauptung. Was man aber sagen kann: Asif Kapadia ist mit Distanz an die Sache herangegangen. Er kannte Amy Winehouse nicht persönlich, er hat sich vor dem Film nie mit ihr beschäftigt, bloß mal ihre Musik gehört. Und er hat am Ende das Bild wiedergegeben, das sich ihm aus der Sammlung von Material aus verschiedensten Quellen geboten hat. Amys alter Freund und erster Manager Nick Shymansky erzählte der New York Times von seinem ersten Besuch in Kapadias Büro, "where the walls were covered in research and a detailed timeline of Ms. Winehouse’s life. ‚It was like going into a murder detective’s office,’ Mr. Shymansky said." Detektivarbeit also, Forschung über ein Leben. Näher kommt man vielleicht nicht an das heran, was Objektivität sein könnte.

Und das, was diese Forschung über Amys Vater herausgefunden hat, spricht eben nicht für eine positive Rolle in ihrem Leben. Er bestand zum Beispiel darauf, dass sie vertraglich schon festgelegte Konzerte noch spielt, obwohl sie dazu offensichtlich nicht in der Lage war. Und als seine Tochter sich nach St. Lucia zurückzog, um der Öffentlichkeit aus dem Weg zu gehen und zur Ruhe zu kommen, da besuchte er sie – mit einem Filmteam, um ein Dokumentation über sie zu drehen. Sie heißt "My Daughter Amy" und darin sieht man etwa 25 Minuten lang fast nur: Mitch Winehouse. In "Amy" sieht man, wie er seine Tochter überredet, auf St. Lucia ein Selfie mit zwei Fans zu machen, obwohl sie nicht möchte. Daraufhin muss sie sich von ihm eine Standpauke anhören, ob das denn nötig gewesen sei, sie solle doch bitte nett zu ihren Fans sein. So richtig sympathisch wirkt er da die ganze Zeit über nicht.

Objektivität gibt es nicht und niemand weiß, ob alle von Kapadias Interviewpartnern die Wahrheit erzählt haben. Und niemand weiß, wie Mitch Winehouse das Verhältnis zu seiner Tochter empfunden und wie er seine Rolle in ihrem Leben wahrgenommen hat. Aber man darf dem Film wohl schon glauben, dass irgendetwas da schiefgelaufen ist. Dass ein bisschen von diesem Drama in Amy Winehouses Leben mit der Beziehung zu ihrem Vater zu tun hatte. Denn wenn da ein Mensch ist, der die Öffentlichkeit loswerden will, dem der eigene Vater dann mit einem Kamerateam auf die Pelle rückt - und der trotzdem den Schriftzug "Daddy" auf die Schulter tätowiert hat, dann spricht das für vieles, aber ganz sicher nicht für ein gesundes Vater-Tochter-Verhältnis.

Text: Nadja Schlüter

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