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Neuseeland in 14 Tagen. Heute: Wasser lassen, Knochen schnitzen

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Tag 5.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Schon länger möchte ich von der lobenswerten Mineralwasserflaschen-Kultur der Neuseeländer künden. Die führt nämlich dazu, dass wir gar keine Souvenirs mitbringen wollten, sondern nur leere Wasserflaschen – so schön sind die hier! Leider aber haben wir heute Morgen beim konspirativen Packen festgestellt, dass unser Gepäck sich schon jetzt ausdehnt, so etwa wie zehn dieser Anti-Hunger-Dinger im Magen. Außerdem klimpert die Flaschensammlung bei jedem Schritt, die Herren Concierge gucken schon komisch. Deswegen gibt es jetzt also in einem Hotelzimmer in den Marlborough Sounds eine handverlesene Sammlung leerer Wasserflaschen – das MOMA kann sie jederzeit abholen (nach 18 Uhr).

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Eines der Exemplare aus unserer Sammlung. Dann wieder Steg, Wassertaxi, Mietauto und ab die Post nach Nelson, einer Stadt bei deren Erwähnung alle geheimnisvoll mit den Augen rollen und sagen: Jaaahaaa, die Hippie-Stadt. Es gibt dann dort aber zum Glück gar keine Hippies, sondern nur einen schönen Strand und sehr starken Wind, so stark, dass ich beinahe vom eigenen Schal erwürgt werde. Trifft sich also ganz gut, dass wir heute Stillarbeit drinnen haben. Zur Besonderheit Nelsons gehören regelrechte Künstler- und Kleinhandwerkerkolonien, viele der Typen dort sind Einwanderer und noch mehr sind Idealisten. Deswegen führt uns die Superliste heute auch erstmal in eine Töpferei am Stadtrand, in der nicht nur eine künstlerische Familie bunte Keramik töpfert, sondern auch Ungelernten und Saisontöpferern wie uns, die nötigen Dinge beigebracht werden.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Topf und Töpfer Das ist schon ein Kindheitstraum: endlich mal so eine Drehscheibe zu haben und mit einem Fingerzeig wunderbare Formen schaffen… . Natürlich ist aber alles, was man sich so nett vorstellt, doch wieder schwierig. Herr Hugh MacMillan gibt uns Tonklumpen, hält uns die Fingerchen, spreizt die Hände und wutsch - fegt mein Lehmklumpen von der Scheibe. Töpfern ist wie Teufelsradfahren auf dem Oktoberfest im Schoß! Später formen wir richtige Schüsseln, obwohl wir gar keine brauchen. Es kommt auch was Schüsselähnliches raus, allerdings leicht windschief, aber stolz sind wir schon. Entgegen unseren Erwartungen, wird unser Design aber nicht gleich gebrannt, lasiert, noch mal gebrannt und verziert. Sondern weggeworfen. Der neuseeländische Töpferguru schließt aber pietätvoll die Tür, bevor er das macht. Weinerlich steigen wir wieder ins Auto und sagen: über die schreiben wir aber nix Gutes, Schüsselschlächter. Trost wartet beim Knochenschnitzer. Wer bei dem Wort an Horrorfilme denkt, tickt genauso wie wir. Es sieht aber friedlich aus, beim Schnitzer, nur die überall verarbeiteten Muscheln in seiner Hausfassade blenden etwas. Stephan war in Deutschland eigentlich Gitarrenbauer, bevor er in den Neunzigern nach Neuseeland ging und dort das Schnitzen von Amuletten und Kettenanhängern begann – und schließlich auch Kurse dazu anbot. Das Schnitzen ist zwar eine Tradition der Maori, sie sind aber nicht allzu böse, wenn es auch ein Unmaori macht.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Leise spaltet er den Knochen...Stephan bei der Arbeit. Die Anhänger, die hier entstehen wirken wie aus Elfenbein, sind aber aus Kuhknochen. Deswegen riecht es überall auch ein bisschen nach H-Milch. Vor allem Backpacker machen gerne einen Tag im Schuppen von Stephan Station, um sich mit kleinen Sägen, Schleifbohrern und Poliermaschinen ein eigenes Amulett zu schnitzen – das lernt man mit Anleitung wirklich schnell. Ein bisschen zu esoterisch ist uns die Sache schon, schließlich bedeuten die meisten Formen, die man da so schnitzt auch irgendwas arg Gutes. Mein Antrag, stattdessen ein Bauhaus-Ornament zu schnitzen, wird aus Zeitmangel abgelehnt. Dafür dürfen wir noch ins Gästebuch schauen, wo wirklich sehr viele rundbauchige Backpacker-Handschriften von USA bis Japan etwas über die einmalige Erfahrung hier im Schuppen schreiben. Da können wir es natürlich kaum erwarten, unser Nachtlager zu beziehen – heute in einem richtigen Backpacker-Hostel, wie es sie hier an jeder Ecke gibt. Schon als wir dort die Taschen aufs Bett pfeffern, wird im Garten die Gitarre gestimmt…man darf gespannt sein, was die Nacht bringt.

Text: max-scharnigg - Fotos: Julia Strauß

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