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Kalter Saft für sieben Euro

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Dieser Vorschlag kommt von Marcus Antebi, Mitinhaber des neuen Durchstarterladens Juice Press in New Yorks East Village. „Anstelle eines Coffeeshops und einer Apotheke an jeder Straßenecke soll es bitte Saftbars wie meine geben“, sagt er. „Dann ginge es uns allen wesentlich besser!“ Gut, er werde das nicht mehr erleben und ich, die ich ihm in seinem Büro/Apartment neben dem Laden gegenüber sitze, auch nicht, aber genau das wäre sein Ziel. Zusammen mit Milliarden von Dollar, die er mit dem Rohkostsaftladenimperium bald scheffeln wolle.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Von vorn: Vor einem knappen Jahr hat Marcus Antebi mit zwei Freunden das „Juice Press“ eröffnet. Und ab der ersten Woche rannten die New Yorker ihm und seinen zwei Teilhabern die Türen ein. Weizengrasshakes und Kokoswasser sind ja schon lange Trend, die gibt es natürlich auch hier, aber das „Juice Press“-Konzept geht noch einen Schritt weiter. „Wir pressen den Saft kalt und in speziellen 2500-Dollar-Geräten, so oxidiert nichts und die ganze Frucht landet im Getränk,“ erklärt der Saftmann. „Alles bei uns ist roh und bio und damit die perfekte Ernährung für einen gesunden Geist und Körper.“ Dann spricht er von einem Guru, der ihn berät und den allgemeinen Vorteilen von Rohkost, um sich aber schnell selber zu korrigieren: „Wir machen hier keine Zauberdrinks, man sollte auch sonst gesund leben und man muss es vor allem wollen.“

Wer das will, zahlt umgerechnet zwischen fünf und sieben Euro für etwa 0,3 Liter Saft. Es gibt verschiedene Kreationen – von Salat bis Süßkartoffelkuchen, Zutaten sind zum Beispiel Sellerie, Rote Beete, Spinat und auch Knoblauchöl. Das muss man mögen, vorsichtig ausgedrückt, aber das scheint kein Problem zu sein. Viele Stars holen sich hier ihre tägliche Portion ab, unter ihnen Kate Hudson und Veganerkönig Moby. Auch Starbucks-Chef Howard Schultz ist schon mit dicker Limousine vorgefahren. Antebi gab ihm herausfordernd scharfen Ingwersaft, den der Kaffeetrinker in einem Zug und ohne das Gesicht zu verziehen leerte.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Ich stehe also im immer populäreren Saftwunderladen, der typisch für New York winzig klein und mit Leuten vollgestopft ist. Ich schaue mich um und frage dann eine Angestellte aus. Etwa eintausend Flaschen Saft presse man am Tag und es kämen alle möglichen Leute, sie nennt sie einen „eklektischen Mix aus Hipstern, Müttern mit ihren Kindern und Geschäftsleuten“. Die Säfte würden kalt gepresst, was man so zuhause nicht hinbekäme, da erwärme sich immer etwas und damit sei der gesunde Effekt fast futsch. Dann meint sie, dass vielleicht doch lieber der Chef selbst antworten soll, ruft ihn an und führt mich in eine kleine Wohnung gleich nebenan. Antebi zählt gerade Geld und bittet die Angestellte, doch mal nachzuzählen, es müssten 2400 Dollar sein. Wir haben es gerade 14 Uhr. Während sie mir noch erzählte, Antebi hätte früher ein Fallschirmsprungunternehmen gehabt, meint er, dass er sich in seinem Bürojob im Antikhandel bisher sehr gelangweilt habe. „Ich wollte draußen sein, an der Sonne, bei den Menschen und trotzdem nicht den ganzen Tag an der Saftpresse stehen.“ Er lässt also pressen, zählt das Geld und plant nur Monate nach der Eröffnung schon die nächsten Läden in New York und später im Rest des Landes.

Trotzdem ist er oft im Laden, denn er weiß, dass der Erfolg des "Juice Press" zum großen Teil das Ergebnis seiner Rohkostreligion ist. Es gibt offenbar viele Menschen, die genau das brauchen – Gesundheit in Flaschenform, zu einem gepfefferten Preis und zum Mitnehmen. Ich selbst bin wegen meiner Allergien gegen fast alles in seinem Laden allergisch, bekomme deswegen unpasteurisiertes, thailändisches Kokoswasser, denke kurz, dass jetzt auch mein gesundes Rohkostleben beginnt und merke schnell, dass es mir leider nicht schmeckt. Jedenfalls nicht so gut wie Kaffee.

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