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In Münster haben Professoren aufgelegt: Beobachtungen bei einem Party-Experiment

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Erstmals müssen die Professoren bei einer ihrer Veranstaltungen keine Zigarettenpäusler mehr erleben, die klammheimlich in die letzte Hörsaalreihe schleichen: Vor den Türen der Clubs auf Münsters Feiermeile ballt es sich schon früh.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Andrang. Innen wird geschwitzt und geschoben. In der Elephant Lounge beginnt Germanistik-Professor Moritz Baßler, 44, sein Set gleich mit einem Knaller. „Das ist meine Musik“, ruft er ins Mikro und schon pocht das berühmte The White Stripes Intro von „Seven Nation Army“ in den Ohren - auch bei den anwesenden Dozenten-Kollegen, welche zumeist am Hemdkragen oder am weißem Rauschebart zu erkennen sind.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

DJ Pfingsten. Auf dem Weg zum nächsten Club fragt eine ältere Dame „Hey, is’ schon voll?“, während zwei blonde Mädchen über das Alter des Profs streiten. „Irgendwie über 40“, meint die eine, die andere erwidert entrüstet: „Nee, älter“. In der Lounge 54 hat BWL-Professor Olaf Arlinghaus, 39, gut vorgelegt: Mit heftiger Housemusik und etwas James Last. Im weißen Anzug und Stiefeln in Schlangenlederoptik vollführt er Discodrehungen, die sich gewaschen haben. Die Menge tobt. Jemand ruft fassungslos: „Die gehen ja ab wie Pommes!“ Dabei ist es erst halb elf.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

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DJ Arlinghaus ...

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

... und das Lederschuhwerk.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Jetzt! Ein Auswahlkriterium zur DJ-Berufung, erklärt Student und Partyveranstalter Jan Beckers, waren die Unterhalterqualitäten der Herren an den CD-Wechslern. Die beweist Arlinghaus ohne Zweifel und raunt fröhlich ins Mikro: „Ich mach’ hier gerade meinen DJ-Schein.“ Eine Gage nehmen sie nämlich nicht - das Honorar für den Abend wird an ein Kinderhilfswerk gespendet. Derweil wirkt Professor Andreas Pfingsten, 49, seinerseits Direktor des Instituts für Kreditwesen, im schlichten schwarzen Pulli fast etwas eingeschüchtert. Er ist der Nächste und die schwitzende und zu "Olaf-Olaf"-Sprechchören anhebende Menge kann einem DJ-Novizen durchaus etwas Angst bereiten. Deshalb hat er Sorge, was sein Set angeht: „Ich glaube, die Platten, die ich spiele, kennt nur noch meine Frau.“

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

DJ Gehrau. Vorsichtig wird jede LP aus der hauseigenen Sammlung auf dem Plattenteller platziert - unter den Blicken dreier Club-DJs, die nur hin und wieder an die Regler greifen. Nachdem Pfingsten mit der Star Wars Titelmusik angekündigt ist, wird es ernst für ihn: „Wir schreiben das Jahr 1982. Studienabschlussparty in Karlsruhe.“ BAP. „Verdamp lang her.“ Geschafft. Es wird gejohlt und gesprungen. Vor dem Mischpult: „Cool!“ - „Der Hammer!“ - "Wie geil!" Zwei aufgeregte Studenten halten mit Fotohandys fleißig drauf und grinsen nach jedem Schnappschuss glückselig. Auch ein anderer BWLer ist ganz aus dem Häuschen: „Total netter, fairer Typ, aber knallhart in den Prüfungen.“

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Der Hammer! Während im Hintergrund „Hot blooded“ oder „(I can’t get no) satisfaction“ läuft, mag man das gerne glauben. Schließlich verrät einer der Haus-DJs, dass Pfingsten bereits vor drei Wochen sowohl Location als auch Musikanlage besichtigt habe. Man wird also das Gefühl nicht los, dass die Professoren allesamt bestens vorbereitet in die kleine Coolness-Prüfung gegangen sind. Beatles, BAP und viele All-Time-Favourites werden allerorts gespielt. Die Studis bekommen Aktuelles aber auch eine echte musikalische Nachhilfestunde geboten. Vielleicht aber hätten die DJ-Profs an diesem Abend auch einfach alles spielen können - es wäre angekommen. Trotzdem hat der Kommunikationswissenschaftler und Indie-Fan Professor Volker Gehrau, 40, drei Wochen an seiner Musikauswahl gefeilt. Alles tanzbar, „nur nicht Shakira oder so“, sagt er und freut sich über swingende Menschen auf seiner Tanzfläche.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Cool! Cool! Im Gegensatz zu den anderen Profs verfügt er bereits über, wenn auch etwas angestaubte, DJ-Erfahrung: „Auf der Abi-Party vor 20 Jahren hat eben aufgelegt, wer die meisten Platten hatte.“ Wie schon bei Aschenputtel aber ist um Punkt zwölf der ganze Spuk vorbei. Die Professoren haben sich aus dem Rampenlicht in den Hintergrund verzogen. Die „Cool, cool“-Bekundungen und Zugaberufe der Partygäste verstummen. Man widmet sich wieder dem Partyalltag: ein bisschen Flirten, Tanzen, Trinken. Auf die Frage aber, ob man nach der Aktion die Profs noch ernst nehmen würde, kommt ein Einhelliges: „Ja, klar. Jetzt doch erst recht, oder?“ +++ Alle Bilder von petra-baeumer

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