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Kitsch im kalten Land

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Kaltes Land (2005)
(North Country) Mit: Charlize Theron, Frances McDormand, Woody Harrelson u.a.

Warum diesen Film auf DVD? Ein Film für die Hollywood-Kollektion. Der Juni ist der Monat, in dem langsam die Filme, die im Februar im Oscar-Rennen mitliefen, auf den deutschen DVD-Markt schwappen. Die DVD „Kaltes Land“ macht den Anfang, Hauptdarstellerin Charlize Theron und Nebendarstellerin Frances McDormand waren für den Oscar nominiert.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Worum geht’s?
Das amerikanische Kino liebt Heldengeschichten, und am liebsten hat es sie, wenn der Held von ganz unten zum Befreiungsschlag ausholt. Im Fall von „Kaltes Land“ ist es eine Heldin, Charlize Theron als Josey Aimes. Der Film beginnt vor Gericht, in der Rückblende wird Joseys Geschichte erzählt. Es ist das alte traurige Lied von Hass und Diskriminierung gegenüber Frauen. Eine arme Gegend im Norden Minnesotas, die meisten Männer verdienen ihr Geld in einer der Minen, die Frauen kümmern sich um die Kinder und den Haushalt. Josey wird schwanger, mit 16 Jahren. Später heiratet sie einen anderen, bekommt noch ein Kind, wird von ihrem Mann verprügelt, immer wieder, bis sie ihre Kinder packt und zu den Eltern zurückgeht. Ihr Vater ist wenig begeistert, denkt, Josey habe selbst Schuld an ihrer Situation und lässt sie das auch spüren. Charlize Theron spielt Josey mit einer Mischung aus Stärke und Naivität. Sie lässt sich nichts gefallen und ist doch immer wieder überrascht, wie groß die Hindernisse sind, die sie überwinden muss. Josey nimmt einen gut bezahlten Job in der Mine an, in der auch ihr Vater arbeitet. Gerade erst wurde gerichtlich durchgesetzt, dass auch Frauen in der Mine arbeiten dürfen, aber keiner will sie dort haben, die Chefs nicht und die männlichen Kollegen erst recht nicht. Minenarbeit ist Männerarbeit, für Frauen nicht geeignet, diese nehmen nur den Männern die Jobs weg.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

„Kaltes Land“ zu sehen ist schmerzhaft von der ersten Minute an, all die Ungerechtigkeit, die Josey widerfährt, ist schwer zu ertragen. Richtig schlimm wird es in der Mine. Der Hass, der den Frauen in Form von sexistischen Bemerkungen und sexueller Belästigung entgegenschlägt, ist gewaltig und wird von Regisseurin Niki Caro lustvoll ausgeschlachtet: „Fotze“ wird den Frauen hinterher gerufen, ihre Umkleide wird mit Fäkalien beschmiert, sie werden ausgelacht, bedrängt und begrapscht. Josey aber will keine Angst mehr haben müssen, sie nimmt einen Anwalt und zieht vor Gericht. Doch es ist nicht so einfach, ihre Kolleginnen auf ihre Seite zu bringen, die in Josey eine Unruhestifterin sehen, die ihre Jobs gefährdet. So grausam und detailreich "Kaltes Land" auch ist, am eigentlichen Ziel, nämlich einen Film zu machen, der etwas bewegt, schießen die Macher leider vorbei. Die bloße Aneinanderreihung der verschiedenen Gemeinheiten, die den Frauen angetan wurden, macht noch keinen politisch engagierten Film. Und leider entwickelt sich "Kaltes Land" im zweiten Teil zu einem Rührstück. Joseys Kampf wird zum kitschigen Gerichtsdrama, wie man es so schon hundertmal im amerikanischen Kino gesehen hat, wodurch dem Film die letzte Brisanz und Realitätsnähe genommen wird. Den Frauen, die damals wirklich um ihr Recht kämpften, hätte man ein schöneres Denkmal gewünscht.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Bestes Bonusmaterial:
„Stories from the North Country“. Eine Mischung aus Making Of und Hintergrundbericht, in der auch die echten Frauen aus dem North Country zu Wort kommen. Erst da wird einem bewusst, was der Film nicht wirklich hat klarmachen können: dass es sich bei dem Prozess der Minenarbeiterinnen wirklich um eine großes, wichtiges Ereignis in der Geschichte der Frauenrechte handelt.

Schlechtestes Bonusmaterial:
Die Deleted Scences. Langweilig, fügen dem Film nichts Neues hinzu.

Schönstes Standbild:
Bei 0:42:13. Josey steht, gefährlich nah am Abgrund, allein auf einem hohen Turm, von dem Kohle, die mit einem Fließband nach oben transportiert wurde, mit voller Wucht in die Tiefe fällt.

Wann ansehen: Wenn man mal wieder einen kleinen Realitätscheck braucht. Der Film macht klar, dass der Weg zur Gleichberechtigung der Frau nur sehr langsam vorangeht, langsamer als mancher sich das vorstellen kann, und noch lange nicht am Ende ist.

Die DVD „Kaltes Land“ (Warner) ist seit dem 9. Juni im Handel erhältlich.

[Bilder: Warner]

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