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Ein Kuss und ein Knall

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Kiss Kiss Bang Bang (2005)
Regie: Shane Black Mit: Robert Downey Jr., Val Kilmer, Michelle Monaghan

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Warum diesen Film auf DVD? Weil alle, die sich bei Filmen wie „Die Wedding Crashers“ und „Big Mama’s Haus“ unterfordert und peinlich berührt fühlen, auch einfach mal laut lachen sollten und nicht immer nur intellektuell in sich hinein kichern.

Worum geht’s?
„Kiss Kiss Bang Bang“ ist Pulp-Neo-Noir. Nach klassischer film-noir-Manier gibt es einen Erzähler, einen coolen Privatdetektiv, viel düstere Stimmung, eine schöne Blondine und einen verzwickten Kriminalfall. In dieser modernen Version ist der Held der Geschichte allerdings ein Loser und Kleinganove: Harry (Robert Downey Jr.), der, als er auf der Flucht ist vor der Polizei, aus Versehen in ein Casting gerät, prompt die Rolle zugesprochen bekommt und von New York nach L.A. geht. Harry ist kein echter Privatdetektiv, er soll nur einen spielen, er ist kein cooler Hund und ein guter Erzähler ist er auch nicht. Immer wieder beschwert er sich über die Szenenauswahl oder springt plötzlich zurück, weil er etwas vergessen hat. Und schon steht der Zuschauer vor dem üblichen Dilemma: deutsche Synchronfassung oder englisches Original? Der Stil der deutschen Synchronisation amerikanischer Filme ist längst zu einer Art eigenen Sprache geworden, die, so seltsam sie im echten Leben klingen würde, innerhalb des Films nicht mehr als befremdlich wahrgenommen wird. Aber leider ist bei „Kiss Kiss Bang Bang“ nicht nur die Übersetzung zu gewollt umgangssprachlich, der Synchronsprecher ist auch eine Fehlbesetzung. Da steht „I’ll be your narrator“ in angenehmen Downey-Bass gegen ein aufgesetztes „Ich mach euch den Erzähler“. Nur leider versteht man auf Englisch die komplizierten Wendungen des Plots nicht mehr. Und der geht in etwas so: In L.A. trifft Harry seine Jugendliebe Harmony (Michelle Monaghan) wieder und begleitet den (echten) Privatdetektiv „Gay Perry" (Val Kilmer) auf eine seiner Observationstouren, um sich auf die Filmrolle vorzubereiten. Harry und Perry stoßen dabei auf eine Tote, die, wie sich später herausstellt, die Tochter eines ehemaligen Schauspielers ist, der, wie sich noch später herausstellt, vor 20 Jahren schon einmal Harmonys und Harrys Weg kreuzte. Außerdem kommt Harmony zu Harry, weil sie denkt, er sei ein echter Privatdetektiv und bittet ihn, einen anderen Fall aufzukären, der, wie sich später herausstellt usw. Jedenfalls hängen die beiden Fälle irgendwie zusammen und nach vielen Tricks und Wendungen schaffen Harry, Perry und Harmony es, sie zu lösen. Und auf dem Weg dahin passieren ihnen immer wieder überdrehten Grausamkeiten in schönstem "Pulp Fiction"-Stil.

„Kiss Kiss Bang Bang“ ist vielschichtig und selbstreferentiell: ein Hollywoodfilm, der sich über die Filmbranche mokiert und die traditionellen Erzählmuster zu sprengen versucht. Außerdem ist die Handlung des Film aufgebaut wie die Schundromane um einen Privatdetektiv namens Jonny Gossamer, die Harry und Harmony als Kinder immer gelesen haben. Könnte man alles schön in ein Filmseminar einbauen. Aber damit wäre schon ein intellektuelles Niveau erreicht, auf das wir ja geade nicht kommen wollten. Avantgardistisch oder post-modern sind viel zu große Worte für die kleinen Experimente, die „Kiss Kiss Bang Bang“ unternimmt. Aber die Schauspieler sind großartig, besonders Val Kilmer als abgebrühter Private Eye, der viele Klischees bedient, aber abgesehen von seinem Klingelton und seiner kleinen „Schwuchtel-Knarre“, sicher nicht das des sensiblen Schwulen. Die Dialoge sind wunderbar absurd und die Situationen, in die die Protagonisten sich bringen, herrlich makaber: eine Leiche wird angepinkelt, ein Finger abgetrennt, angenäht und wieder abgetrennt, ein Sarg fliegt durch die Gegend und eine haarige Riesenspinne krabbelt in einem Frauendekoltée herum. Könnte man jetzt natürlich wieder eine soziologische Diskussion anknüpfen über Gewaltverherrlichung bzw. –verharmlosung. Egal, wir haben gelacht.

Bestes Bonusmaterial/ Schlechtestes Bonusmaterial:
Auf der DVD gibt es überhaupt kein Bonusmaterial! Wir hätten ein paar Vorschläge: 1. Eine Dokumentation, in der Autor und Regisseur über ihre Bezüge zum klassischen Film noir sprechen, mit Ausschnitten alter Filme mit Humphrey Bogart 2. Ein live-Mitschnitt eines Konzerts von Robert Downey Jr. 3. Deleted Scenes

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Schönstes Standbild:
Siehe oben. Bei 1:26:40 hängt Robert Downey Jr. über dem Highway in der Luft, mit der einen Hand klammert er sich an einen Arm, der aus einem Sarg baumelt, der sich an einem Verkehrsschild an einer Autobahnbrücke verhakt hat.

Wann ansehen: Wenn man ein bisschen übermüdet ist.

Die DVD „Kiss Kiss Bang Bang“ (Warner) ist seit 28. April im Handel

[Bilder: Warner]

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