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Die Pärchenkolumne. Heute: Film ausleihen

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Michèle sagt: Man mag München ein Dorf nennen, aber wer aus einem richtigen Dorf kommt, wie ich (mehr Kühe als ein Einwohner), ist doch immer wieder hingerissen von den unzähligen Möglichkeiten an Freizeitgestaltung, die so eine kleine Großstadt bietet. Trotzdem steht regelmäßig DVD-Ausleihen auf Dominics und meiner Agenda. Immerhin ist das ein wichtiger Bestandteil des Pärchenseins und die einzige Möglichkeit dem Unterschichtenfernsehen am eigenen Fernsehgerät entgegenzuwirken. Die Wahl der DVD-o-Thek fiel uns vor zwei Jahren nicht schwer, wir haben einfach die mit dem kürzesten Weg zu Dominics und meiner Haustür genommen. Ganz James-Bond-like muss man dort seinen Daumen einscannen, um in die unendlichen Weiten des DVD-Kosmos vorzudringen. Naja, Weiten sind es nicht wirklich, die Auswahl ist irgendwie immer mau. Dafür hat der kleine Laden ein anderes Zuckerl parat: Hitze. Entweder ist die Heizung dort das ganze Jahr über auf Vollgas oder ich komme da drin immer kurzzeitig in ein verfrühtes Klimakterium. Auf alle Fälle ist es dort heiß, stickig und unerträglich. Vielleicht ist das aber auch nur ein Trick der Geschäftsleitung, damit die Automaten schneller wieder frei werden. So schnell lassen wir uns aber nicht klein kriegen. Hat der blöde Automat Dominics Wurstdaumen nämlich nach zehnmaligem Versuchen endlich angenommen, kann die Diskussion losgehen. Ohne zu fragen, manövriert Dominic gleich zu den Abenteuerfilmen. Während er im Maschinengewehrtempo nach unten scrollt, wird mir ganz schummrig. Ich habe immer noch kein System gefunden mit dem linken Auge die Cover anzusehen und mit dem rechten in einer Millisekunde die Inhaltsangabe vom Bildschirm zu lesen. Dominic kann das scheinbar. Ich unterstelle ihm aber dreist, dass er in seinem Kopf einen Keira-Knightley-Suchfokus hat. Wie sonst findet er zielsicher nach einer Minute einen Film, in dem sie mitspielt? Ganz ehrlich: die Alte ist doch erst 19, wie kann die in so vielen Filmen mitgespielt haben? Weil ich das dürre Klappergestell aber nicht schon wieder sehen will, lächle ich gezwungen und murmele etwas in die Richtung von „Äh..ja, lass mal nach noch was anderem sehen.“ Nachdem wir durch alle Menüs mindestens dreimal durch sind und uns immer noch nicht geeinigt haben, schlage ich versöhnlich vor, dass wir zwei Filme ausleihen. Einmal ist er der Bestimmer, einmal ich. Der Schweiß rinnt uns nun schon die Stirn runter, weil die Raumtemperatur mit zwei Menschen auf sechs Quadratmeter ins Unermessliche steigt. Das Jeder-bestimmt-einen-Film-System funktioniert aber ganz gut. Dominic wünscht sich etwas Buntes, Anspruchsloses mit Flugzeugen, ich mir Jude Law. Selig verlassen wir den Laden, begleitet von einem sofortigem Kälteschock. Jude-Schatzi wird natürlich zuerst geschaut, dann kann ich danach nämlich friedlich mit Kriegslärm einschlummern. michele-loetzner

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Dominic sagt: Einen wichtigen Bestandteil unserer Beziehung hatten Michèle und ich bisher nicht erwähnt: Den Schweinehund. Er ganz allein ist dafür verantwortlich, wenn wir es abends wieder einmal nicht vor die Haustür schaffen und kreuz und quer im Bett versumpfen. „Leihen wir eben einen Film aus!“ flüstert der Schweinehund und meistens halten wir das für eine gute Idee. Dass wir dafür doch noch die paar Meter zur DVD-o-Thek laufen müssen, zählt ja nicht als „rausgehen“. Ganz so einfach ist es aber doch nicht. Um dem Automaten einen halbwegs guten Film abzuringen, braucht es zuallererst einmal meinen Daumenabdruck, was kein größeres Problem darstellt. Schlimmer ist schon die zweite Voraussetzung: Geduld. Das liegt einerseits an den prominent roten „Gesehen“-Zeichen bei gefühlten 80% aller Filme, andererseits an der heillos schlechten Sortierung im System. Gerne würde ich den Betreiber des Ladens einmal persönlich fragen, warum Blockbuster wie „Heiße Schenkel 3“ in der Rubrik Kinderfilm gelistet sind. Michèle und ich müssten es ja eigentlich besser wissen und uns endlich mal eine bessere Videothek suchen. Trotzdem überrascht uns jedes mal aufs Neue die dürftige Filmauswahl. „Ich weiß ja auch nicht!“, raunt Michèle dann gerne und manchmal auch: „Blöd, dass wir den Film schon gesehen haben.“ „Du, vielleicht...“, muss ich oft ergänzen - aber wenn der Film schon Geld kostet, soll er uns gefälligst auch beide unterhalten. Weil wir uns so nie auf einen Film einigen können, leihen wir eben zwei aus. Für meine liebe Freundin wird es dann meistens „was Lustiges, so zum Kuscheln“ und meine Wahl fällt zugegebenermaßen entweder auf „was Anspruchsloses ohne Handlung“ oder Keira Knightley. Selten gelingen uns konsensfähige Glücksgriffe wie – man höre und staune – der Film „Goal!“: Darin gibt es schön viel Fußball, britischen Akzent und Oasis, Kasabian & Co. im Soundtrack, Michèle hingegen hat außerdem ihre platte Lovestory und einen Hauptdarsteller, der „wie der Odonkor aussieht!“ Fachlich kompetent fügte sie noch hinzu: „Außerdem spielt der ja die gleiche Position.“ Da war ich baff, viel mehr kann ich von einer DVD nicht erwarten. Hoffentlich kommt bald der zweite Teil von "Goal!", aber vielleicht haben wir ja bis dahin endlich eine neue Videothek gefunden.

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