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Die Pärchenkolumne. Heute: Kranksein

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Dominic sagt: Krank bin ich eigentlich nie. Kann ich mir gar nicht erlauben, schließlich höre ich von meiner Freundin Michèle regelmäßig: „Mir geht’s nicht gut, kümmer dich um mich“ und bekomme eine Urlaubssperre verhängt. Wenn ich dann mit Pfefferminztee bewaffnet zu ihr eile, kauert sie schon pflegebereit in einem Meer von Kleenextüchern. Die sind taktisch klug im Bett verteilt, teils sehr benutzt aber trotzdem noch nicht dazu gedacht, dass ich sie wegwerfe. Überhaupt setzt bei ihr im Krankenstand jegliche Logik aus. Sitze ich zu Diagnosezwecken dann am Bettrand, ignoriere ich zuerst ihr „Kannst du dich mal normal hinsetzen?“ und versuche dann streichelnd ihr Gesicht unter den wirren Haaren freizulegen. Nach einem uncharmanten „Lass mich!“ erkenne ich ein schwerwiegendes Binnenleiden und außerdem, dass hier keine zärtliche Zuwendung mehr hilft. Frage ich daraufhin besorgt: „Wie geht’s dir denn, du Ärmste?“, bin ich natürlich schon zu laut: Lärm machen dürfen hier nur Michèle und ihr Fernseher, Fremdgeräusche sind tabu. Mit Vorliebe schneuzt sie die Schallmauer zu Grunde und hustet sich um den Verstand. Nur sie bringt es fertig, sich dabei jedes Mal zu verschlucken, und sofort muss ich dann herbeispringen und ihr in Maßarbeit auf den Rücken klopfen – kein Patscher zu wenig bei möglichst geringem Körperkontakt. Hat sie danach wieder Luft, einen Pott Tee in der Hand und kurzfristig nichts an mir auszusetzen, machen wir uns an die Behandlung. Ich darf ihr die Medikamentenbox bringen und mal wieder die Tabletten von vorletztem Jahr herauskramen, vielleicht helfen die ja heute mal was. Weil Michèle jedoch mehr Medikamente hortet als so mancher Provinzapotheker, dauert es ein wenig und schließlich kann sie es dann doch alleine und vor allem besser. Gegen das übliche „Muss ich immer alles selbst machen?“ könnte ich einwenden, dass sie mich für die gerne beanspruchten Nackenmassagen ja wohl doch braucht. Stattdessen spiele ich den gütigen Apostel des Placebo-Effekts und hole lieber eine neue Packung ihrer Lieblingstabletten aus der Apotheke, nehme unterwegs noch eine DVD mit und überlege mir schon mal, welcher Bringdienst uns heute Essen liefert. Ist am nächsten Morgen immer noch „Alles bäh!“, wird es richtig kritisch: Krank sein kann sie nicht und gesund werden will sie nicht - zum Arzt gehen schon gar nicht. Da müsste sie ja auf die Straße mit den bösen Fremdgeräuschlern! Und mit dem Auto darf ich sie schon gar nicht hinfahren, die bloße Androhung wirkt genesungsfördernd bis wunderheilend. Und damit ist endlich wieder Frieden für die nächsten 14 Tage. dominic-holzer

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Michèle sagt: Während Dominic einmal im Jahr krank wird, höchstens zweimal, bin ich in ständigen, weitaus kürzeren Abständen malade. Also eigentlich im Winter alle zwei Wochen, im Sommer halte ich manchmal vier durch. Dominic aber ist das robusteste Immunsystem der Welt. Aber wehe, es erwischt ihn doch, dann hat er nicht einfach nur Grippe, sondern Pest, Cholera und Malaria gleich mit. Ich, gut gebrieft durch meine ständigen Wehwehchen, kann fast alle Beipackzettel rückwärts aufsagen und nehme sofort die Krankenschwester-Position ein. Besserwisserei liegt mir im Allgemeinen sehr und Dominic kann das, wenn er gesund ist, gekonnt ignorieren. Ist sein Schutzschild aber angeschlagen, ist er mir und meinem Apothekenblättchenwissen wehrlos ausgeliefert. Nehmen wir mal an, er bekommt tatsächlich eine Erkältung. Das bedeutet, er liegt im Bett und macht Geräusche: „Soschlechtgingsmirnochnie...röchel...röchel“. Mir fallen sofort alle Folgen Emergency Room ein, die ich jemals gesehen habe und ich versuche ein Krankheitsbild zu erstellen. Wichtigste Frage: „Wo tut’s denn weh?“ Immer gleiche Antwort mit schwacher Stimme: „Überall!“ „Dominic, überall kann nicht sein.“ „Doch, mein Kopf, mein Hals...“ Es werden mit augenscheinlich letzter Kraft alle Körperteile aufgezählt, die er besitzt. Als nette Freundin lasse ich ihn fünf Minuten in Selbstmitleid zerfließen und schlage dann Aspirin vor. Als wäre plötzlich alle Energie zurückgekehrt, wird mir entrüstet mitgeteilt, dass so eine dumme, kleine Tablette ja wohl überhaupt nichts helfe und er etwas Starkes bräuchte. Ich schlage deswegen zwei Aspirin vor. Jetzt ist er beleidigt und täuscht trotzig vor, aufzustehen, um sich einen Tee zu machen. Schnaufend und ächzend versucht er sich aus dem Bett zu hieven. Ich biete großzügig an, mich um den Tee zu kümmern, und schlage auf dem Weg in die Küche einen Arzt vor - scheint ja schließlich eine ganz perfide Krankheit zu sein, die er da hat. So ein Schnupfen ist nicht zu unterschätzen. Nun muss ich dazu sagen, dass Dominic das Glück hat, genau gegenüber einer Arztpraxis zu wohnen, mit einer wirklich netten und kompetenten Ärztin. Er muss nicht mal im Wartezimmer warten, die freundliche Arzthelferin klingelt einfach, wenn er dran ist. Nach weniger als einer halben Stunde wird er auch schon abgeholt und persönlich über den Flur direkt ins Sprechzimmer eskortiert. Das dauert natürlich, immerhin ist er schwer krank und kann nur mit größter Vorsicht die drei Meter zur anderen Tür überwinden. Nach einer Viertelstunde kommt er schon wieder zurück und hält wie ein Sieger ein Tablettenpäckchen in der Hand. Ich frage: „Und? Was hast du Schlimmes?“ Er: „Grippe, geht grad rum. Eine ganz Fiese!“ „Was hast du für Medikamente bekommen?“ Da fällt die Siegerpose zusammen und im Vorbeigehen nuschelt er leise vor sich hin: „Aspirin und Nasenspray.“ Illustration: dirk-schmidt

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